28. Jahrgang | Nummer 17 | 6. Oktober 2025

Durch Franken (I) – Bamberg

von Alfons Markuske

Das Land der Franken, in deren Beisein diese unter die Bayern zu subsummieren man sich tunlichst nicht erdreisten sollte, ist zweigeteilt – in Wein- und in Bierfranken. Allein im Raum Bamberg sollen die noch rund 70 Brauereien etwa 400 Sorten Bier ausliefern.

Vor uns liegen rund 350 Kilometer per Pedelec, meist fälschlich als E-Bike bezeichnet – von Bamberg nach Aschaffenburg. Auf dem Main-Radweg, immer am Fluss entlang und sehr leicht zu bewältigen, denn praktisch die gesamte Strecke ist eben wie ein Brett.

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Wer je in der malerischen Altstadt von Bamberg (UNESCO-Weltkulturerbe) weilte, dem wird das weithin berühmte Renaissance-Rathaus mitten in der Regnitz – gegründet teils auf einer kleinen Insel, teils auf tausend in den Flussgrund getriebenen Eichenpfählen – unvergesslich sein. Ein Wehr oberhalb der Insel sorgt dafür, dass einer der beiden Arme des Flüsschens, die das Alte Rathaus umspülen, auf einer kaum mehr als 50 Meter langen Strecke Wildwasser nahekommt. So es die Jahreszeit gestattet, tummeln sich dort stets Kanuten, deren kurze Einer recht unschnittig, fast plump wirken. Als wir ihnen zusehen, haben etliche sichtliches Vergnügen an Eskimorollen, zu denen sie durch mutwilliges Kentern ein ums andere Mal ansetzen.

An der Unteren Brücke neben dem Alten Rathaus treffen wir auf einen „alten Bekannten“ – den polnischen Bildhauer Igor Mitoraj, dessen teils gigantische Bronzen uns einige Wochen zuvor in Siracusa auf Sizilien fasziniert hatten (Blättchen 10/2025). Bamberg erwarb 2002 Mitorajs Plastik „Centurione I“ und präsentiert sie seither höchst prominent im Stadtbild

Der kurze Aufstieg vom Rathaus, in dem übrigens 1921 das Deutsche Rote Kreuz gegründet wurde, auf den Domberg ist rasch bewältigt. Rechterhand erwartet uns das Residenzschloss, linkerhand der Dom.

Jetzt, Anfang Juni, empfängt uns der barocke Rosengarten im Innenhof des Schlosses mit dem betörenden Duft, der diesen Blumen noch mancherorts eigen ist, wenn sie nicht in Supermärkten in schwarzen Plastikkübeln massenhaft und zu Ramschpreisen als Schnittblumen angeboten werden. Vom Haupt einer der allegorischen Sandsteinskulpturen zwischen den Beeten inspiziert ein Gartenrotschwanz sein Revier und lässt sich von den zahlreichen schlendernden Touristen nicht aus der Ruhe bringen.

Der vis-à-vis dem Schloss thronende Dom ist der einzige nördlich der Alpen mit einem Papstgrab. Aus dem 11. Jahrhundert. Als katholisches Oberhaupt nannte sich der hier endgelagerte Clemens II.; wegen seiner Herkunft aus dem Herzogtum Sachsen gilt er in den Annalen als erster deutscher Inhaber des Stuhles Petri, obwohl Fachleute die Anfänge eines deutschen Nationalbewusstseins überhaupt erst im 15. Jahrhundert verorten. Das Pontifikat dieses Clemens währte nur neun Monate (1046 bis 1047), und bis heute wird bezweifelt, dass er eines natürlichen Todes starb. Allerdings ergab eine forensische Untersuchung der sterblichen Überreste im Jahre1958 keine Anhaltspunkte für solche Zweifel.

Clemens II., der vor seinem Umzug nach Rom Bischof von Bamberg gewesen war, hatte verfügt, im Dom bestattet zu werden. Heute beeindruckt sein gut erhaltener marmorner Sarkophag im Westchor jedoch weit weniger als das Doppelgrab des Domstifters, Kaiser Heinrichs II., und seiner Gattin Kunigunde, deren Grabplatte von keinem Geringeren denn von Tilman Riemenschneider stammt. Ein Abguss von dessen Grab wiederum befindet sich an der Nordseite des Domes.

