27. Jahrgang | Nummer 25 | 2. Dezember 2024

Film ab

von Clemens Fischer

Leni Riefenstahl sagte von sich selbst, sie habe früh Hitlers „Mein Kampf“ gelesen; danach sei sie überzeugte Nationalsozialistin gewesen. Sie wurde zu einem der Stars der Propagandamaschinerie in Nazi-Deutschland, die noch dazu als junge, hochtalentierte und attraktive Frau von deren Chef, Joseph Goebbels, und nicht zuletzt vom Führer selbst hofiert wurde. Ihre Filme „Triumph des Willens“ über den Reichsparteitag der NSDAP von 1934 und „Olympia“ (zweiteilig) über die Olympischen Spiele in Berlin 1936 hatten enorme innenpolitische Wirkung und trugen nicht wenig zur internationalen Reputation des Dritten Reiches bei.

Nach 1945 versuchte sie, sich als bloße Künstlerin ohne besondere Verbandelung mit dem System und dessen führenden Repräsentanten darzustellen. Sie erfuhr dabei von der Öffentlichkeit in Westdeutschland breite und andauernde Unterstützung. Letzteres gehört zu den dem Besprecher so bisher nicht bekannten Aspekten, für die der Dokumentarfilm von Andres Veiel (Produzentin: Sandra Maischberger) wiederholt Belege liefert.

Die stammen in Ton und Bild zum Teil aus dem sehr umfangreichen privaten Nachlass Riefenstahls (700 Umzugskartons), der den Filmemachern zur Verfügung stand. So gehörte es zu Riefenstahls narzisstischen Persönlichkeitszügen, selbst Telefongespräche auf Tonbandkassetten aufzuzeichnen und zu archivieren.

Und was den Umgang mit Nazi-Größen anbetrifft, so kokettierte sie Jahrzehnte später vor der Kamera damit, dass Goebbels sie mit Gewalt nehmen wollte. Nach trug sie ihm allerdings offenbar immer noch, dass sie niemals auf die Insel Schwanenwerder, in das private Berliner Domizil des Ministers, eingeladen worden sei. Und was Hitler anbetrifft: Erhalten geblieben ist ihr enthusiastischer handschriftlicher Dank, nachdem sie bei ihrer Ankunft bei der Biennale in Venedig auf ihrem Hotelzimmer einen Strauß Rosen und einen Geburtstagsgruß des Führers vorgefunden hatte …

„Riefenstahl“, Regie und Drehbuch: Andres Veiel; derzeit in den Kinos.

*

Auch erklärte Champagner-Fans kennen nicht unbedingt die Entstehungsgeschichte der Nobelmarke „Veuve Clicquot“ (derzeit zwar nicht unbedingt im Angebot, aber angeboten wird zum Beispiel La Grande Dame Brut Rosé Paola Paronetto Edition zu nicht einmal 250,00 Euro pro Flasche): Barbe-Nicole Clicquot, schuldlos verwitwet mit 27 Jahren, erwirkte von ihrem Schwiegervater die Zustimmung, das Weingut ihres verstorbenen Gatten in der Champagne unter ihrer Leitung weiterführen zu dürfen. Ein höchst bemerkenswerter Vorgang – im Jahre 1805, als die Rolle der Frau noch strikt auf ein untergeordnetes Wirken im Heim und am Herd beschränkt war. Gegen erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Widrigkeiten gelang es der Witwe, ihren Sekt am Markt zu platzieren. Wie eine Art Initialzündung wirkte dabei, dass vom ersten Jahrgang des von ihr höchstselbst kreierten Cuvées einige Flaschen nach Sankt Petersburg gelangten und dort im Zaren einen spontanen Liebhaber fanden, der nachorderte …

Wer sich für mehr Details der Geschichte interessiert, sollte jedoch vielleicht besser zum Buch der Kulturhistorikerin Tilar J. Mazzeo „Veuve Clicquot. Die Geschichte eines Champagner-Imperiums und der Frau, die es regierte“ greifen, denn dessen jetzige Verfilmung ist, mit Verlaub, ein cineastischer Schuss in den Ofen. Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass es der Hauptdarstellerin Haley Bennett gelingt, ein und dieselbe Mimik – eine nachgerade zur Maske erstarrte Leichenbittermine – den gesamten Film über durchzuhalten. Ob das ihrem schauspielerischen Vermögen oder der Tatsache zu verdanken ist, dass Regisseur Thomas Nepper (bisher ohne deutschen Wikipedia-Eintrag; Stand: 24.11.2024) mit dem Streifen seinen ersten abendfüllenden Spielfilm verzapfen durfte, ist angesichts der Schwächen des Produktes schon von eher untergeordnetem Interesse …

„Die Witwe Clicquot“, Regie: Thomas Nepper; derzeit in den Kinos.

*

„Gladiator“ von Ridley Scott kam 2000 in die Kinos und räumte bei den Oscar-Verleihungen 2001 fünf Trophäen ab, darunter als Bester Film und für den Besten Hauptdarsteller (Russell Crowe), sowie sieben weitere Nominierungen, Beste Regie inklusive.

Falls Scott sich allerdings deswegen mit der Fortsetzung, im Filmjargon „Sequel“ genannt, 24 Jahre Zeit gelassen hat, um auch ja sicherzustellen, dass er wieder so einen Abräumer auf die Leinwand bringt, dann dürfte einem hiesigen Beobachter nach Kritiken wie „Sandmännchens Rückkehr“ (stern) oder gar „Haialarm im Kolosseum“ (Peter Körte, FAZ) schwanen: Könnte schwierig werden.

Die Anspielung auf Sven Regeners und Leander Hausmanns genialisch anarcho-skurrile Klamotte „Haialarm am Müggelsee“ von 2013 umreißt schon eines der Probleme. Denn während am Müggelsee vom Hai bis zum Schluss des Films kein Fitzelchen zu sehen ist, macht Scott dank Computeranimation damit blutigen Ernst. Von der archäologischen Forschung ist zwar nicht zweifelsfrei gedeckt, dass in der römischen Spielstätte überhaupt auch Seeschlachten nachgestellt wurden, doch Scott lässt Galeeren einfahren und Haie sich im Wasser darunter erst tümmeln sowie dann an sich an Leibern Überbordgegangener laben …

Doch unterm Strich ist das noch das geringste aller Übel. Viel peinlicher ist, dass der Plot nicht nur bis ins Detail dem des ersten Filmes folgt, sondern dass der gesamte Handlungsablauf dieses Mal ein einziger – in historischer wie logischer Hinsicht – Schmarren ist und überdies eine intellektuelle Beleidigung aller Zuschauer älter denn juvenil: Der Protagonist, der nie zuvor ein römisches Kriegsschiff geführt haben kann, siegt als Käpt’n mit seiner Crew natürlich trotzdem im Seegefecht. Doch damit genug an Meckerei! Vielleicht nur noch dies: Das Fazit Körtes trifft den Nagel auf den Kopf – „ein völlig überflüssiges Sequel“.

Bleibt zu hoffen, dass der Streifen wenigstens seine Produktionskosten – die waren infolge von Autorenstreik und Produktionsstillstand von geplanten 165 Millionen auf wahrscheinlich um die 300 Millionen Dollar explodiert – nicht wieder einspielt. Denn von Ridley Scott war bereits die Drohung zu vernehmen, er habe schon acht Seiten Drehbuch für Teil III geschrieben …

„Gladiator II“, Regie Ridley Scott; derzeit in den Kinos.