Der Klimawandel ist eine Tatsache. Dies wird heute kaum mehr von jemandem ernsthaft bestritten. Ebenso ist es aber auch eine Tatsache, dass die Unfähigkeit und Untätigkeit der Menschheit in den zurückliegenden Jahrzehnten verhindert hat, den Klimawandel einzudämmen und in seine Auswirkungen zu begrenzen. Deshalb haben wir es heute mit einer Klimakrise zu tun, die immer bedrohlichere Züge annimmt. Dies unterstreicht die absolute Dringlichkeit des Handelns in Naturschutz, Bodenschutz, Wasserschutz, Artenschutz, Menschenschutz und so weiter. Wie die Ergebnisse zeigen, funktioniert dies nur unzureichend innerhalb der gegebenen Produktions- und Konsumstrukturen und der überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse. Daher erzwingt die ökologische Krise einen grundlegenden Wandel auf allen Ebenen: eine Gesellschaftstransformation, einen Technologiewandel, die Umgestaltung der Produktionsweise, den Umbau der Institutionen sowie den Wandel der Lebensstile und der Kultur. Ohne einen solchen Wandel, ohne die radikale Änderung der Produktions- und Lebensweise und die Beendigung des ressourcenverschlingenden und umweltzerstörenden Wirtschaftens ist das Leben der Menschen auf unserem Planeten aufs Äußerste bedroht. Diese Erkenntnis war vor 50 Jahren, als der Club of Rome seinen ersten Bericht vorlegte, noch umstritten. Heute aber ist sie Allgemeingut.
Der Nachhaltigkeitswissenschaftler und Klimapolitikforscher Reinhard Loske hat sich mit dem Stand der ökologischen Wende beschäftigt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass „mittlerweile die allermeisten Menschen“ begriffen haben, dass sich grundlegend etwas ändern muss. Aber sie handeln nicht entsprechend! Die „allgemeinen Bekenntnisse zum Klimaschutz“ ständen häufig „verbindungslos“ neben einer begrenzten oder sogar fehlenden Bereitschaft, den eigenen Lebensstil zu ändern und sich im Konsumverhalten den neuen Notwendigkeiten anzupassen. Dieses „Auseinanderklaffen von allgemeiner Willensbekundung und tatsächlicher Handlungsbereitschaft“ ist das Thema des Essays, den Reinhard Loske im Rahmen einer mehrere Bände umfassenden Reihe über Wirtschaftswachstum, Konsum und Kultur vorgelegt hat.
Er macht damit darauf aufmerksam, dass in unserer Gesellschaft nur auf den ersten Blick ein breiter gesellschaftlicher Konsens für mehr ökologische Nachhaltigkeit, Klimaschutz und einen entsprechenden Pfadwechsel existiert. Dieser wird jedoch sofort brüchig, sobald es um die konkrete Ausgestaltung, um die Aushandlung und Umsetzung einzelner Maßnahmen der Nachhaltigkeitspolitik geht. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die entscheidenden Schritte durch die Produktion zu gehen sind. Ob und wie wir den ökologischen Umbau hinbekommen, entscheidet sich nicht in erster Linie an der Ladentheke oder im privaten Konsum, sondern im Produktionsprozess, indem andere Dinge mit anderen Mitteln und auf eine andere Art und Weise als bisher erzeugt werden. Die Konsumtions- und Lebensweise aber muss den Umbau der Produktion begleiten, herausfordern und forcieren. Insofern können neue Lebensstile, Konsummuster, auch Verweigerungshaltungen und die Ablehnung tradierter Verbrauchsgewohnheiten und Moden durchaus dazu beitragen, den notwendigen Wandel hinzubekommen. Aber zur Wahrheit gehört es eben auch, dass bisher alle politischen Versuche, den ökologischen Wandel über Appelle an die ökologische Vernunft der Menschen herbeizuführen, etwa über die Aufforderung an die Verbraucher, sich materiell einzuschränken, weniger Flüge zu buchen, weniger oft mit dem Auto zu fahren, weniger Müll zu produzieren, verantwortungsvoller mit der natürlichen Umwelt umzugehen und so weiter, mehr oder weniger gescheitert sind. Auch dabei ist die Hauptverantwortung der Produktionsseite zuzusprechen. Denn es ist nun mal die Produktion, die für die Regulation des Stoffwechsels einer Gesellschaft grundlegend ist und folglich auch für die Ausgestaltung des Angebots an Konsum- und Verbrauchsgütern und damit für die lebensweltliche soziale Reproduktion. Ein Rest Eigenverantwortung, Freiheit und Entscheidungsspielraum bleibt aber dennoch, so dass letztlich der Einzelne darüber bestimmt, was er im Rahmen des Angebotenen präferiert, anschafft, kauft und konsumiert. Hier aber überwiegen bisher Egoismus und Selbstsucht statt Einsicht und Vernunft.
Der Autor hat zu diesem Problem eine Reihe lesens- und bedenkenswerter Überlegungen zu Papier gebracht. Nichtsdestotrotz bleiben Fragen offen und sind einseitige Urteile in seinem Text zu finden. So erscheint zum Beispiel sein Wirtschaftsbegriff, indem er ihn auf die Unternehmen fokussiert, fragmentarisch. Problematisch ist darüber hinaus seine Auffassung von Wirtschaftswachstum, da er übersieht, dass Entwicklung immer auch Wachstum einschließt. Die Frage ist bloß, was hier wächst, wofür und warum. Es liegt doch auf der Hand, dass die großen Umbauaktivitäten, die im Rahmen einer sozial-ökologischen Transformation anstehen, enorme Investitionen erfordern. Wie sollen diese ohne Wirtschaftswachstum realisiert werden?
Dem Autor geht es in der Konsequenz um „lebensdienliche Ökonomie(n) mit Zukunft“. Darin ist er zu unterstützen. Über das „wie“ aber muss man weiter diskutieren.
Reinhard Loske: Ökonomie(n) mit Zukunft. Jenseits der Wachstumsillusion, Rangsdorf 2023, Verlag Natur + Text, 80 Seiten, 19,00 Euro.
Schlagwörter: Ökologie, Postwachstum, Reinhard Loske, Ulrich Busch, Wirtschaftswachstum