Wer sein Ohr auch nur eine einzige Stunde dem Radiosender MDR-Thüringen leiht und dabei gute Laune bewahrt, gewinnt sofort eine neue Weltanschauung, falls damit nicht ohnehin blanke Euroscheine als Gewinn verbunden sind. (Danke – MDR-Thüringen) Er weiß es jetzt und immerdar, das ist der Rundfunk im Herzen unseres deutschen Vaterlands, der rund um die Uhr einfach nur gute Musik ausstrahlt und alles, alles in den Äther wirft, was Thüringen bewegt. Das Radio! Auch genannt: Der Heimatsender! Dieser ausgesprochen marktanregende und zugleich anheimelnde Hörfunk mit höchsten Ansprüchen an die kultivierten Shoppinginstinkte seiner verschworenen Landsleute-Gemeinde, profitiert in virtuoser Genialität vom Credo seiner scheidenden MDR-Intendantin Karola Wille. (Danke – Karola Wille) Sie war einst angetreten, die ganze journalistisch-kostbare MDR-Palette „vom Image eines Schunkelsenders befreien“ zu wollen. Entsetzt fragte sich schon damals sofort der gut vernetzte und erzogene Stammhörer: Warum denn das? (Danke – Du Stammhörer) Da irrte die Intendantin aber gewaltig! Wird denn nicht tagtäglich schon mit dem frühen Morgenhahn das kollektive Erlebnis geselliger und vereinsrechtlich gesicherter Gemeinschaften finanziell stimuliert? (Danke – Morgenhahn) Wagen sich denn nicht mutige Redakteure bis in die Nachtstunden selbstlos hinaus auf die sommerlichen Tanzböden kleinstaatlicher Metropolen? Wandern und laufen sie nicht ganz und gar mit der fröhlichen Hörerschar über heimatlichen Stock und Stein? Und wie rücksichtsvoll wird mit den Gefühlen der Hörer umgegangen! Wenn es z.B. schon einmal böse Nachrichten aus dem Weltenrund zu vermitteln gilt, dann bitte ganz diskret. Sagen wir mal so, wenn Carola zur vollen Stunde das Wichtigste mitteilt: Zuerst der statistische Bericht eines hochrangigen Forschungsinstituts über den Spitzwegerich links und rechts der Oberhofer Höh vor und nach der Corona-Pandemie, dargeboten von einem ehrenwerten Kollegen aus der MDR-Thüringen-Pflanzenschutzredaktion, der sich auf eine Anfrage an den stellvertretenen Schriftführer des Vereins für den Schutz aller Arten, einschließlich des Menschen, beruft. Daran im Anschluss folgt aus der MDR-Thüringen-Nachrichtenredaktion eine nicht minder honette Kollegin mit der spannenden Meldung, dass in der Handelskette XYZ durch eine Investition von zwei Millionen Euro der Umsatz von Spinatpellets um 18 Prozent gesteigert werden konnte (nach einer Aussage des 3. Marktleiters in ZYX) – womit der Absatz gegenüber der Vor-Corona-Zeit zwar noch nicht erreicht, aber zumindest der Verzehr in der Altersgruppe der Zwei- bis Dreijährigen erheblich gewachsen ist. Für diese wichtige Nachricht bekommt auch die nette Kollegin aus der MDR-Thüringen-Nachrichtenredaktion einen herzlichen Dank der Moderatorin, die es überhaupt nicht versäumt, den Hörern immer und immer wieder zu danken, dass sie bei ihr sind und wie sehr sie sich freut, wenn sie auch wieder da sind, wenn sie erneut vor dem Mikrofon sitzt. Er tut gut daran, so höflich zu sein, denn sie hat ja vor dem Wetterbericht noch eine letzte Meldung mitzuteilen: In der Nacht sind wieder Bomben auf Odessa gefallen. (Danke Carola)
