27. Jahrgang | Nummer 21 | 7. Oktober 2024

Film ab

von Clemens Fischer

Die Berliner Zeitung kürte sie kürzlich zur „Melancholikersupergroup“, die „eine in Deutschland wohl einmalige Trostspendemusik“ mache. Die Rede ist von der Band Element of Crime, die in Kürze 40 Jahre auf der Bühne stehen wird.

Bei ihrem diesjährigen Open-Air-Konzert in Lüneburg Anfang August hatte Sänger und Frontmann Sven Regener das Publikum darüber informiert, dass Charlie Hübner einen Dokumentarfilm über die Formation gedreht habe, der ab 3. Oktober zu sehen sein werde. In Berlin war das unter anderem im Kultkino Union in Friedrichshagen der Fall, dessen 20:30 Uhr-Vorstellung ausverkauft war.

Nicht erwähnt hatte der Bandleader in Lüneburg, dass die Truppe das Filmprojekt selbst ersonnen, dafür eigens eine einwöchige Minitournee von fünf Konzerten quer durch vor allem Westberlin arrangiert und Hübner zum Drehen eigens eingeladen hatte. Letzteres verrät derselbe nun aus dem Off des Films. Mit dem Zusatz, dass er nicht eine Sekunde überlegt habe. (In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung war Hübner etwas ausführlicher: „Charlotte Goltermann, die Managerin der Band, rief mich vor über drei Jahren an und fragte, ob ich mir vorstellen könne, Element Of Crime auf einer fünftägigen Tour durch verschiedene Berliner Konzertorte mit der Kamera zu begleiten. Ich sagte Ja, noch bevor sie das Fragezeichen am Satzende ausgesprochen hatte.“) Und das war gut so, denn so kommt die Fangemeinde nun zu einer zusätzlichen Begegnung mit ihrer Band.

Die Locations der Konzerte sind markante Auftrittsorte von Element of Crime, teils aus den Anfangsjahren ihrer Karriere: Vom Westberliner Privatclub mit maximal 200 Besuchern über das Lido (500), das legendäre SO36 (800) und den Admiralspalast (1800) bis hin zur Zitadelle Spandau (Kapazität bis zu 9000 Menschen), die zum Abschlusskonzert der Filmtournee proppenvoll war. Historische Filmaufnahmen aus der Bandgeschichte ergänzen die aktuellen Bilder. Gesprächseinsprengsel mit den Bandmitgliedern gewähren den ein oder anderen knappen Blick hinter die Bühne und in die Intentionen der Künstler.

Und was die Melancholie von Texten und Musik anbetrifft, da widerspricht im Film Bandmitgründer und Gitarrist Jakob Ilja. Durchgängig sei vielmehr ein, wenn auch nicht immer vordergründiger Humor.

 

PS: Es soll ja durchaus Menschen geben, die noch nie etwas von Element of Crime gehört haben. Als Kost-, besser Hörprobe – zu einem der schönsten Stücke der Band („Vier Stunden vor Elbe 1“) hier klicken.

 

„Element of Crime – Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“, Regie: Charlie Hübner; derzeit in den Kinos.

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Die Amerikanerin Lee Miller ist heute im breiten Publikum so gut wie vergessen, obwohl sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Menschen faszinierte – ob ihrer „teuflischen Schönheit“ (O-Ton Hemingway; Picasso malte sie mehrfach), ob ihrer Intelligenz, ihrer Unkonventionalität und nicht zuletzt wegen ihres Durchsetzungsvermögens und ihres Mutes. Mit 19 zierte sie das Cover der Vogue, mit 23 spielte sie eine Hauptrolle bei Jean Cocteau (in „Le sang d‘une poète“, 1930). Sie modelte, wurde Schülerin und Geliebte der Fotolegende Man Ray. Als  die Modelkarriere – zeit- und altersbedingt – beendet war, wandte sie sich professionell der Fotografie zu. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde sie gegen die Widerstände der damals und beim Militär schon gar männerdominierten Gesellschaft Kriegsberichterstatterin für die Vogue – in vorderster Front am D-Day, Omaha Beach, ebenso mit dabei wie bei den Kämpfen um Saint Malo, bei der Befreiung von Paris und beim Vormarsch der US-Truppen durchs Elsass. Fotos aus der damaligen Zeit zeigen sie oft in verdrecktem Kampfanzug und schweren Stiefeln. Das Grauen der faschistischen Herrschaft dokumentierte sie anhand hinterlassener Leichenberge im KZ Dachau, einen Tag nach dessen Befreiung. Zugleich schrieb aber auch brillante Kriegsreportagen in bester angelsächsischer Tradition. Überdies war sie scharf im Urteil: „Kein Deutscher fand, dass Hitler etwas falsch gemacht habe, außer dass er den Krieg verlor.“

Kate Winslet – Oscar-Preisträgerin 2009 als Beste Hauptdarstellerin in „Der Vorleser“ – spielt diese bewunderungswürdige Frau auf eine angemessen beeindruckende Art und Weise.

 

„Die Fotografin“, Regie: Ellen Kuras; derzeit in den Kinos.