FRIEDRICH WILHELM AN DIE AUFSEHER IN KÜSTRIN
Wusterhausen, 14. November 1730
Der Geheimte Rath v. Wolden soll über den Kronprinzen die Ober-Aufsicht haben, und die beiden Kammerjunkere v. Natzmer und v. Rohwedel, wie auch die Laqueyen sollen unter Ihm stehen, und alles dasjenige thun und laßen, was der geheime Rath v. Wolden im Namen Sr. Königl. Majst. und vermöge seiner Instruction und den zuerhaltenen Ordres Ihnen anbefehlen wird, welches Sie stricte verrichten, und allein einen Gott und einen König Friedrich Wilhelm vor Ihren Herren erkennen, auch also alles, was Ihre Pflicht erfordert, ohne Absicht auf die künftige Zeiten thun sollen.
(…)
Woferne aber der Kronprinz der Instruction nicht in allen Stücken folgen, noch dasjenige, was Sr. Königl. Majst. Wille und Befehl ist, thun wollte, so soll der Geheimte Rath v. Wolden dem selben ohne Komplimente und auf gut Teutsch zureden, und Ihm sagen, daß Er Seinen Ungehorsam sogleich Sr. Königl. Majst. berichten werde; Worauf er auch, wenn nicht solgleich Beßerung erfolget, ohne Zeitverlust Sr. Königl. Majst. durch eine Staffette den Zustand und die Konduite (Verfassung) des Kronprinzen berichten muß; da denn Se. Königl. Majst. schon Mittel und Wege finden werden, den Kronprinzen auf eine andere Art zur Raison zu bringen, dergestalt, daß Er ins künftige des v. Wolden guten Rath und Vermahnungen beßer annehmen wird.
Der Geheimte Rath v. Wolden soll auch alle Woche 1mal, oder wenn Er es nöthig findet, mehr Malen an Se. Königl. Majst. schreiben, und so, wie Er es rathsam und nöthig zu sein erachtet, von allen Vorfällen seinen Rapport abstatten.
Der Geheimte Rath v. Wolden soll dafür responsable sein, daß der Kronprinz sowohl bei Tag als Nacht, niemals alleine sei, sondern alle mal einer von Ihnen dreien. Dem v. Wolden, den v. Natzmer und v. Rohwedel bei Ihm sei; Imgleichen, daß alle Nacht, einer von denen zwei Kammerjunkern in des Kronprinzen Kammer schlafe, und auf Selbigen acht gebe, zu welchem Ende für den Kammerjunker, quere vor der Kronprinzen Bette, ein ander Bette hingesetzt werden soll.
Imgleichen sollen Sie alle Drei dafür responsable sein, daß der Kronprinz mit Niemand anders spreche, als laute, und wenn Jemand von Ihnen Dreien dabei stehet, und höret, was gesprochen wird.
Es soll auch dem Kronprinzen nicht verstattet werden, zu correspondiren, noch an keinen Menschen in der Welt zu schreiben, als alle drei Monate 2 Briefe en cachet volant (mit offenem Siegel), in teutscher Sprache, und welche an den dortigen Gouverneur hingesandt werden müßen; nämlich einen Brief an Se. Königl. Majst. Den König, und den anders an der Königin Majst., an Seine Geschwister aber soll Er bei Seinem Eide nicht schreiben, oder mit Ihnen correspondiren. Übrigens soll der v. Wolde den Kronprinzen in allen Stücken halten, wie es von Sr. Königil. Majst. mündlich und schriftlich befohlen ist.
Wegen Seines Unterhalts, imgleichen wie seine Tafel reguliert werden soll, darüber werden Se. Königl. Majst. eine besondere Einrichtung machen.
Der Kronprinz soll die ganze Stadt Cüstrin zum Arrest haben, daß er überall in der Stadt, wie auch auf dem Walle spazieren gehen könne. Außerhalb dem Thore aber, oder in denen fausse braye (Vorwall), soll er mit keinem Fuß kommen.
Bei der Mahlzeit soll kein Fremder miteßen, oder zu Gaste gebethen werden, sondern es sollen bloß die 3 Herren, so beidem Prinzen sind, mit Ihm speisen. Er soll auch nirgends zu gaste gehen, sondern allemal bei Ihnen bleiben.