Und dann erheben wir natürlich den Blick zum Bamberger Reiter, jener lebensgroßen Sandsteinskulptur aus dem frühen 13. Jahrhundert – Darstellung eines waffenlosen augenscheinlich Adeligen in würdevoller Haltung –, über deren Herkunft und Bedeutung ebenso wenig gesicherte Erkenntnisse vorliegen wie darüber, wer gegebenenfalls abgebildet ist. Wie die heute in aller Welt bekannten Stifterfiguren des Naumburger Domes (Blättchen 14/2024) fristete auch der Reiter jahrhundertelang eher ein Dornröschendasein. Bis der aus Naumburg stammende Fotograf Walter Hege, der mit seinem 1924 erschienenen Bildband „Der Naumburger Dom und seine Bildwerke“ bereits den Stifterfiguren das Tor zur Welt geöffnet hatte, in den 1930er Jahren jene Ikonen gleichen Schwarz-Weiß-Fotografien vom Reiter schoss, die heute nicht nur jeder an der Kunst des Mittelalters Interessierte kennt …

Der weitere Aufstieg vom Domberg zum etwa 30 Fußminuten entfernten Kloster Michelsberg, einer ehemaligen Benediktinerabtei, endet etwas enttäuschend: Klosterladen und -café sind ebenso geschlossen wie die wegen ihres Himmelsgartens – ein Deckengemälde mit 578 Blumen und Heilkräutern – gerühmte Klosterkirche. Letztere wegen Sanierung noch bis 2026. Ein wenig Entschädigung bietet der von den Außenanlagen des Klosters mögliche weite Rundblick über die Stadt und ihre Umgebung.

Auf dem Rückweg in die Stadt liegt die vergleichsweise bescheidene Kirche Sankt Elisabeth, gewidmet der Heiligen, die als Landgräfin von Thüringen 1228 ein Spital in Marburg gegründet und dort in den drei letzten Jahren ihres kurzen Lebens Kranke und Bedürftige betreut haben soll. Das Besondere dieses Gotteshauses sind die beeindruckenden modern gestalteten farbigen Kirchenfenster von Markus Lüperz zu Stationen und Ereignissen der Elisabeth-Legende.

Die Bamberger Altstadt atmet Geschichte und Kultur, die den Heutigen durch Tafeln, Büsten und Skulpturen nahegebracht wird:
– Im „Haus zum Saal“ war 1632 Wallenstein abgestiegen, um eine Musterung der kaiserlich-bayerischen Armee abzuhalten.
– Auf dem ETA-Hoffmann-Platz neben dem gleichnamigen Theater steht bei Wind und Wetter der Dichter, Komponist und Zeichner in Bronze, den Kater Murr auf der Schulter.
– Fünf Fußminuten entfernt, am Schillerplatz 26, zeugt eine schmale Butze, das ETA-Hoffmann-Haus (das dringend einer Sanierung harrt) davon, dass es mit Hoffmanns Bamberger Karriere (1808 bis 1813) nicht zum Besten stand.
– Am „Haus zum goldenen Löwen“ schließlich informiert eine Tafel: „In diesem Haus wohnte bis 20.XII.1812 Juliane Marc. Schülerin von E.T.A. Hoffmann. Urbild seiner schönsten Frauengestalten“. Wobei diskret verschwiegen wird, dass der verheiratete Hoffmann zu dieser erst 14-jährigen Gesangsschülerin eine pathologische Liebe entwickelte, die unerwidert blieb und ihn zu Eskapaden trieb, mit denen er sich gesellschaftlich unmöglich machte …
– Im Harmoniegarten erinnert ein „Mahnmal für Widerstand und Zivilcourage“ mit Bronzebüsten von Willy Aron (Jungsozialist), Hans Wölfl (Rechtsanwalt) und Claus Graf Schenck von Stauffenberg (Wehrmachts-Oberst) an Kämpfer gegen das NS-Regime, die ihr Engagement mit dem Leben bezahlten. Der letztgenannte stammte zwar nicht aus Bamberg, doch dessen Gattin, Nina Freiin von Lerchenfeld (altbayerischer Uradel), hatte hier ihr Elternhaus.
– Auf dem Schönleinsplatz reitet auf hohem Sockel nicht nur ein bronzener Luitpold, Prinzregent von Bayern, vor sich hin, dort sind auch direkt neben dem Prinzregenten acht lebensgroße über und über rote, asiatisch anmutende Menschenfiguren des chinesischen Gegenwartskünstlers Wang Shugang platziert, kreisförmig angeordnet. Befremdlicherweise allerdings in hockender Position, wie man sie gemeinhin zum Verrichten der Notdurft im Freien einnimmt.

Am nächsten Morgen, nach einem ruhigen Frühstück, schwingen wir uns in die Sättel. Bis zum Tagesziel, Schweinfurt, sind es etwa 60 Kilometer.

Wird fortgesetzt.