28. Jahrgang | Nummer 4 | 24. Februar 2025

Nationalkonservative Allianz

Jan Opal, Gniezno

Ist die Europäische Union politisch jemals so getroffen worden? Im Sinne eines Schlages, der unverhofft kommt.

Dass US-Präsident Donald Trump die mediale Bühne sucht, um vor Gott und der Welt herausfordernd zu poltern und den berühmt-berüchtigten Deals für Amerikas glorreiche Zukunft nachzujagen, ist bekannt. Doch die Auftritte der Trump-Vertrauten auf der Münchner Sicherheitskonferenz glichen dem hinterrücks verübten Stich ins Herz. Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs brachte es wohl auf den Punkt: „Das müssen wir erstmal verdauen.“

Allerdings ist die Schar derjenigen, die sich in EU-Europa nun schadenfroh die Hände reiben, nicht einmal so klein. Die Trump-Administration hält nicht viel von dieser EU, sie verkörpert ja in gewisser Weise jenes „bürokratische Monster“, das in den Staaten gerade abgerissen werden soll. Dass das tüchtiger Unsinn ist, soll hier nicht erörtert werden, doch bemerkenswert ist schon, dass alle, die an der Gemeinschaft Prinzipielles auszusetzen haben, mit der Bürokratiekritik beginnen. Hier ist das Einfallstor, dass dann – wenn es offensteht – auch noch ganz anders genutzt wird. Zu allererst von jenen, die die politische Integration auf dem alten Kontinent am liebsten ganz zurücknehmen wollen, die von einer nur lockeren Gemeinschaft souveräner Vaterländer träumen.

An der Spitze und stolzen Hauptes marschiert in dieser Hinsicht Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Er stellt die EU zwar nicht zur Disposition, aber er pocht seit Jahren auf die unantastbare Souveränität des Vaterlandes, die wiederhergestellt werden müsse, indem das sich viel zu viel Einfluss und Macht eingeheimst habende Brüssel radikal zurückgebaut werde. Dass sein Weg der einer sogenannten illiberalen Demokratie ist, gibt das politische Banner vor – es weht stramm nach rechts.

Wie stark diese Idee mittlerweile Fuß gefasst hat, zeigt ein Blick ins EU-Parlament. Dort haben die drei Fraktionen ganz rechts zusammengerechnet 192 Parlamentssitze, vier mehr als die konservativ-liberale Europäische Volkspartei, die stärkste Fraktion im 720-köpfigen Parlament. Ein Glück für die anderen, dass der ganze rechte Haufen zerklüftet und wohl auch heillos zerstritten ist. Nun aber sieht Orbán neue Chancen, nachdem er einen „Trump-Tornado“ ausgemacht hat, der durch EU-Europa stürme. Er selbst hat die Fraktion der Patrioten für Europa zusammengezimmert, neben Fidesz geben dort vor allem die Vertreter vom Rassenblement National den Ton an, flankiert von der FPÖ und der ANO von Andrej Babiš, der hofft, im Herbst nach den Parlamentswahlen in Tschechien das Regierungsruder wieder in seinen Händen halten zu dürfen. Eine zusammenhaltende Klammer in dieser Fraktion ist die scharfe Kritik an der – ihrer Überzeugung nach – einseitigen russlandfeindlichen Haltung der EU in der Ukraine-Frage.

In der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer geben Giorgia Melonis Fratelli d‘Italia und die polnischen Nationalkonservativen den Ton an. Ein großer Unterschied zur Patrioten-Fraktion besteht in der Haltung zur Ukraine-Frage und zu Putins Russland. Einst zogen die Kaczyński-Mannen mit dem Schlachtruf ins innenpolitische Getümmel, auch Warschau werde Budapest sein. Gemeint war der enge politische Schulterschluss zu Orbán-Ungarn, ein künftiges Europa der Vaterländer sollte sich auf die Achse zwischen Budapest und Warschau verlassen können. Zum spektakulären Bruch zwischen den beiden wichtigsten nationalkonservativen Gruppierungen im Ostteil der EU kam es nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022, weil die Kaczyński-Polen ziemlich entschieden Partei für das angegriffene Land nahmen, die Orbán-Ungarn sich im Laufe des Krieges aber immer offener für die Belange des Kremls einsetzten.

Und doch, trotz aller Gegensätzlichkeit rechnen nun beide Seiten mit dem Trump-Tornado! Die ungarischen wie polnischen Nationalkonservativen ließen gleichermaßen die Sektkorken knallen, nachdem der Wahlsieg Trumps feststand. Beide Gruppierungen halten sich für treue wie verlässliche Verbündete des US-Präsidenten. Orbán sieht nun Chancen, im Zusammenhang mit dem „Deal“, den Trump mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin zur Ukraine schließen will, auch den Bruch mit den polnischen Nationalkonservativen zu kitten. Doch Polen tickt in der Ukraine-Frage grundsätzlich anders als Ungarn, insofern bleibt das zu bohrende Brett ein dickes.

Interessant ist Orbáns Manöver mit der AfD. Diese sitzt in Brüssel ganz am rechten Rand in der Fraktion für ein Europa der souveränen Nationen, einem Sammelsurium mehr oder weniger offener EU-Feinde. Die AfD hat es dorthin verschlagen, weil einflussreiche Kräfte in den anderen beiden Rechtsfraktionen – so die französischen Rechten unter Marie Le Pen und die Polen – keinerlei Zusammenarbeit mit der deutschen Gruppierung wünschen. Da spielen Fragen zur Haltung bezüglich der deutschen Vergangenheit eine größere Rolle, aber auch – bei den Polen – die Haltung beispielsweise zum Kreml oder zur Ostseepipeline NordStream. Angesichts des zu erwartenden gewichtigen Ergebnisses der AfD bei den Bundestagswahlen sieht Orbán plötzlich Gesprächsbedarf, hofft auf ein Einbinden der starken Kraft aus Deutschland in eine künftige geschlossene nationalkonservative Front in EU-Europa. Auch hier soll der Trump-Tornado helfen: Die AfD-Anführerin Alice Weidel erfreut sich bester Beziehungen ins Weiße Haus!

 

Der Beitrag wurde am 18.02.2025 abgeschlossen.