Der Maler und Grafiker Walter Womacka (1925-2010) hat beeindruckende Werke geschaffen: „lebensfrohe Bilder besonders der neuen sozialistischen Beziehungen zwischen den Menschen“ (DDR-Lexikon), und dazu noch jede Menge baugebundene Kunst, wie beispielsweise den sehr bekannten Bilderfries (die „Bauchbinde“) am Haus des Lehrers oder den Brunnen der Völkerfreundschaft am Alexanderplatz in Berlin.
Walter Womacka formte als Lehrer und Rektor der Kunsthochschule Berlin-Weißensee viele Studenten, so Georg Baselitz. Während Baselitz jetzt ein weltberühmter Künstler ist, scheint sein Lehrer fast vergessen. Die drei großformatigen Wandbilder Womackas für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR sind beim Abriss des Gebäudes 1995 und 1996 von Ahnungslosen vernichtet worden.
Aber so ist es vielen DDR-Kunstwerken ergangen. Auf der Berliner Fischerinsel steht heute neben der Schwimmhalle an der Gertraudenstraße ein ziemlich langweiliger Neubaukomplex. An seiner Stelle stand das weltbekannte Bauwerk der DDR-Moderne, das „Ahornblatt“ des am 21. August 2007 auf Rügen verstorbenen Architekten Ulrich Müther, des Meisters des Schalenbetons. Seit 1963 hatte er ungefähr 50 Hyparschalendachbauten errichtet, darunter in Warnemünde den „Teepott“ und eben das „Ahornblatt“, das am 15. Juli 1973, also zu den Weltfestspielen in der Hauptstadt der DDR, als Mehrzweck- und Großgaststätte eröffnet wurde. Der Gesamtentwurf stammte von den Architekten Gerhard Lehmann und Rüdiger Plaethe.
Müthers Konstruktionen waren einst ein Export-Schlager: Die futuristisch anmutenden Bauten stehen heute noch, so will man hoffen, in Kuwait, Libyen, Finnland und anderswo. Die schwungvolle DDR-Architektur auf der Fischerinsel hatte, obwohl unter Denkmalschutz stehend, nach der „Wende“ keine Chance.
Bagger und Abrissbirnen rückten an, und das „Ahornblatt“ wurde ihnen zum Fraß vorgeworfen. Im Jahr 2000 war endlich Freiheit geschaffen für profitbringende Bauwerke. Der Mensch, das Maß aller Dinge? Das hatte sich nun endgültig erledigt.
Es gab angeblich kein Nutzungskonzept, da musste die Denkmalsbehörde eben zustimmen. Ein Beispiel für kriminelle Abrissmentalität! Der hohe „Verwertungsdruck“ des Investors sei schuld, argumentierte damals der zuständige Baustadtrat Thomas Flierl (PDS). Der Investor hatte immerhin zirka 30 Millionen Mark für das Grundstück bezahlt. Heißt aber auch, dass die Linken letztlich diesem unglaublichen Vandalismus und Gesetzesbruch zugestimmt haben – finanzielle Verwertungsinteressen können halt den Denkmalschutz aushebeln.
Der Architekt Ulrich Müther wurde natürlich zum Abriss befragt: „So was wie das Ahornblatt kommt nicht wieder, aber was jetzt dort gebaut werden soll, gibt’s schon tausend Mal.“
Vernichtet wurde ebenfalls eine wunderschöne quadratische Gedenkstele von Hans-Peter Goettsche, die sich neben dem „Ahornblatt“ (Gertraudenstraße/Fischerinsel) befand. Sie war mit vier Bronzeplatten der Geschichte der Fischerinsel gewidmet. Eine Seite erinnerte an den Rebellen Hans Kohlhase: „Im 17. Jahrh. lebte auf der Fischerinsel H. Kohlhase / Er kämpfte gegen junkerliche Willkür.“ Man hatte sich glatt im Jahrhundert geirrt: Hans Kohlhase wurde 1540 hingerichtet. Zu entdecken waren außerdem das Gasthaus „Zum Nußbaum“ und eine Kopie des Hauszeichens von der Fischerstraße 29 mit der Jahreszahl 1604. Die zahlreichen Brände auf der Fischerinsel wurden auf einem vierten Bronzerelief thematisiert.
Beim Abriss des „Ahornblattes“ wurde die Gedenkstele beschädigt und entfernt. Zunächst hieß es, sie werde in Nauen zwischengelagert. Das Denkmalsamt erklärte, dass die Stele kein zu schützendes Denkmal sei, weshalb keine weiteren Kenntnisse darüber vorlägen, wo sich das Denkmal „aufhalte“. Damnatio memoriae heißt dieser Vorgang nicht nur in der Kunstgeschichte – Verdammung und demonstrative Tilgung des Andenkens durch die Nachwelt.
Dem Wandbild von Walter Womacka „Der Mensch, das Maß aller Dinge“ am Gebäude des Ministeriums für Bauwesen der DDR, Scharrenstraße 2-3, gegenüber dem „Ahornblatt“, drohte ebenfalls der Exitus, weil es der Bund als Eigentümer zugleich mit dem Gebäude abreißen wollte. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte GmbH (WBM), deren langjähriger Mieter Womacka in der Wallstraße war, sprang in die Bresche, sicherte das Kunstwerk, um es zu restaurieren und anderweitig wieder anzubringen. Während Womacka von offizieller Seite als „Staatskünstler“ diffamiert wird, als ob es heute keine Staatskünstler gäbe, nahm sich die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft den Sorgen des betagten Künstlers um sein Kunstwerk an. Heute ist das Wandbild wieder zu sehen, und zwar am Kupfergraben gegenüber der Jungfernbrücke und dem Auswärtigen Amt.
Zu seinem hundertsten Geburtstag am 22. Dezember 2025 überreichen wir ihm postum kollektiv ein Ahornblatt von Ulrich Müther.
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