27. Jahrgang | Nummer 26 | 16. Dezember 2024

Nach den Sternen greifen 

von Renate Hoffmann 

Unlängst las ich, man könne einen Stern kaufen, ihn taufen und nach Belieben auch verschenken. Keinen Ordensstern, den muss man sich verdienen, möglichst durch gute Taten. Keine Zimt-, Anis- oder Schokoladensterne. Diese sind sehr schmackhaft und zum Verzehr gedacht, in Sonderheit in der Weihnachtszeit. Nein! Einen echten Himmelskörper, ein kompaktes, fernes Licht aus dem All.

Angezeigte Preisklassen: Stern der Ordnung 5 – 6 mag (bei guten Bedingungen gerade noch sichtbar) 39,00 Euro; Stern der Ordnung 2 – 5 mag (mit bloßem Auge sichtbar) 49,00 Euro; Doppelstern (zwei Sterne in enger Konstellation und als ein Stern zu erkennen) 59,00 Euro. – Mag steht für Magnitudo, von der Erde aus betrachtete scheinbare Helligkeit der Sterne. – Eine überzeugende Darstellung, kundenfreundlich, werbewirksam.

Ist die Lichtgestalt käuflich erworben, so darf man sie feierlich taufen. Vielleicht Adele, Oskar oder Paul. Dazu gibt es ein Zertifikat, von schmückendem Beiwerk umschlungen und mit Angaben zum Sternbild in dem Adele zu finden ist (wenn man sie findet!). In Einzelfällen: Bei Nichtgefallen, Geld zurück.

Zweifel bestehen zu Recht. Klar und unmissverständlich: Himmelsobjekte sind nicht käuflich. Die Idee des Sternerwerbs entwickelten geschäftstüchtige Vertreter, die auf die Gutgläubigkeit ihrer Mitmenschen setzten. Die Rechnung ging und geht auf. Ähnlich verhält es sich mit der Namensgebung eines Sterns. Sie obliegt allein der „Internationalen Astronomischen Union“ (IAU). Auch wenn das Zertifikat verspricht, dass der gekaufte Himmelskörper demnächst in einem internationalen Weltraumregister aufgeführt wird, so bleibt das zwar ein hübscher, aber ein echter Schwindel.

Das Gesagte schließt nicht aus, für einen geliebten Menschen die Sterne vom Himmel holen zu wollen. Dann sollte es schon ein größeres leuchtendes, himmlisches Prachtexemplar sein. Zum Beispiel ein Stern der Ordnung 1,5 – 2 mag (sehr gut sichtbar, von großer Helligkeit), ohne dafür 79,00 Euro ausgeben zu müssen. Oder man teilt dem oder der Beschenkten vage mit: „Dein Stern steht gleich links neben den Gürtelsternen des Orion. Du siehst ihn doch, nicht wahr?“ Da Liebe bekanntlich blind macht, wird er natürlich gesehen.

Eine Himmelserscheinung nicht käuflicher Art, später volkstümlich benannt, letztlich Ur- Ursprung einer großen Religion; von Johannes Kepler (1571-1630), dem Astronomen und Mathematiker rückwirkend berechnet und erkannt, ein historisches Phänomen, für das Erklärungen gesucht werden und welches einer Betrachtung wert ist. Der „Stern von Bethlehem“.

Im christlichen „Neuen Testament“ berichtet der Evangelist Matthäus über einen sonderbaren Vorgang (Kapitel 1 – 2): „Als Jesus gebohren war zu Bethlehem im Jüdischen Lande / zur Zeit des Königs Herodis / siehe / da kamen die Weisen von Morgenlande gen Jerusalem / und sprachen: Wo ist der neugebohrne König der Jüden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande / und sind kommen / ihn anzubeten. […] So zogen sie hin. Und siehe / der Stern / den sie im Morgenlande gesehen hatten / gieng für ihnen hin / biß er kam / und stund oben über / da das Kindlein war. / Da sie den Stern sahen / waren sie hoch erfreut.“ Aus „Die gantze Heilige Schrift Teutsch übersetzet von D. Martin Luther“ gedruckt Anno 1702. Soweit Matthäus.

Wenn es ihn gab, den „Weihnachtsstern“ aus dem Morgenlande, was war er wirklich? Ein Komet? Der wäre von den kundigen „Sternguckern“ des Altertums nicht unbemerkt geblieben. Der infrage kommende Halleysche Komet wurde bereits im Jahre 12 vor der Geburt Jesus‘ beobachtet. Und Kometen galten als Unheilverkünder; konnte auf diese Weise die Geburt eines Königs kundgetan werden? Eine andere Theorie besagt, der „Stern von Bethlehem“ sei eine Supernova gewesen (gewaltige Explosion eines ablebenden Sterns). Auch dieses Ereignis hätte in historischen Hinweisen seinen Niederschlag gefunden. – Die derzeit plausible Erklärung vermutet im mysteriösen Himmelskörper, eine sogenannte „Große Konjunktion“ im Sternbild der Fische: Zwei Planeten, in diesem Fall Jupiter und Saturn, die beiden größten im Sonnensystem, sind sich so nahegekommen, dass sich die Wirkung eines Doppelsterns einstellt, verbunden mit einer sehr starken Leuchtkraft.

Dieses Vorkommnis hatte auch Kepler 1603 am Prager Himmel beobachtet und rückwirkend nach seiner Berechnung als zutreffend für das gesuchte Geburtsjahr des Kindes Jesus befunden. Allerdings ergab sich dafür das Jahr 7 vor Beginn unserer Zeitzählung. Demzufolge sind wir allesamt bereits schon um sieben Jahre älter. – Eine „Große Konjunktion“ der beiden „Superplaneten“ hatte sich am 21. Dezember 2020 zugetragen und wird für 2080 vorangemeldet..

Aus den himmlischen zurück in die irdischen Gefilde. – Auf dem Tisch steht ein flammendroter Weihnachtsstern im Blumentopf (käuflich), garantiert wissenschaftlich getauft auf den Namen Euphorbia pulcherrima, dazu eine Schale mit Zimt- und Anisgebäck, duftender, aromatischer Orangentee – und Hans Christian Andersens Märchen vom Tannenbaum.