27. Jahrgang | Nummer 26 | 16. Dezember 2024

Prometheus-Adaptionen

von Jürgen Rennert

 

I

II

 

Potz Blitz: Kriegstüchtig! Unsre Zeitenwende

Das Badewasser bis zum Nabel

Ein Schritt zurück. Die Flucht nach vorn

Der eigne Hals noch unbedroht

Bleibt letztlich übrig. Und am Ende

Kains Flöte bläst dem Bruder Abel

Erwachen nichts als Scham und Zorn.

Die Melodie vom frühen Tod.

 

Wieviel Vergesslichkeit im eignen Leben,

Im Medienkessel heizt ein Feuer

Im Hoffen, Glauben, Ruhig-Sein,

Die lauernden Konflikte an

Verdrängen, Tilgen, billigen Vergeben.

Ertüchtigt, schafft sich ungeheuer

Die Quittung trifft per Blitzpost ein!

Der Drill zur Freiheit freie Bahn.

 

Bedecke deinen Himmel, Zeus!

Hast du nicht alles selbst vollendet

Entdecke du, was tief darunter,

Und glühtest jung und gut?

Und übe dich im Widerstehen.

Wem außer uns sei Dank gespendet,

 

Im Westen – so Remarque – nichts Neues.

Dem, der in allen Himmeln ruht?

Das Militär mischt unerträglich munter

Im Leugnen des Vergangenen

Sich ein ins drohende Geschehen …

Der Keim zum neu Verhangenen …

 

III

IV

 

Letzter Versuch, sich selbst zu retten,

Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode:

Befeuert vom Gelärm

Feuer um Feuer, Tod um Tod.

Des Krieges, seine Panzerketten

Was innehält, ist aus der Mode,

Zerfurchen das Gedärm.

Was schwarz ist, färbt der Krieg blutrot.

 

Hast du nicht alles selbst vollendet,

Ohnmacht und Kräftespiel des Feuers,

Mein siegversess’nes Herz?

Menschlicher Hybris untertan.

Wem danken? Meine Hybris wendet

In Leib und Kopf des Ungeheuers,

Den Jubel um in Leid und Schmerz.

Das wir sind, spukt der Kampfeswahn …

 

Nichts bleibt auf den verbrannten Wegen,

Nichts Ärmeres gibt es unter der Sonne

Was sich enttrümmern lässt.

Als die Vielfalt vernebelnder Macht.

Erinnerung der Nachkriegsjahre:

Kolonne zieht um Kolonne

 

Ein Leichenschmaus als Siegesfest,

Siegesgewiss in die Schlacht.

Der Brudermord als Handelsware

Die Historiografen vermelden

Und aller Irrsinn mausert sich zum Segen.

Akribisch das Ende der Helden.

 

V

 

Nebelkrähen, Glut, gestürzte Stühle,
Menschenleeres Areal,
Raum für klügere Gefühle:
Absolut kein nächstes Mal!

 

Zwischen Wärmen und Verbrennen,
Zwischen Schachmatt und Remis
Das ernüchternde Erkennen:
Unbesiegt sind wir und sie.

 

Jenseits aller Theorien
Von der Freiheit und dem Zwang,
Sich allein ihr hinzugeben,

 

Bleibt der unstillbare Drang,
Das, was unentrinnbar schien,
Anzunehmen und zu leben.


Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstveröffentlichung in die horen, Nr. 296
, Wallstein Verlag, Göttingen 2024. Dort in Kombination mit Grafiken von Matthias Gubig gedruckt, zu denen die Sonette Rennerts entstanden sind. Ein erinnernder Blick auf Goethes „Prometheus“ sei empfohlen, zumal Rennert Goethe an mehreren Stellen aufgreift.