27. Jahrgang | Nummer 18 | 26. August 2024

Antworten

Tran To Nga, franco-vietnamesische Aktivistin – Seit 15 Jahren kämpfen Sie vor Gericht für eine Entschädigung vietnamesischer Opfer des Agent-Orange-Einsatzes durch die Hersteller des Entlaubungsmittels, das im Vietnamkrieg von US-amerikanischen Flugzeugen versprüht wurde. Jetzt haben Sie, die Sie selbst an den Folgen des Gifteinsatzes leiden, eine zweite Niederlage erlitten. Wie das Landgericht Evry im Jahre 2021 entschied auch das Pariser Berufungsgericht im August 2024, die 14 beklagten Unternehmen hätten im Auftrag der USA gehandelt und die französische Gerichtsbarkeit sei nicht kompetent, über „die Verteidigungspolitik eines ausländischen Staates zu Kriegszeiten“ zu urteilen. Die Unternehmen treffe also keine Schuld an Gesundheitsstörungen durch das zur Chemiewaffe umfunktionierte Herbizid. Dabei hatten Ihre Anwälte interne Dokumente präsentiert, die belegen, dass die Firmen durchaus keine reinen Befehlsempfänger waren. „Der Herstellungsprozess lag exklusiv in der Hand der Unternehmen. Sie hatten einen Spielraum, um das Produkt weniger gefährlich zu machen. Sie taten dies nicht, im Namen einer kommerziellen Logik“, erklärte Ihr Anwalt Bertrand Repolt.
Sie selbst, 82-jährig, wollen nun vor das französische Verfassungsgericht ziehen. „Es ist nicht nur mein Kampf, sondern auch der von Millionen von Opfern“, sagten Sie. Respekt! Mehr als 4,8 Millionen Vietnamesen waren den Sprühaktionen der US-Army ausgesetzt, deren Folgen inzwischen bis in die vierte Generation fortwirken. Entschädigt wurden bisher übrigens nur US-amerikanische, australische und südkoreanische Soldaten.

Antony Blinken, US-amerikanischer Außenminister und Dauerflieger – Zum neunten Mal bereisten Sie bereits den Nahen Osten, um die Befreiung der israelischen Geiseln im Gaza-Streifen und wenigstens einen befristeten Waffenstillstand zwischen Israel, der Hamas und ihren Verbündeten zu vermitteln. Ihr Präsident telefonierte mehrmals mit dem israelischen Premier, und immer wieder hieß es, ein „Deal“ sei nicht mehr fern. Haaretz-Kommentator Alon Pinkas schrieb derweil: „Wieder getäuscht: Die USA wollen gehört haben, dass Netanjahu ,ja‘ zu einem Gaza-Deal gesagt hätte. Hat er aber nicht.“ Jüngst sprachen Sie von der möglicherweise „letzten Chance“ und von „entscheidenden Momenten“. Jeder solle aufhören, nach Entschuldigungen für sein ,Nein‘ zu suchen. Und reisten doch unverrichteter Dinge wieder zurück in die wahlkämpfende Heimat. Braucht es weitere Belege dafür, dass der Einfluss der Weltmacht USA in der Region dramatisch geschwunden ist?

Olaf Scholz, Bundeskanzler – Ihr ehemaliger SPD-Genosse, der Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge, hat einen alten Aufsatz von 1983 herausgekramt, den Sie zusammen mit anderen 1983 verfasst hatten. Titel: „Der Kampf hat erst begonnen“. Es ging gegen die damalige Stationierung von nuklearen US-Langstreckenwaffen (darunter Cruise Missiles vom Typ Tomahawk) in fünf westeuropäischen NATO-Staaten. Die hätten den Deutschen ein finales atomares Inferno einbrocken können. Sie äußerten damals im Brustton der Überzeugung überdies: „Für die Jungsozialisten war und ist der US-Imperialismus die Hauptgefahr für den Weltfrieden.“

Jetzt haben Sie in engstem Schulterschluss mit Washington entschieden, dass ab 2026 erneut US-Langstreckenwaffen (darunter Cruise Missiles vom Typ Tomahawk) aufgestellt werden, dieses Mal jedoch allein in Deutschland.

Da haben Sie in der Zwischenzeit offenbar allerhand dazugelernt.

Augenscheinlich leider das Falsche.

Zeigt einmal mehr: Weisheit kommt im Kopf und nicht im Alter.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg – Ihnen steht im September eine Landtagswahl ins Haus. Vom Handelsblatt gefragt, ob Sie gemeinsame Wahlkampfauftritte mit dem Bundeskanzler planten, der als Potsdamer für Brandenburg im Bundestag sitzt, gaben Sie eine deutliche Antwort: „Nein. Wir haben sieben Landtagswahlen gewonnen, wir wollen auch die achte gewinnen.“ Und auf die Nachfrage, ob Sie keine Bundeshilfe im Wahlkampf brauchten, entgegneten Sie süffisant: „Hilfe heißt ja helfen.“ Die derzeitigen Haushaltsstreitereien der Ampel finden Sie „nicht professionell“ und bekennen: „Manchmal bin ich wirklich froh, wenn ich von der Bundesregierung mal ein paar Tage nichts höre.“

Das klingt alles recht sympathisch, und daher, vor allem aber gegen die Stärke der AfD in Brandenburg, wünschen wir – obwohl Sie in der falschen Partei sind – maximales Gelingen am Wahltag.