27. Jahrgang | Nummer 5 | 26. Februar 2024

Linke Anmerkungen (II)

von Waldemar Landsberger

Dass es bei der Berichterstattung des Recherchezentrums Correctiv über ein rechtes Treffen in Potsdam und deren politisch-mediale Bewirtschaftung irgendwie nicht mit rechten Dingen zuging, war schon im Januar deutlich (Blättchen 3/2024). Doch viele Fakten kamen erst später ans Licht. Correctiv, die Bundesregierung, respektive SPD und Grüne, aber auch die AfD sind Nutznießer der gestiegenen Medienaufmerksamkeit. Es gibt aber noch einen vierten. Martin Sellner, österreichischer Rechter, hatte in Potsdam eigentlich nur sein neues Buch: „Remigration. Ein Vorschlag“ vorgestellt. Beim Onlineverkaufsportal von Amazon wurde dieser Titel seit dem 1. Februar auf der Liste der vorbestellten Bestseller im Bereich Bücher auf Platz eins ausgewiesen, obwohl es erst am 1. März 2024 erscheint. Nachgeschoben wird ein weiterer Titel: „Sellner. Geheimplan – Was ich wirklich will“, der soll laut Amazon am 5. März erscheinen. Hier soll seine skandalisierte „Remigrations-Rede“ in voller Länge nachgelesen werden können. Wenn man das Ganze nun als Marketing-Maßnahme für Sellner versteht, war das sehr erfolgreich, vor allem auch dank Correctiv. Eigentlich müsste er denen Tantiemen zahlen.

Die Zeitschrift Cicero hat bereits am 11. Januar einen Text gebracht unter der Überschrift: „Der Wannsee-Scoop, der keiner ist.“ Scoop bezeichnet im Medien-Jargon einen Knüller, eine Exklusivmeldung, die eigenen Recherche-Darstellungen entspringt und aufgrund ihrer Exklusivität von anderen Medien unter Angabe der Ursprungsquelle zitiert werden muss. Der Cicero höhnte: „Pünktlich zum Start des Superwahljahres 2024 steht nun ein neuer AfD-Skandal zur Debatte. Während die Rechtspartei als Wahlsiegerin aus drei ostdeutschen Landtagswahlen hervorgehen könnte, machte das Rechercheportal Correctiv einen ‚Geheimplan gegen Deutschland‘ öffentlich.“

Mathias Brodkorb, SPD-Mitglied und früherer Finanz- und Kultusminister in Mecklenburg-Vorpommern, schrieb dazu: „Dass aus einem privaten ein ‚geheimes‘ Treffen wird, sich der ominöse ‚Geheimplan‘ als der Inhalt eines […] frei erhältlichen Buches herausstellt und aus einer Buchvorstellung in privatem Rahmen eine mit der AfD in Verbindung stehende Konferenz zur Planung der Vertreibung Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund wird – all das lässt sich mit journalistischen Motiven allein nicht erklären.“ Offenbar gibt es auch andere. Ende Januar berichtete die Berliner Zeitung unter Bezugnahme auf den FDP-Mann Wolfgang Kubicki, dass bereits vor Amtsantritt der Ampelkoalition Treffen zwischen Correctiv und Vertretern der Bundesregierung an der Tagesordnung waren, um der „Desinformation“ entgegenzuwirken. Damals ging es um die „Impfgegner“ und die staatlich erwünschte Impfkampagne.

So liegt es nahe, dass Correctiv auch jetztigen Bundesregierung zu Diensten ist im Kampf gegen „Desinformation“. Das Nachrichten- und Rechercheportal Nius – ein von dem früheren Bild-Chefredakteur Julian Reichelt geführtes, konservatives Pendant zu Correctiv – berichtete von entsprechenden Treffen. So gab es am 17. November 2023 ein Treffen des Bundeskanzlers Olaf Scholz mit der Correctiv-Geschäftsführerin Jeanette Gusko am Rande der Konferenz „Ostdeutschland 2030“. Laut Nius habe Gusko zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst, dass das Potsdamer Rechts-Treffen infiltriert werden würde. Zehn Tage zuvor, am 7. November 2023, soll Gusko an einer Diskussionsrunde im Bundeskanzleramt teilgenommen haben, bei der sie den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, getroffen haben soll. (Laut Nius haben in den vergangenen vier Jahren insgesamt elf Treffen von Correctiv-Mitarbeitern und Regierungsvertretern stattgefunden.) Gusko gilt als in der SPD gut vernetzt, trat mehrmals bei Veranstaltungen der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auf und hielt eine Rede auf einem SPD-Parteitag. Neben den Geldern, die das Correctiv-Unternehmen von den überseeischen Milliardären bekommt, hat es nach Nius in den vergangenen zehn Jahren mindestens 2,5 Millionen Euro an Steuermitteln erhalten. Staatsferne sieht anders aus.

