28. Jahrgang | Nummer 20 | 17. November 2025

Tagung: Deutscher Bauernkrieg und Humanismus

von Viola Schubert-Lehnhardt

Auf Anregung der humanistischen Akademie Deutschlands trafen sich Anfang November dieses Jahres im humanistischen Zentrum Stuttgart Interessierte zum Thema: „Der deutsche Bauernkrieg und der Humanismus“. Weitere Veranstalter waren die Humanisten Baden-Württembergs und Nordrhein-Westfalens sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Ziel des Thementags war es, über Ablauf und Hintergründe des Bauernkrieges zu informieren, neue Deutungsansätze kennenzulernen und zu diskutieren, was heute einen humanistischen Blick ausmachen könnte und sollte. Hierzu gehörte die Frage, ob Botschaften des zeitgenössischen Bildungshumanismus bei den Bauern „unten“ ankamen oder ob die Impulse doch eher vom linksreligiösen Strang der Reformation ausgingen.

Nach der Begrüßung durch Holger Brehm (Vorstand der Humanisten Baden-Württemberg) wurde in vielen Referaten gleich zu Beginn auf die Unkorrektheit der Bezeichnung „Deutscher Bauernkrieg“ verwiesen: Weder fanden bäuerliche Erhebungen nur in Deutschland statt, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas und Asiens, noch waren nur Bauern beteiligt. Und es wurde die „Gretchenfrage“ gestellt, ob Humanisten überhaupt ein Jubiläum würdigen sollten, das mit dem Begriff „Krieg“ beschrieben wird. Der „Aufstand des gemeinen Mannes“ wird hingegen in einer Reihe von Publikationen bevorzugt. In diesem Zusammenhang wurde auf die unterschiedliche Rezeption des Ereignisses in der DDR und der BRD verwiesen.

Weiterhin zeigte sich, dass sich die Rezeption vor dem aktuellen Jubiläumsjahr vor allem mit regionalgeschichtlichen Ereignissen beschäftigte. Folgerichtig begann auch diese Veranstaltung mit einem lokalem Ereignisort – Böblingen. Hier fand im Mai 1525 eine der drei großen, für die Bauern traumatisch vernichtenden Entscheidungsschlachten statt. Die Museumsleiterin Lea Wegner gab eine kundige, aspektreiche Einführung in den Ablauf des Aufstandes und die Besonderheiten der schwäbischen Konstellation, die mit der widersprüchlichen Rolle von Herzog Ulrich im Kontext der Reformation und der Reichspolitik zusammenhing.

Heiner Jestrabek („humanistisches Urgestein“, Autor zahlreicher Bücher zu Freidenkern und über den Bauernkrieg) ging in seinem Beitrag zunächst auf weitere Details des Bauernkrieges im Südwesten ein und interpretierte die Zwölf Memminger Artikel als Vorläufer der humanistischen Menschenrechte. Die Menschenrechte spielten auch im Vortrag der Autorin dieses Textes (Philosophin) zum Thema „Frauen im Bauernkrieg“ eine Rolle. Die Referentin arbeitete heraus, was diese Forderungen für Frauen bedeutet hätten, mehr Mitsprache sowohl in kirchlichen als auch in Angelegenheiten der Gemeinde, verbesserte soziale Stellung und vor allem bessere gesundheitliche Bedingungen, insbesondere bei der Geburt; Erleichterungen für die Arbeit der Hebammen. Nach wie vor ist der Blickwinkel auf die Situation der Frauen und ihre Beteiligung an den kriegerischen Handlungen unterbelichtet, obwohl es im Zusammenhang mit den Veranstaltungen im Jubiläumsjahr erfreulicherweise mehr Forschungen und Publikationen dazu gab.

Bis auf wenige Ausnahmen (unter anderem Margarete Renner, Hille Feigen, Ottilie Müntzer) sind die Frauen kaum namentlich bekannt. Häufig werden sie in Beschreibungen von ihren Beteiligungen an bestimmten Aktionen (vor allem bei der Plünderung von Klöstern und Vernichtung der dort vorhandenen Urkunden – dies war ein oft unterschätzter Aspekt der Angriffe auf Klöster) als „Mob“ oder „närrische Weiber“ verunglimpft. Sie waren jedoch in dieser Zeit häufig geschätzte Ratgeberinnen und Botinnen zwischen den einzelnen Haufen, vor allem aber mussten sie Haus und Hof versorgen, während die Männer „im Felde“ waren. Die ihnen in dieser Zeit zugestandenen Freiheiten wurden ihnen jedoch nach Ende des Bauernkrieges wieder genommen, die Frauen gehören damit zu den Verlierern dieser Schlachten.

Dr. Richard Faber (Kunst- und Kultursoziologe) lenkte den Blick auf einige Kunstwerke aus der Zeit des Bauernkriegs und auf ihre späte angemessene Würdigung zum Beispiel durch Carl Zuckmayer, den Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger sowie durch Ernst Bloch in seinem Buch „Geist der Utopie“. Als berühmte Beispiele interpretierte er den hoch expressiven Herrenberger Altar des später als Bauernführer brutal hingerichteten Jörg Ratgeb sowie den bestürzenden, gewaltkritischen Entwurf eines Bauernkriegsmahnmals von Albrecht Dürer, der vom Racheblutbad der Fürsten schockiert war. Erst in unserem Gedenkjahr 2025 ist dieser Entwurf in Mühlhausen, der thüringer Wirkungsstätte von Thomas Müntzer, endlich realisiert worden!

Die Beiträge von Dr. Friederike Habermann (Ökonomin, Historikerin) und Wolfgang Hees (Biobauer, Vorsitzender der AG bäuerliche Landwirtschaft Württemberg) kreisten dann um die brisanten sozioökonomischen Fragen und Anknüpfungspunkte der Bauernproteste für die Gegenwart und führten zu einer lebhaften Diskussion. Habermann stellte den Begriff der „Commons“ vor, der auf einer Aktualisierung der „Allmende“, des ökologisch verträglichen Gemeinbesitzes der Dorfgenossenschaft gründet. Leibeigenschaft und freie Marktgenossenschaften hätten am Ende des Mittelalters parallel existiert. Als aktuelles, ermutigendes Anwendungsbeispiel nannte sie die zapatistische Revolution in Mexiko.

Hees arbeitete im Vergleich mit der Bauernkriegssituation die Probleme der aktuellen Landwirtschaft heraus: Entgegen landläufiger Annahmen ständen die Bauern auch heute unter hohem ökonomischem und kulturellem Druck; das Höfesterben gehe ungebremst weiter; die Proteste 2024 gegen die Agrardieselsteuer hätten langfristige strukturelle Ursachen. Hierzu zählte er insbesondere eine orientierungslose Agrar- und Gesundheitspolitik und die Marktmacht des Lebensmittelhandels. Ohne Widerstand und Selbstermächtigung werde eine soziale, bäuerliche und ökologische Landwirtschaft nicht möglich sein.

In der Abschlussdiskussion versuchte Johannes Schwill (Präsident des HVD NRW) die humanistischen Aspekte zu bündeln. Weitgehend einig war man sich, dass es kaum direkte Verbindungen des zeitgenössischen Bildungshumanismus zum Denken und Agieren der Bauern gab. Eine große Rolle spielte die Idee der göttlichen Gerechtigkeit, die – vermittelt durch linksreligiöse Impulse – endlich auch auf Erden gelten sollte. Die Bauern konnten zwar meistens nicht lesen und schreiben, aber selber denken und hatten durchaus ein „natürliches“ Gerechtigkeitsgefühl. Man könnte das als „intuitiven Humanismus von unten“ werten.