28. Jahrgang | Nummer 18 | 20. Oktober 2025

Vorschlag zu einer allgemeinen Baad-Uniforme für Damen

von Dieter Naumann

Wer es sich im 18. und 19. Jahrhundert leisten konnte, unternahm eine Bäderreise in einen der zur damaligen Zeit bekannten Badeorte. Das waren Orte, in denen man neben den mehr oder minder heilenden Brunnen- und Mineralwässern vor allem die schöne Gegend und die reichlich angebotenen Freizeitvergnügen genoss. Wenn hier in unserem Verständnis gebadet wurde, dann einzeln und „natürlich“ geschlechtergetrennt nackt in einer Badewanne im Badehaus oder mittels eines Badekarrens oder Leinwandzeltes in der offenen See.

Derartige Bäderreisen gehörten vor allem bei Angehörigen des Adels und bei reichen Bürgern zum „guten Ton“, egal, ob krank oder gesund. Das „Damen Conversations Lexikon“ von Carl Herloßsohn (Leipzig 1834 bis 1838) nennt als typische Badbesucher jener Zeit neben dem reichen Müßiggänger, der Zerstreuung und Wechsel der Bekanntschaften suche, dem Spieler, dem Abenteurer und dem tatsächlich Leidenden „die Modedame, die es zu wenig vornehm hält, ganz gesund zu sein, und weil es Mode ist, in’s Bad zu reisen und Brunnen zu trinken“.

In der Juli-Ausgabe des dritten Jahrgangs (1788) des Journal des Luxus und der Moden stellte der Hofrat und Brunnenarzt im Staatsbad Brückenau (Bayern), Conrad Anton Zwierlein, einen Vorschlag zu einer „allgemeinen Baad-Uniforme für Damen“ zur Diskussion. In Brückenau gab es seit 1747 nicht nur den Badebetrieb, sondern nach Meinung Zwierleins offenbar auch ungeeignete Badebekleidung der weiblichen Badegäste. Die von ihm vorgeschlagene geeignetere Kleidung müsse vor allem leicht und bequem zu tragen sein, „um ohne alle Mühe darin gehen, tanzen, fahren und reiten zu können“. Gehen, tanzen, fahren und reiten in einem Badeanzug in unserem heutigen Verständnis? Natürlich nicht.

Zwierlein verwies einleitend darauf, dass tägliche anhaltende und leichte Bewegung im Freien bei einer Brunnenkur „die erste Bedingniß“ sei, ohne welche der Endzweck nicht erreicht würde. Die Damen vertändelten jedoch nicht nur die längste Zeit des Morgens an der Toilette. Durch das lange Ankleiden von „zu viel Putz und Kleiderpracht“ würde auch die kostbare Morgenzeit größtenteils verloren gehen. Auch den übrigen Tag hindurch würden die Damen meistens mit den Karten oder dem Strickzeug in der Hand auf ihren Stühlen wie angenagelt sitzen bleiben.

Im Juli des vierten Jahrganges (1789) hieß es noch deutlicher, diesen Fehler begehe hauptsächlich „das verzärtelte schöne Geschlecht“. Sofern sie Spaziergänge unternähmen, würden sie schnell ermüden, weil der „mit Kleidungen beschwerte und eingepreßte Körper, keine freyen Bewegungen mehr macht, bis zum Schweiße erhitzt und ermüdet“ würde. Dies sei das Hauptargument, um die Damen zur „Abschafung des Kleiderprachts“ in Bädern zu verleiten. Weniger wichtig, aber nicht zu vergessen seien die Beschwerlichkeit des vielen und großen Gepäcks auf einer weiten Reise und die oft beträchtlichen Kosten, die manche putzergebene Frau ihrem Manne bei bevorstehender Kurzeit durch Anschaffung neuer Kleider zu verursachen pflege.

Würden die Damen von ihrem „Lieblingshange, sich zu putzen, der schon von Mutter Eva an existirt“, abzuhalten sein? Zwierlein war skeptisch, hatte doch alles bisherigen Bitten, Raten und Predigen der Brunnenärzte schlechterdings nichts gefruchtet. Vielleicht könnte die Einführung einer Bade-Uniform durch die Damen selbst zu einer Verhaltensänderung führen? Zwierlein forderte deshalb die Damen „Teutschlands“ auf, Vorschläge zu einer solchen Bade-Kleidung an das Journal zu senden. Als Haupteigenschaften einer allgemeinen Bade-Uniform gab Zwierlein vor:

1. Sie müsse leicht und bequem zu tragen sein.

2. Sie dürfe nicht viel Zeit zum Anziehen erfordern.

3. Sie müsse den Körper zieren und dessen „Reitze“ erhöhen.

Das übrige sei dem schöpferischen Erfindungsgeist überlassen. Um der Kleidung mehr Mannigfaltigkeit zu geben, und „damit das Ding doch französisch klingt, welches den französisirten Damenohren so wohl behagt“, könnte die Uniform nach Verschiedenheit der Bäder nicht nur kleine Abänderungen haben, sondern Namen führen, wie „à la Spaa, à la Carlsbad, à la Bruckenau, à la Pyrmont“ et cetera.