Bei dem Kronprinzen soll keine andere Sprache als teutsch, und gar kein französisch geredet werden. Es soll auch mit Ihm nichts gesprochen werden als vom Göttlichen Wort, von der Oeconomie, von des Landes Verfaßung, von Manufacturen, Policei-Sachen, Bestellung des Landes, Abnahme der Rechnungen, Raisonnements (Ordnung) über Pachtungen, imgleichen von Proceß-Ordnungen, und auf was Weise die Rendanten die Gelder tractieren und die Rechnungen führen sollen. Überhaupt sollen die drei Herren von allem, was zur Wirtschaft und Landes-Verfaßung, sowohl in der Neu-Mark, Pommern, Preußen, Chur-Mark, Magdeburg und im Clewischen, so viel sie davon wißen, mit dem Kronprinzen reden. Wie denn auch demselben in seinen müßigen Stunden erlaubet ist, von denen Kameralisten einen oder zwei zu sich kommen zu laßen, mit Ihnen über diese Sachen zu raisonniren, doch in Gegenwart eines von Ihnen Dreien. Weßwegen auch an den Praesidenten von Münchow und Direktor Hille Ordre ergangen, daß Sie auf Erfordern des Kronprinzen Ihm Anschläge von Verpachtungen und Etats derer Aemter und dergleichen bringen, und Ihm von allen Oeconomischen, Accise-, Manufactur- und Policei-Sachen einen gründlichen Begriff und deutliche Information geben sollen.
Sobald der Kronprinz von Krieg und Frieden und sonst andern politischen Sachen sprechen will, oder von allerhand unnützlichen Sciencen in der Welt, so sollen Sie es Ihm verbiethen, in Sr. Königl. Majst. Namen, und Sich darüber mit Ihm in keine Discourse, es sei directe oder indirecte, einlaßen. Wenn Fremde dahin kommen, So soll Ihnen mit guter Manier insinuiret (beigebracht) werden, daß Sie nicht von englischen, französischen, spanischen und dergleichen fremden Sachen mit dem Kronprinzen sprechen möchten; Es soll auch keinem Franzosen verstattet werden, Ihn zu besuchen, oder mit Ihm zu reden, es sei auch, wer es wolle. Zeitungen sollen Ihm permittiret (gestattet) werden zu lesen, doch nur die teutsche Berlinische, auch die Hamburger Gazetten, deßgleichen alle teutsche sogenanndte Intelligenz-Nachrichten, weshalb der p.v. Marschall beordert ist, solche wöchentlich zu schicken, aber durchaus keine französische.
Es soll auch dem Kronprinzen verbothen werden, Sich keine Bücher anzuschaffen, anzukaufen, oder auch nur zu lehnen, und soll Er in keinen Büchern lesen, als in der Teutschen Bibel, Johann Arends Christenthum und dem Gesang-Buch, wofür der Geheimte Rath v. Wolden nebst denen zwei Kammerjunkers mit Ihren Köpfen repondiren (haften) sollen. Wann aber der Kronprinz müßige Stunden und Lust zu lesen hat, sollen Sie Ihm aus dem Cüstrinschen Archiv die Schriften und Documenten von der alten Verfaßung des Marggrafen Hansen holen laßen, da Er Sich mit Lesen dieser nützlichen Sachen divertiren kann. Wenn Er das ganze Archiv ausgelesen, so soll der Geheimte Rath v. Wolden darüber an Se. Königl. Majst. berichten, welche sodann weiter befahlen werden, was Er sodann lesen soll.
Dem Kronprinzen soll ferner nicht erlaubet sein, einige Musique, sie mag Namen haben, wie sie wolle, bei Sich zu hören, noch Selbsten zu musiciren, als wofür die mehrgedachte drei Herren mit Ihrem Leben repondiren sollen. Eben so wenig soll demselben permittiret sein, musicalische instrumenta und musique-Bücher bei sich zu haben. (…)
Weilen auch der Kronprinz einen großen Hochmuth besitzet, Stolz und Hochmuth aber zu den größten und schädlichsten Lastern gehören, welche billig von Jederman gehaßet werden: So soll sich der Geheimte Rath v. Wolden äußerst bemühen, Ihm diesen Hochmuth aus dem Kopf zu bringen. Wobei Er sich ebenfalls bearbeiten muß, dem Kronprinzen das windigte Wesen von englischen und französischen Sachen, imgleichen die englische mariage (Hochzeit), woraus in Ewigkeit nichts werden soll, aus dem Sinne zu schaffen.
Wenn der Kronprinz zum Heiligen Abendmahl gehen will, so soll der Geheimte Rath v. Wolden Sr. Königl. Majst. davon berichten; Als dann Sie Ihm einen braven ehrlichen lieben Prediger, den Noltenius, hinsenden werden, der Ihm das Abendmahl reichen soll.
Die Tage und due Eintheilung der darinnen vorfallenden Arbeit sollen folgendergestalt eingerichtet werden: Es wird aber der Anfang im Namen Gottes mit dem heiligen Sonntag gemachet.
