28. Jahrgang | Nummer 20 | 17. November 2025

Vorauseilendes Wunschdenken

von Erhard Crome

Zur Erinnerung sei noch einmal festgestellt: Die politische und Medienkaste in Europa war auf den Wahlsieg von Donald Trump 2024 wieder nicht vorbereitet, wie schon 2016 nicht. Man hoffte auf den Sieg der Demokratin Kamala Harris und schloss die Augen vor einer Trump-Alternative. Die Linken in Europa beteten mit ihren herrschenden Klassen. Aber es half nichts. Trump wurde nicht nur Präsident, sondern er verfügt über Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses und kann sich – wenn es darauf ankommt – auch auf eine Mehrheit der Richter im Obersten Gericht der USA stützen. Die nationalistische Verwandlung der Politik der USA schreitet voran.

Am 4. November fanden nun „kleine“ Zwischenwahlen in den USA statt: Zur Wahl standen der Posten des Bürgermeisters von New York, zwei Gouverneure – in New Jersey und Virginia – sowie verschiedene Positionen von Richtern und Nachwahlen von Abgeordneten. Die Demokraten konnten Gewinne verbuchen. Als besonders spektakulär galt der Sieg von Zohran Mamdani in New York. Er ist der erste Muslim im Amt des Bürgermeisters und hatte sich als „demokratischer Sozialist“ präsentiert. Versprochen hatte er, 200.000 bezahlbare Wohnungen bauen lassen zu wollen, eine Mietpreisbremse für New York – das als teuerste Stadt der Welt gilt – sowie Gratis-Busverkehr, kostenlose Kinderbetreuung und städtisch betriebene Supermärkte, die günstige Lebensmittel für alle anbieten sollen. Finanzieren will er das durch höhere Steuern für Unternehmen und eine Reichensteuer. Ob ein Oberbürgermeister von New York die Kompetenzen dafür hat, ließ er im Vagen.

In den meisten öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland wurde das Wahlergebnis als gehörige Schlappe für Trump interpretiert. Auch im linksdrehenden Journalismus hieß es, Mamdanis Sieg in New York sei „mehr als nur ein lokalpolitisches Ereignis“, sondern ein „Fanal der Hoffnung“. Allerdings war schon lange vor der Wahl von kundigen Beobachtern betont worden, dass New York nicht die USA sind; das war schon zu Zeiten von Abraham Lincoln so. Zugleich wurde Mamdani als „Anti-Trump“ etikettiert, obwohl klar ist: Er wurde als Kind indischstämmiger Eltern 1991 in Uganda geboren und kann daher niemals US-Präsident werden.

Der New Yorker Journalist Sam Kahn nannte die Wahl Mamdanis ein „spektakuläres Eigentor“ der Demokraten. Die Wahlniederlage der Demokraten 2024 sei eine „der verheerendsten“ ihrer Geschichte gewesen. Die Niederlage hatte „zwei Hauptursachen“: Das Problem einer überalterten Parteiführung und „die fehlende Fähigkeit, die vernünftige Mitte zu besetzen“. Insofern ist Mamdani ein bedeutender Schritt der Partei, „das Gespenst der Überalterung hinter sich zu lassen“. Es sei ihr aber nicht gelungen, „sich als Partei der Mitte zu positionieren“. Zu den linken Fallen, die bereits Trump 2016 und 2024 benutzt hatte, gehörten die auch in New York verbreiteten Slogans, der Polizei die Finanzierung zu entziehen („Defund the Police“) und „Globalize the Intifada“. Für einen Tweet aus dem Jahre 2020, der New Yorker Polizei die Finanzierung zu entziehen, hatte sich Mamdani im jetzigen Wahlkampf ausdrücklich entschuldigt. Sich von „Globalize the Intifada“ zu distanzieren, gelang ihm im Grunde nicht.

Kenner der Szenerie betonen, New York sei „die jüdischste Stadt außerhalb von Israel“. Von den achteinhalb Millionen Menschen der Stadt sind rund eine Million Juden, sie prägen in vielem deren Kultur. Jüdische Wähler gelten dort als traditionell links. Von denen wählten 33 Prozent Mamdani, trotz seiner scharfen antiisraelischen Rhetorik. Das heißt aber umgekehrt: zwei Drittel der New Yorker Juden lehnen Mamdani ab.

Andrew Cuomo, der von 2011 bis 2021 Gouverneur des Staates New York war, wollte eigentlich 2025 als Kandidat der Demokraten für das Amt des New Yorker Bürgermeisters antreten, verlor jedoch gegen Mamdani die Vorwahlen der Demokratischen Partei, trat dann jedoch als Unabhängiger an und verlor gegen Mamdani. Im Wahlkampf hatte Cuomo erklärt: „Wenn die weit links stehenden Sozialisten gewinnen würden, wäre das langfristig sehr schädlich für die Zukunft der Demokratischen Partei. Dieses Land ist kein sozialistisches Land. Diese Stadt ist keine sozialistische Stadt. Der Staat ist kein sozialistischer Staat. Der Sozialismus hat noch nie irgendwo auf der Welt funktioniert.“ Das hat im Wahlkampf Cuomo nichts genutzt. Aber es wird von Donald Trump in den Wahlkämpfen 2026 und 2028 aggressiv genutzt werden: „Wenn ein Kommunist New York City übernimmt, dann ist das ein Geschenk für die Republikanische Partei“.

Wie groß der Rückhalt in der Demokratischen Partei für Mamdani sein wird, ist noch lange nicht ausgemacht. Dass er einen linken Kurswechsel der Demokraten verkörpert, ist eher unwahrscheinlich. Deren Parteiführung hatte die jungen linken Partei-Aktivisten eine wachsende Wählerschaft für den Wahlsieg 2020 gewinnen lassen. Aber der Kandidat war damals der eher mainstreamige, traditionelle Joe Biden. Es ist nicht zu erwarten, dass das im Hinblick auf die Präsidentenwahl 2028 anders sein wird.

Parallel bestand der „Shutdown“ der Staatstätigkeit in den USA, weil sich der Kongress und der Senat nicht über einen Haushalt einigen konnten, vom 1. Oktober bis 12. November 2025. Das war der längste in der Geschichte der USA. Millionen Staatsbedienstete erhielten kein Gehalt, arme Familien keine Lebensmittelgutscheine, am Ende flogen immer weniger Flugzeuge, weil die Fluglotsen ebenfalls betroffen waren. Trump hatte sich keinen Deut bewegt und den Demokraten kein Angebot gemacht. Am Ende stimmten sieben Demokraten und ein Parteiloser im Senat für die Vorlage der Senatsmehrheit der Republikaner – die haben zwar eine Mehrheit von 53 zu 47; für den Haushaltsbeschluss brauchte es jedoch mindestens 60 Senatoren. Nachdem der Übergangshaushalt in beiden Häusern beschlossen war, hat Präsident Trump ihn am 13. November in Kraft gesetzt. Damit war der längste Shutdown in der Geschichte der USA beendet.

In deutschen Medien war dies als „Kapitulation“ der Demokraten interpretiert worden. Es wurde von „politischer Katastrophe“, von „erbärmlich“ und „tragisch“ geschrieben. Der Anti-Trump-Furor der deutschen Eiferer ist weiter riesig. Und es wird ausgeblendet, für Millionen US-Bürger ist es besser, wenn der Staat wieder Geld ausgeben kann, als wenn sie weiterhin nichts ausgezahlt bekommen. Trotz vieler selbsternannter USA-Spezialisten gibt es auch weiterhin kaum jemanden, der versteht, was dort in der Tat vorgeht.