In der April-Ausgabe des siebten Jahrgangs des Journals (1792) erschien als späte Reaktion der Beitrag „Allgemeine Bad-Uniforme für Damen, entworfen von einer Gesellschaft Damen im Brückenauer Baade, im Sommer 1791“. Zunächst habe man sich nicht einigen können, heißt es darin. Erst im Sommer 1791 habe sich im Brückenauer Bad eine deutsche National-Versammlung von Gräfinnen und andern Damen vom ersten Range bemüht, diese wichtige Sache in „Ueberlegung zu nehmen“. Vom wesentlichen Nutzen einer solchen Bad-Uniform überzeugt, habe man eine Zeichnung dazu entworfen, und „sich verbanden“, sie anzunehmen. Es folgt eine detaillierte Beschreibung, hier gekürzt und bezüglich einiger französischer Begriffe (ohne Gewähr) übersetzt:

Das Kleid sei eine Art Hemd-Gehrock über einem dünnen tunikaartigem Kleid von Seiden-„Zeuche“ (Gewebe) in den Farben oliven- oder teegrün; Rock und Kleid bestünden aus einem „Zeuch“ und einer Farbe, ganz einfach, und ohne alle „Garnirung“. Der Ausschnitt des Kleides ist hemdartig. Oben habe es einen stehenden und kleinen liegenden Kragen; lange knappe Ärmel, mit Aufschlägen nach Matrosenart und sechs kleinen Knöpfen mit „Zeuche“ überzogen. Der Leib des Kleides unter dem Ausschnitt bis zur Taille sei wie gewöhnlich glatt und werde geschnürt. Der Gürtel sei von mohnfarbenem Atlas mit einer mehr oder minder schönen Schnalle. Das Band um die Haare wie auch die Schuhe wären gleichfalls mohnfarben, die Handschuhe strohgelb. Die Haare flögen entweder in natürlichen Locken um den Hals, oder seien ganz leicht und kunstlos frisiert. Das Halstuch wäre ganz einfach von weißem Flor oder Linon und gehe vorn in den Ausschnitt des Kleides hinein. Die „Uniforme“ könne mit oder ohne Hut getragen werden. Ohne Hut mit einem bloßen mohnfarbenen Band um die Haare; wenn mit Hut, könne dessen Form und Putz dem Belieben einer jeden Dame überlassen bleiben. Am besten würden vielleicht ein Hut aus schwarzem Atlas mit etwa fingerbreitem mohnfarbenen Band besetzt und eine Bluse von schwarzem Taft dazu passen.

Die Damen beeilten sich daran zu erinnern, dass es mit der „Bad-Uniforme“ nicht so gemeint sei, als sollten die Damen sonst nichts anderes als diese Kleidung im Bad tragen. „Wer wollte es wagen der Damen-Toilette Gesetze zu geben; ihrem Geschmacke Fesseln anzulegen, oder einer Dame vorzuschreiben, wie viel oder wie wenig Kleider sie mitbringen solle?“ Vielmehr beträfe der Vorschlag nur jene Dame, die wegen der weiten Reise nicht viele Kleider mitnehmen könnte oder wegen Gemächlichkeit, Kränklichkeit oder Erfordernis der Kur „sich nicht in völligen Putz setzen mag“.

Erstaunlicherweise konnten sich die Damen also tatsächlich nach ein paar Jahren auf eine passende, also zweckmäßigere Kleidung für den Badbesuch einigen. Auch wenn der zugehörige kolorierte Kupferstich hier nicht gezeigt werden kann, kennzeichnet die Beschreibung die „Bade-Uniforme“ aus heutiger Sicht noch immer als unbequem und alles andere als praktisch. Zum Beispiel wurde der Leib der Dame nach wie vor (und noch bis etwa 1920!) mittels Korsett eng „geschnürt“. Vergleicht man die neue Bade-Bekleidung jedoch mit Beschreibungen der Bade-Mode um 1788, als Conrad Anton Zwierlein seinen Vorschlag veröffentlichte, fallen die positiven Unterschiede auf.

Im Oktober 1797 (zwölfter Jahrgang des Journals) äußerte sich ein Leser anonym dennoch skeptisch: Durch eine solche Uniform würde für die meisten weiblichen Badegäste der Hauptzweck ihrer Reise verloren gehen. Man könne wohl eher einen ewigen Frieden in der Politik erreichen, „als einen Friedensschluss der Moden über die Reduction der verschiedensten Badekleidung“ erwarten zu dürfen. Statt „allgemein“ zu fragen, könne man sich vielleicht besser über eine Badekleidung im jeweiligen Bad (zum Beispiel Carlsbad oder Pyrmont), bei der Morgenpromenade, bei den Bällen oder in der jeweiligen Saison einigen.

Ob sich die „Baad-Uniforme“ durchsetzte, war nicht festzustellen, im Journal gab es dazu keine weiteren Äußerungen.

Übrigens hatten die Damen der Brückenauer Gesellschaft auch Erwartungen an die männlichen Badegäste: Die Herren mögen doch so galant und gefällig sein, eine ähnliche Uniform im Bad zu tragen, „nemlich einen oliven- oder Thee-grünen Frack und Beinkleider, und ein schwarzes Gillet [Weste] mit Coquelicot [mohnfarbener] Bordüre oder Streifen“.