Der Moderator Stefan Heinlein führte Ende August im Deutschlandfunk ein Mittagsgespräch mit Professor Karl-Rudolf Korte. Nachzuhören ist es unter der Überschrift „Politologe: Regierung muss unpopuläre Entscheidung treffen“.
Es ging um den kommenden „Herbst der Reformen“.
Die rund neun Minuten dauernde Gesprächszeit war so atemberaubend, dass mir erst nach Tagen die Gedankenschwere des Gehörten in seiner ganzen wissenschaftlichen Wucht bewusst wurde. Hatte nicht Karl Marx geschrieben, die Theorie werde zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift?
Dafür sorgte der Deutschlandfunk gewiss, jedenfalls in einer bestimmten Altersklasse.
Ich zweifele allerdings, ob die heranwachsende neue Generation die Mittagszeit auch so wie ich verbringt, ob ihr daher die Karrieremöglichkeiten voll bewusst sind, die eine kühne analytische Durchdringung und Weiterbeschäftigung mit den so eloquent formulierten politikwissenschaftlichen Einsichten und Ideen des als „Wahlexperten“ aus Funk und Fernsehen bekannten Professor Korte bedeuten könnten. Hier lauern Forschungsfragen über Forschungsfragen, über die „uneingebremst“ nachgedacht werden kann.
Da ich immer gerne der jungen Generation behilflich bin, habe ich deshalb einige der zu bearbeitenden Forschungsthemen im folgenden Text knapp dargestellt, immer unter Verwendung der tiefschürfenden Einsichten des verehrten Professors. Meine Handreichung ersetzt selbstverständlich in keiner Weise das gesamte Gespräch.
Zu Erwartungen im Streit um Sozialreformen und der Rolle von Wochenenden sinnierte er:
„Ich erwarte nichts, was wir nicht schon kennen, oder was wir erahnen. Und das kann ein Vorteil sein, denn, wie kann man etwas zur Verständigung bringen, was im Moment kontrovers erscheint und dazu sind Wochenenden ja auch da … also wenig überraschend …“
Wie müssen die folgenden Aussagen des Professors zu einem Bündnis der politischen Mitte gedeutet werden? Wann ist es ein Defensiv-Bündnis, aus dem ausgebrochen werden muss. Warum ist ein Konsens der Mitte dennoch unerlässlich?
„Die Interessenunterschiede werden ja in der demokratischen Mitte gesucht und da muss man sich auch austauschen.“ In Verbindung mit: „Es liegt eben die Möglichkeit darin, im Moment aus diesem Defensivbündnis der politischen Mitte auszubrechen, offensiv zu erreichen …“ Zudem in Verbindung mit: „einen Konsens der politischen Mitte erarbeiten“.
Nach Professor Korte führt eine gelungene Reformdiskussion zu demokratischen Helden, zu denen wir praktisch aufschauen. Diskutieren Sie in dem Zusammenhang das Verhältnis zwischen dem allgemeinen „wir“ und solchen Helden. Wie sollten sie agieren? Müssen sie wütend sein?
„Aber der Zeitraum jetzt, dass man demokratische Helden am Ende findet, so wie das bei der Agenda 2010 war, der ist, dieser Korridor ist da. Also, etwas machen, was, bei dem man sich sichtbar in Gefahr begibt. Also diese Wut vor dem Wähler aushalten zu wollen …“
Professor Korte eröffnete ein interessantes Spannungsfeld zwischen Politikerfolg und Wählerabstrafung der SPD in Bezug auf die Agenda 2010. Was ist das Produktive am Widerspruch und wie kann darauf aufbauend chancenorientierte Kommunikation gelingen?