Am 28. Januar, nachdem die losgetretene Kampagne schon eine Weile lief, saß die Correctiv-Mitarbeiterin Anette Dowideit im ARD-Presseclub. Dort behauptete sie, ihr Medium habe die Verbindung zwischen dem Treffen in Potsdam und der Wannsee-Konferenz 1942, auf der die administrativen Spitzen des NS-Staaten den Mord an den europäischen Juden abstimmten, gar nicht hergestellt. Das hätten die anderen Medien getan. Auch den Begriff „Deportation“ hätte Correctiv nicht benutzt. Das waren Falschaussagen. Das Online-Magazin Tichys Einblick zitierte aus dem Correctiv-Bericht vom 10. Januar 2024 folgende Passage: „Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee. 1940 planten die Nationalsozialisten, viele Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat. Womöglich ist es auch nur Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen ausgewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz“. Der Text enthält keinerlei Information über das angebliche Geheimtreffen, sondern nur Insinuationen, was Sellner hätte gemeint haben können. Das Buch, mit dem Correctiv seine Geschichte vermarkten will, trägt den Titel: „Der AfD-Komplex“. Es soll am 23. März erscheinen. Es war ursprünglich so angekündigt: „Der Angriff der AfD auf unsere Demokratie begann nicht erst mit dem Potsdamer Geheimtreffen im November 2023. Die Pläne zur Deportation Millionen Deutscher mit Migrationshintergrund […]“. Zeitgleich mit Dowideits Dementi im ARD-Presseclub wurde in dem Ankündigungstext von Correctiv das Wort „Deportation“ klammheimlich durch „Vertreibung“ ersetzt.

Mehrere Teilnehmer des Treffens im November gehen gegen die Correctiv-Berichterstattung juristisch vor. Interessant ist die Klage des Staatsrechtlers und CDU-Mitglieds Ulrich Vosgerau. Er sagt, ein juristischer Generalangriff gegen den Correctiv-Text sei kaum möglich. Der Text enthalte so gut wie keine Tatsachenbehauptungen. So habe Sellner das Wort „Remigration“ gebraucht, was im Grunde ein soziologischer Begriff sei. Danach aber spreche Correctiv wieder mit eigener Stimme und behaupte, was Sellner angeblich meint. Das Recherchezentrum schreibe die Forderung, Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft deportieren zu wollen, nicht Martin Sellner im Sinne einer Tatsachenbehauptung zu, sondern versuche, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, „zu wissen, was Sellner heimlich denkt, auch wenn er es nicht ausspricht, sondern eigentlich das Gegenteil sagt. Das ist infam, aber klagen kann man dagegen schlecht.“

Am Ende resümiert Vosgerau: „Die Kernkompetenz von Kampagnenjournalisten wie denen von Correctiv liegt überhaupt darin, unterlassungsfeste Texte formulieren zu können, die zumal beim ungeübten Leser den Eindruck hinterlassen, geballte Tatsachenaufklärung zu vermitteln, obwohl in Wahrheit gar keine Tatsachen vorkommen.“

Die Nachdenkseiten resümieren diese politischen Effekte mit der Bemerkung: „Die Anti-AfD-Demos kommen wie gerufen.“ Für oder gegen wen wird eigentlich demonstriert? Die AfD steht in Umfragen bei 20 Prozent. Das stand sie im Sommer 2023 auch schon. Mathematisch heißt das: 80 Prozent finden die AfD nicht toll. Und was heißt das für die Demonstrationen? Die Nachdenkseiten fragen ironisch: „Was kann man gegen die starken Umfragewerte der AfD tun? Nun gut, man könnte ordentlich regieren und den Protestwählern den Grund für ihren Protest entziehen […]. Man könnte auch mit AfD-Wählern diskutieren […]. Aber nein, […] mit Nazis spricht man ja nicht. Also geht man auf die Straße.“ Man trifft sich zur Demo wie früher sonntags in der Kirche, um zu zeigen, dass man zum rechtschaffenen Teil der Gemeinde gehört.

Das Fazit in den Nachdenkseiten: „Noch nie war antifaschistischer Widerstand so einfach – ein wunderbares Ritual, das nur Gewinner kennt. Der brave Bürger fühlt sich endlich wieder gut und wähnt sich auf der richtigen Seite der Geschichte. Die AfD jubelt, weil sie wieder in den Schlagzeilen ist. Die Regierung ist happy, weil niemand mehr über vermurkste Heizungsgesetze, Schattenhaushalte, milliardenschwere Rüstungsprogramme, den suboptimal laufenden Krieg in der Ukraine oder die unzufriedenen Bauern spricht. Und last but not least kann sich der Ösi-Nazi Martin Sellner freuen. Sein neues Buch, das den ganzen Wirbel ausgelöst hat, ist bei Amazon aktuell das meistverkaufte Buch Deutschlands. Läuft doch super für alle Beteiligten. Weitermachen!“

Besser nicht. Hirn einschalten!