28. Jahrgang | Nummer 7 | 7. April 2025

Aus den Büchern

von Frank-Rainer Schurich

Wenn in einem Assoziationsexperiment Menschen gefragt würden, was ihnen als erstes beim Wort Ex libris einfällt, so fielen die Antworten sicherlich sehr unterschiedlich aus.

Menschen mit einer DDR-Sozialisation antworteten vielleicht, dass das eine heute schon berühmte Buchreihe des Verlages Volk und Welt in Berlin gewesen sei, in der besonders wichtige Autoren des 20. Jahrhundert zu Worte kamen. Die Bücher hatten eine einheitliche Reihengestaltung von Schutzumschlag und Leineneinband – und waren für jedermann erschwinglich. Zwei Kriminalromane von Dashiell Hammett (516 Seiten) kosteten in dieser Reihe beispielsweise 16,60 Mark der DDR.

Menschen mit kulturhistorischen Ambitionen oder gar Fachkenntnissen würden dagegen in dem Assoziationsexperiment auf Johannes Gutenberg verweisen, denn das Ex libris kam mit ihm in die Welt, als es im 15. Jahrhundert durch die Erfindung des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern und einer Druckerpresse endlich eine Buchproduktion in immer größeren Auflagen möglich wurde. Anstelle der im Mittelalter gebräuchlichen handschriftlichen Eintragungen, die das wertvolle Eigentum an Büchern ihren Besitzern sichern sollten, traten Holzschnitte, Metallstiche oder mit Typen gedruckte Blättchen, die meist auf die Innenseiten der Bücher- oder Handschriftendeckel eingeklebt wurden. Das Ex libris, lateinisch „aus den Büchern“, war geboren.

Manchmal fanden sich bei privaten Exemplaren nur die Anfangsbuchstaben des Eigentümernamens auf dem Ex libris, zuweilen war der Familienname verschlüsselt oder versteckt. Da musste man halt suchen. Zudem gab es Sinnsprüche, die einen Schluss auf die Persönlichkeit des Bucheigners zuließen, und einen mehr oder weniger reichen bildnerischen Schmuck wie Wappen und Symbole.

Oft übernahmen angesehene Künstler Herstellung der Ex libris-Platten oder -Stempel, darunter Albrecht Dürer und Lucas Cranach der Jüngere, in späteren Jahrhunderten dann Daniel Chodowiecki und Ludwig Richter. Daher haben viele Ex libris einen hohen Kunstwert. Ungleich wichtiger sind sie jedoch für die Geschichte einzelner Bücher und ganzer Bibliotheken. Auch heute noch gibt es viele Menschen, die Ex libris in ihre Bücher kleben.

Ich würde in dem genannten Assoziationsexperiment Elisabeth Hauptmann nennen. Warum? Ex libris der anderen Art sind handschriftliche Namenseintragungen oder -stempel, um den Buchbesitz zu beweisen. Wer antiquarische Bücher erwirbt oder Bücher geschenkt bekommt, weiß, dass oft solche Spuren zu den Vorbesitzern führen. Mein prächtiger Band „Boswells große Reise. Deutschland und die Schweiz 1764“ (1955 in deutscher Sprache in Zürich erschienen) gehörte zum Beispiel einst Margot Loß. Und in dem schmalen Bändchen „Mord im Dom“ von T. S. Eliot (1946), in Waren an der Müritz gekauft, findet sich der Name Max Schmidt, der auch historische Zeitungsausschnitte über die Verleihung des Literaturnobelpreises an Eliot im Jahr 1948 hineinlegte.

Den spannendsten Fund machte ich allerdings vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt in Berlin-Kreuzberg. Für drei Mark kaufte ich aus einer Laune heraus drei englischsprachige Krimis.

Erstens wollte ich vom US-amerikanischen Schriftsteller und Kunstkritiker S. S. van Dine „The Greene Murder Case“ (deutscher Titel: „Mordakte Greene“) lesen, das als Taschenbuch in der dritten Auflage im März 1945 in den USA gedruckt worden war und in dem der berühmte Detektiv Philo Vance ermittelt. Das zweite Pocket Book hatte die britische Schriftstellerin Elizabeth Ferrars verfasst: „Murder Moves In“ (deutscher Titel: „Die Rechnung ohne den Hausfreund“). Von Collins 14 St. James’s Place London für den Crime Club publiziert, ist es wohl auch zum Ende des Krieges erschienen. Erst viel später konnte ich ermitteln, dass sich Agatha Christie als Präsidentin des Detection Club 1957 höchstpersönlich dafür eingesetzt hatte, dass Elizabeth Ferrars als Mitglied aufgenommen wurde. Und drittens nahm ich „The Case of the late Pig“ (deutscher Titel: „Der Fall Pig“) mit nach Hause, das die englische Krimi-Autorin Margery Louise Allingham 1942 geschrieben hatte.

Das Besondere an dieser Erwerbung ist eine Namenshandschrift auf der Titelseite des Taschenbuches von S. S. van Dine: Elisabeth Hauptmann! Die Krimis hatten Elisabeth Hauptmann gehört, der Schriftstellerin, Übersetzerin und Mitarbeiterin Bertolt Brechts. Aus den Biografien der beiden wissen wir, dass sie in den Jahren der Emigration in den USA große Fans englischer und amerikanischer Kriminalliteratur waren. Da Brecht im Gegensatz zur Elisabeth Hauptmann erhebliche Probleme mit der englischen Sprache hatte, dürfte er in diesen Büchern vielleicht nur geblättert haben. Immerhin …