Kaum hab ich geatmet, da wurde ich schon
gemessen, gewogen und kam auf Station.
Ich dachte: Verrücktsein wär auch ’ne Option.
Bald prügelten Mama und Papa mich weich,
denn hart sollt ich werden, steinhart und steinreich.
Da wollte ich tot sein, am besten jetzt gleich.
Das Jahr war ein Lostopf. Die Nieten darin
War’n Fragen, und Antworten war‘n der Gewinn.
Bezahl’n musst ich immer mit dem, was ich bin.
Ich lernte die Liebe und andren Betrug
und kriegte fast alles, doch niemals genug.
Da dachte ich: Klug sein ist gar nicht so klug.
In Massen geklont sah ich Abel und Kain
die Städte verstopfen und trotzdem allein.
Da dachte ich mir: Wie verrückt muss man sein?
Der Frieden dreht friedlich die Kriegsmunition.
Der Krieg baut dem Frieden den eisernen Thron.
Da scheint mir: Verrücktsein ist auch ’ne Option.
Die Wahrheit von gestern wird heute zum Spott.
Der Teufel von heute ist morgen der Gott.
Wo grad noch ein Denkmal war, bleibt ein Schafott.
Ich hab meinen Kopf noch und das ist mein Lohn.
Die Ärztin auf meiner geschloss’nen Station
sagt zärtlich: Verrücktsein wär auch ’ne Option…
September 2023
Schlagwörter: Henry-Martin Klemt