„Na erst mal wurde der Kanzler (Gerhard Schröder, P.A.Z.) als solches schon belohnt. Er hat es auf der Strecke am Ende nicht ganz geschafft, aber fast geschafft, auch wiedergewählt zu werden.“ In Verbindung mit: „Aber wenn man sich die Geschichte des Scheiterns der Sozialdemokratie an dieser großen Frage ansieht, kann man doch auch erkennen, wo die Sozialdemokratie durchaus neue Wählerklientel auftuen kann …“
Unser Professor unterstrich, dass es bei unpopulären Reformagenden von Vorteil ist, ein Führungspersonal zu haben, das erst in hohem Alter das politische Lebensziel erreicht, Kanzler wird und nicht die Wiederwahl anstrebt. Diskutieren Sie Lösungsansätze für erfolgreiche, aber unpopuläre Reformen, wie etwa, ob das Mindestalter bei der Wahlbeteiligung, für die Bekleidung politischer Führungspositionen drastisch angehoben werden oder beispielsweise erst die Erreichung des Rentenniveaus zum Kanzlerkandidaten qualifiziert sollte. Werten Sie in diesem Zusammenhang auch Erfahrungen der Sowjetunion bzw. der USA aus.
„Wir können beim Kanzler im Moment erkennen, das er ja … eigentlich nicht mehr auf Resonanz setzt … Er wirkt souverän, frei, weil er sein Lebensziel erreicht hat, sein politisches und das ist ne Kraftanstrengung, die am Ende dazu durchaus führen kann, auch unpopuläre Maßnahmen mehrheitsfähig zu machen …“
In großer Klarheit bezeichnete Professor Korte die vorliegenden Reformansätze als Ladenhüter und verwies auf neue Ideen, die die Wissenschaft erarbeitet habe, ohne diese zu benennen. Setzen Sie sich mit der Grundargumentation auseinander und bewerten Sie neue wissenschaftliche Ideen. Erläutern Sie unter dem Aspekt der Formierung demokratischer Helden in Parteien, warum es nicht klug ist, Reformideen als Wissenschaftler öffentlich zu machen. Anmerkung: In Abhängigkeit von den konkreten Forschungsergebnissen müssen diese womöglich geheim bleiben.
„Bisher ist ja das, was wir an Vorschlägen kennen …, das sind ja Ladenhüter. Daraus lässt sich ja weder ein Konsens der Mitte erarbeiten also ein lösungsorientierter Konsens, noch wirklich etwas bewirken … Also wir brauchen jetzt mal andere Ideen …“
Nun erklärte Herr Korte, warum die aktuelle Reformdebatte in Deutschland geradezu begeistern kann. Nutzen Sie die Werkzeuge der Dialektik, um dieses kluge Erwartungsmanagement im Gesamtgespräch zu analysieren. Erforschen Sie inhaltlich und ergebnisoffen das Verhältnis von Führenden und Folgenden, Wählermärkten und einer chancenorientierten Präsentation. Professor Korte stellte überzeugend dar, dass es nicht für alle besser werden kann, aber alle gewinnen. Diskutieren Sie in dem Zusammenhang auch die Rolle der Logik.
„Weil die win-win Situation für alle könnte einen geradezu begeistern, wenn sie das hinbekommen, das dann praktisch die Führenden auch Folgende haben werden, nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch auf den Wählermärkten. Weil das ist relativ eindeutig, wenn man merkt, hier wird gemeinsam etwas erarbeitet, und es wird uns auch so chancenorientiert präsentiert, dass wir wissen: Es kann unter den Bedingungen der Knappheit nicht für alle besser werden, aber es wird begründet, warum. Dann gibt es auch die Logik, dem zu folgen.“
Wow! Chapeau, Herr Professor!
Hinweis an junge Forscher: Bitte auf keinen Fall die „Bedingungen der Knappheit“ untersuchen. Unser Land muss „kriegstüchtig“ werden. Das kostet. Geld kann schließlich nicht zweimal ausgegeben werden. Denken Sie an die chancenorientierte Perspektive für die, denen die Bundeswehr dann einen Rettungsanker bietet. Seien Sie bitte solidarisch. So können auch Sie zu einem demokratischen Helden werden.
Schlagwörter: Deutschlandfunk, Karl-Rudolf Korte, Pearl Ann Ziegfeld, Politikwissenschaft


