28. Jahrgang | Nummer 12 | 7. Juli 2025

Der Coach kam mit der Kutsche

von Frank-Rainer Schurich

Das Wort Coach hat in unserer Zeit vielfältige Wirkungen. Manche schrecken zusammen, wenn sie es außerhalb des Sports hören, andere setzen sich achtungsvoll ganz gerade hin und nicken, noch andere heben die Schultern oder machen eine wegwerfende Handbewegung. Viele Menschen verwenden die Berufsbezeichnung Coach flott, obwohl sie nur eine entfernte Ahnung davon haben, was er genau genommen zu machen hat.

Sei’s drum. Hier interessiert in erster Linie die Frage, wie dieses sehr fremde und sperrige Wort Eingang in unsere alltägliche Sprache fand.

Es wird, aus dem Englischen kommend, allgemein als Sportlehrer, Trainer oder Betreuer eines Sportlers oder einer Sportmannschaft definiert. Das davon abgeleitete Verb heißt coachen, der Gecoachte Cochee (was sich aber zum Glück nicht durchgesetzt hat). Das Coaching oder Coachen hingegen bezeichnet irgendwie den gesamten Betreuungsprozess. Der Begriff Coaching im Sinne einer problem- und konfliktorientierten Beratung und zielgerichteten Kommunikation ist also, ein erstes Fazit, der Sportsprache entlehnt.

Im Englischen hat der Begriff Coach allerdings viel weiter reichende Bedeutungen. Es kann Kutsche (stage coach = Postkutsche), (Eisenbahn)Wagen, Reise(omnibus), Einpauker, Repetitor, Tutor oder – eben im Sport – Trainer heißen.

Aber wer nun denkt, im Englischen steht – rein sprachlich gesehen – die Wiege aller Coaches, der irrt gewaltig. Denn das oft benutzte englische Wort ist ungarischer Herkunft!

In Kocs in der Nähe der Stadt Györ (deutsch: Raab) erfand man im 15. Jahrhundert eine besonders leichte und schnelle offene Kutsche, die 1518 zum ersten Mal beschrieben wurde und die wegen ihrer hervorragenden Bauart den Siegeszug durch die ganz Welt antrat. Ein kocsi oder kotsi (kurz für kocsiszekèr) war demzufolge eine Kutsche aus Kocs. Dieser Eigenname wurde in viele Sprachen der Welt in abgewandelter Form übernommen, nicht nur in das Englische, sondern auch in das Französische (le coche = Kutsche, le cocher = Kutscher), Spanische (el coche = Kutsche, Wagen, Auto), Polnische (kocz), Bulgarische (kočijaš), Tschechische (kočí, kočár) usw. und im 16. Jahrhundert ins Deutsche (die Kutsche).

Der heutige Siegeszug des Wortes Coach ist natürlich auf seine herausragende Bedeutung im englischen Sprachraum zurückzuführen, in dem es die Hitliste der ungarischen Wörter noch vor goulash und paprika anführt.

In England wird übrigens der Überlandbus heute noch als coach bezeichnet. Und ein Pferd auf ein Gespann vorbereiten heißt dort wie zu alten Zeiten „to coach a horse“.

Für uns ist interessant, dass das Wort coach für Kutsche nicht direkt den Weg in die Sportsprache gefunden hat, sondern über die englischen und amerikanischen Universitäten. Im 19. Jahrhundert unterstützten Studenten höherer Studienjahre die jüngeren Kommilitonen ganz praktisch, insbesondere bei der Vorbereitung auf Leistungskontrollen. Es waren quasi Tutoren, die ihre Schützlinge wie in einer sicheren Kutsche durch alle Klausuren und Prüfungen bis zum Abschluss begleiteten. Allmählich fand für diese Art Tätigkeit in der Studentensprache das Wort coaching allgemeine Verbreitung.

Der Sport okkupierte dann diesen Terminus über Jahre voll und ganz, muss ihn aber heute mit anderen Trainern und Coaches teilen. Zu Recht, denn das Bild der Kutsche, in der man freiwillig gegen Bezahlung einsteigt und darauf vertraut, dass der Coach einen zum vereinbarten Ziel begleiten wird, ist zutreffend. Und aus jeder Kutsche kann man unterwegs nach einem Zwischenstopp aussteigen …

Eine verbreitete Fehlmeinung, selbst von sogenannten Experten, ist, dass Coach von Couch kommt. Nicht ganz richtig, denn dieses Wort besitzt eine etwas andere Etymologie. Eines ist jedoch sicher: Coaching im heutigen Sinne hat rein gar nichts mit der Ledercouch des Psychiaters und/oder Psychotherapeuten zu tun. Und das Lateinische coāctō, was unter anderem „mit Gewalt zwingen“ heißt, ist, wie andere wiederum meinen, auch nicht die Quelle des Wortes Coach, obwohl es in der Bedeutung „miteinander agieren“ durchaus geeignet wäre.

Aber vielleicht ist der Name der Ortschaft Kocs dem Lateinischen coāctō entlehnt? Wahrscheinlich stammt er jedoch vom Widder (kos) ab, zumal auf einem älteren Siegel ein solcher abgebildet ist. Auf dem heutigen Gebiet der Gemeinde wurden indes Spuren einer römischen Siedlung entdeckt. So schließt sich möglicherweise der Kreis von den alten Römern über die mittelalten Ungarn zu den jungen (im Sinne von heutigen) weltweit operierenden Coaches.

Ist Coaching nun ein Wundermittel in allen gesellschaftlichen Bereichen? Dazu muss man wissen, dass die Berufsbezeichnung Coach ungeschützt ist. Jeder kann sich Coach nennen, ganz unabhängig von seiner vorhandenen Ausbildung oder Qualifikation, jeder kann seine „Kunden“ in seine Kutsche einladen und versprechen, sie gegen Bezahlung an ein klar formuliertes Ziel zu bringen.

Vereinzelt versagen die selbst ernannten Coaches aufgrund einer nicht vorhandenen fundierten Ausbildung. Durch die angeblich professionellen und effektiven Coaching-Dienstleistungen wird, trotz teilweise hoher Rechnungen, das versprochene und angepeilte Ziel eben nicht erreicht. Das ist ja noch zu verkraften, aber es gibt ganz selten auch kriminelle Coaches, wie das folgende Beispiel zeigt.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtete im Februar 2024, musste sich ein selbst ernannter Life Coach oder Lebensberater wegen Geiselnahme, besonders schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen vor dem Landgericht Mosbach verantworten. Der 38 Jahre alte Mann hatte in den Jahren 2019 bis 2022 mehrere Frauen in sein Haus in Walldürn im Dreiländereck Baden-Württemberg, Hessen und Bayern zu einem „Boot Camp“ für Persönlichkeitsentwicklung eingeladen. Er hatte dann den Widerstand der Opfer durch Erniedrigungen und schwere Gewalt gebrochen und sie immer wieder sexuell missbraucht. Mit angeklagt wegen Beihilfe war sein 24 Jahre alter Bruder. Seit 2020 waren auch harte Drogen im Spiel.

Der Haupttäter wurde Anfang September 2024 vom Landgericht Mosbach zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt – wegen Geiselnahme und sexuellen Missbrauchs. Sein mit angeklagter Bruder muss drei Jahre in das Gefängnis. Inzwischen haben die beiden Angeklagten als auch eine Nebenklägerin Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Sicher dürfte nur sein, dass diese beiden Coaches nicht mehr einfach in ihre Kutsche im Gefängnis in Richtung Freiheit einsteigen können.