Es soll der Kronprinz des Sonntags im Winter und Sommer des Morgens um 4. Uhr aufstehen. So wie Er aufgestanden ist, soll Er Sich auf die Knie werfen, nebst allen bei Sich habenden Leuthen, und soll sein Gebeth halten, welches der Geheimte Rath v. Wolden in Form eines Morgen- und Abends-Gebeths verfertigen und drucken laßen soll.
Sobald das Gebeth verrichtet ist, soll Sich der Kronprinz geschwinde ankleiden, und Sich nicht lange mit Anziehen und Auskleiden aufhalten. Nachdem Er mit dem Anziehen fertig, so muß der andere Kammerjunker um halb fünf Uhr da sein, und denjenigen, so die Nacht bei dem Prinzen gewesen, ablösen. Darauf sollen sie von 5. Bis 7. Uhr in die Stadt-Kirche gehen und die Predigt anhören, wobei der Kammerjunker davor repondiren soll, daß der Kronprinz allemal mit Aufmerksamkeit zuhöre und fleißig mitbete und singe. Um 7. Uhr ist diese Kirche aus; also sollen Sie wieder nach Hause gehen, und können Sich ermuntern in Lesung des Evangelii und der Epistel, auch bei gutem Wetter etwas auf dem Walle promeniren gehen. Und da um halb 9. Uhr der Reformirte Gottes-Dienst in der Schloß-Kirche angehet, so soll der Kronprinz mit Ihnen allen Dreien dahin gehen, und solchem gehörig beiwohnen. Um 11. Uhr ist der Gottesdienst aus, dahero Sie so gleich zusammen nach Hause gehen, da denn das Eßen parat sein muß. Eher und bevor sie eßen, muß einer beten, und dauert die Mahlzeit bis halb ein Uhr. Von halb 1. Uhr bis halb 2. Uhr können Sie herum gehen und die Zeit mit guten Discoursen paßiren (Gesprächen verbringen). Um halb 2 Uhr Nachmittag gehet die große Stadt-Kirche an, wo Sie denn ebenmäßig hingehen sollen, Gottes Wort zuhören.
Wenn der Kronprinz um 4. Uhr aus der Kirche kommet, und es gut Wetter ist, so kann Er eine Promenade auf dem Wall machen, des Sommers bis 6.7. oder 8. Uhr, und des Winters bis es finster wird. Des Winters soll Er um 5. Uhr des Sonntages von Leuten, die von der Krieges- und Domainen-Cammer und der Regierung sind, auch von durchpaßirenden, Visiten annehmen, und soll Er mit denselben gute Discourse halten; wobei der Geheimte Rath v. Wolden und die 2 Kammerjunkers wohl acht haben müßen, was gesprochen wird. Woferne aber die Discourse gegen diese Instruction und Sr. Königl. Majst. Ordres laufen sollten, so soll der v. Wolden darein reden, und solche Reden im Namen Sr. Königl. Majst. verbiethen.
Wenn die Glocke 7. Schläget, so muß die Gesellschaft retiriren, worauf der Kronprinz mit denen drei Herren etwas zu Abend eßen, da Er denn im Winter um 8 Uhr mit dem Kammerjunker, der die Nacht in seiner Kammer schläfet, sich dahin begeben soll. Sobald Er in der Kammer ist, so soll Er mit allen Leuten, so bei Ihm sind, auf die Knie fallen, und das Abend-Gebeth halten; Wenn solches geschehen, soll der eine Lakai ein Kapitel aus der Bibel lesen, und sodann sollen Sie laut ein Abendlied singen. Worauf der Kronprinz sogleich ausgezogen wird, so daß Er um 9. Uhr zu Bette ist; da denn der Kammerjunker auch ausziehet und zu Bette begibt.
Des Montags soll der Kronprinz im Sommer um 5 Uhr, und im Winter um 6 Uhr gewecket werden; sobald Er aufgestanden, soll Er sein Gebeth wiederum thun, und darauf der Lakai ein Kapitel aus der Bibel lesen, und nachher ein Morgen-Lied gesungen werden. Wenn solches vorbei, soll sich der Prinz geschwinde wieder anziehen, so daß Er um 7 Uhr fertig sei. Alsdenn muß der Kammerjunker, so den andern ablöset, da sein, und gehet der andere, so die Nacht bei dem Kronprinzen gewesen, nach seiner Kammer. Wenn es 7 Uhr ist, soll der Prinz nebst dem einen Kammerjunker nach die Krieges- und Domainen-Kammer gehen; daselbst soll Ihm unten an ein kleiner Tisch, ein Stuhl, ein Tintenfaß nebst Papier und Federn parat gesetzet und geleget werden. Und soll Sich der Kammerjunker, so die Aufwartung hat, mit daran setzen. Sie sollen aber anfangs nicht mit raisonniren (reden), sondern Auscultatores (Aushorcher) sein. Und weil der Kronprinz von diesen Affairen sein Tagen nichts gehöret und gesehen, so soll Ihn der Praesident v. Münchow und Director Hille von Grund aus darin informiren, wie alles stehet und aneinander hänget. Sie sollen Ihm dabei Acten zu lesen geben, von Oeconomie-, Manufacturen-, Polizei- und Accise-Sachen, und Ihm Anleitung geben, solche wohl zu begreifen, zu extrahiren und einen geschickten Auszug zu machen.
Se. Königl. Majst. laßen auchDero Kronprinzen versichern, daß Sie ein gnädiges Wohlgefallen daran haben werden, wenn Er Sich Selbst nach allem und jedem erkundigen und sich davon informiren, auch die Raison (Gründe) von jeder Sache erfragen werde, warum Se. Königl. Majst. dieses und jenes also eingerichtet und angeordnet haben. (…)
Wenn Er des Abends um 5 Uhr wieder von der Krieges- und Domainen-Kammer nach Hause kommet so soll Er von 5 bis 7 Uhr die Acten lesen, die Sachen unterschreiben, Extracte machen und die relationes, so Ihm gegeben worden und an das General p. Directorium gehen, abschreiben. Um 7 Uhr höret die Arbeit auf, und sollen Sie sodann mit einander croustilliren (Brot speisen). Wenn das geschehen, sollen Sie bei schlimmem Wetter auf der Kammer etwas herumgehen, sich eine motion (Bewegung) zu machen. Wo es aber schön Wetter ist, so können Sue auf dem Wall spazieren gehen, und Sich eine gute Bewegung machen. Des Abends in den Werckel-Tagen gehet man, nach verrichteter Abend-Andacht, um 9 Uhr zu bette.
Auf diese Art sollen alle diese Tage, als Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Sonnabend angewandt werden. Des Mittwochs aber gehet der kronprinz nicht eher als Glocke 9 auf die Krieges- und Domänen-Kammer; denn Er soll diesen Tag des Morgens von 7 bis 9 Uhr dem gewöhnlichen Gottesdienst in der Stadt-Kirche beiwohnen. (…)
FRIEDRICH AN DEN VATER
Küstrin, 28. Novbember 1730
Allerdurchlauchtigster König und Vather.
Ich erkene mit aller Submision (Ehrerbietung) die gnade, so Sie mihr erwisen, und mihr öfters erlaben an Ihnen zu schreiben und meinen unterthanigsten respect und treue zu versichern, und versichere hierbei alleruntertänigst das Sie aus meiner gantzen conduite (Verfassung) ersehen werden das ich aus Submision und gehorsam alles duhel werde Dehro befehl genüge zu thuen. Ich kann sonst nicht genungsam Gottes wege hier auch in fürung meines unglücks erkennen da Er mihr tzwar durch manchen sauer und rauhen trit geführet aber auch gewis sich einen guthen tzweck vohrbehelt und bin versichert das Er es so ausführen wird zu seiner Ehre und so das Sie dabei vollkommen und meiner Submision versichert werden könen, so das woh Sie uhrsach zu glauben gehabt ich werden Ihnen ungehorsam Sie sich getzo vollkommen des gegendeils versichren können, woh sie gegleubet ich werde Ihnen untreu Sie sich jetzo gewis meiner volkomenen treue zu versichern haben, woh Sie auch in übrigen stücke einige übele opiniohn von mihr gehabt, Sie in allen stüken sehen werden, das ich so viel möglich redresiren werde. Geruhen sie den jetzo diese tzeilen von dehn Ihnen nunmehro gehorsamen Sohn mit einen gnädigen anblik zu sehen, und Erlauben sie mihr, das ich mihr versichern darf das dehr Gott der die Hertzen der Könige regiret wie die Waserbechen Ihres O meinen Vather also regiren wird das noch so langen wohlverdinten entziung Ihrer gnade ich mich ins künftige so viel von Dehro gnade werde zu rühmen haben als wie ich bishero über Ihre Veterliche tzüchtigungen habe Klagen könen, ich ersterbe also in der versichrung und hoffe das nach dehm sie sich so lange alsd ein gerechter Richter betzeiget sie auch wieder das Vater Hertz gegen mich lenken werden, o´welche liebe, welche treue werde ich ihnen nicht dargegen verdopelen müsen wie gerne werde ich nicht mein leben welches so in Ihren henden stehet, mit aller freude vor ihnen lasen, und bin bis in den thot mit unterthänigste Submision
Alergnädigster König und Vather
Dehro unterthänigster
getreuester Diener und Sohn
FRIEDRICH
Gerhard Heinrich von Wolden – Geheimer Rath, Hofmarschall Friedrichs in Küstrin
Schlagwörter: Friedrich II., Friedrich Wilhelm I., Küstrin