Also bitte! Wo ist denn da ein Schunkelsender? Überhaupt: Nicht ein einziges Mal ist bisher eine englisch-sprachige Version des Rennsteigliedes in der und um die Uhr einfach guten Musik zu hören gewesen! Nein, nein, der Sender wird allen Anforderungen gerecht, die braven Bundesbürger Thüringens in der marktkonformen Shoppingkultur spaßig zu unterhalten. Wenn es dafür überhaupt noch eines Beweises bedarf, dann kann man sein Herz auch einmal weit für die per Heimatsender dankbar täglich verbreitete Umfragenflut öffnen. Es gibt doch nichts in unserer Spaßgesellschaft, von der „Zufriedenheit“ mit der Politik des Bundeskanzlers, bis zur prozentualen Durchschnittsgeschwindigkeit des Haarwuchses der männlichen Bevölkerung zwischen 30 und 40 Jahren im Kreis Grevesmühlen, wofür sich nicht hoch dotierte Umfrageinstitut oder sogar universitäre Lehrstühle interessieren. Das ist kein geistiger Leerlauf, in dem sich extremistische Populisten so gerne baden. Im Gegenteil. Das ist das Wesen der Marktwirtschaft. Je mehr Umfragen, die natürlich jeder Befrager nach eigenem Interesse manipulieren kann, um so besser kann der Markt auf die per Umfragen gezüchteten Bedürfnisse der Bürger reagieren. So gesehen, gehen die medial verbreiteten Umfragen mit den vielen bunten Prospekten der Supermärkte, die Woche für Woche die Briefkästen verstopfen, Hand in Hand. Und man soll nicht sagen, die Kampagnen seien reine Schunkelei! Denn genau in dieser marktgerechten Virtuosität wird die tiefgreifende Spaltung der deutschen Gesellschaft „verkauft“. Ranking, Ranking über Alles. Was, die AfD hat wieder vier Punkte zugelegt? Das hatten wir doch schon vorige Woche! Nicht so wichtig. Die CDU Thüringens meint ja auch, alles in Butter! Aber: Erste Gasversorger senken die Preise! Es geht doch. Und was ist mit der Roten Sahra – gründet sie denn nun endlich eine neue Partei? Was soll denn das? Die Sozialisten waren doch stets auf die eigene Spaltung aus. Und die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger offenbart die wachsenden Sympathien für die nationalsozialistische Vergangenheit im Volk? Wir geben nur Nachrichten weiter! Meinungen stehen höchsten dem Chef zu. Mein Gott, ist das spannend.
Doch auf die immerwährende Freude folgt der gar nicht zu verstehende Schock: Der neue Intendant, der ab November den hamelichen Wellensalat umrühren wird, Herr Ralf Ludwig, hat barsch und zugleich wohlwollend verkündet, er wolle jetzt nun aber wirklich die Akzeptanz des Senders in der Bevölkerung verbessern, „Vertrauen der Menschen in die Berichterstattung stärken und verlorenes zurückholen“. Vor allem: Ein ausgewogenes Verhältnis von linearen und Online-Angeboten sei das Ziel. Das also ist des Pudels Kern! Der Marktwert soll gesteigert werden, die Lust der Hörer an Shopping, Fun und Event. O ja, da gibt es noch Lücken. So könnte z.B. die Moderatorin Carmina aus der MDR-Thüringen-Nachrichtenredaktion (Danke Carmina) den Cumulus-Spezialisten Frosch aus dem MDR-Thüringen-Wetterstudio (Danke Frosch) bitten, die Standorte origineller Wettererscheinungen enger mit lokalen Vermarktungseinrichtungen und Sonderangeboten zu verbinden, wie etwa: Ab 10 Uhr liebliche Wölkchen über den Honiggurken bei ALLESGUT. Ganz wichtig wäre auch, endlich dem vielgeäußerten Hörerwunsch nachzukommen und die Abfrage nach der Zufriedenheit mit dem Zeitzeichen auf tägliche Erhebungen auszudehnen. Dem Hörer ist ja noch nicht einmal bekannt, ob es eine MDR-Thüringen-Zeitzeichenredaktion gibt und welchem ordnungsliebenden Kollegen für seine präzise Arbeit gedankt werden darf, ob er fest angestellt oder nur freier Mitarbeiter ist oder ob gegen die Besetzung seines Postens Konkurrenzklagen laufen. Das alles will der Hörer wissen, denn frei nach Heinrich Spörl: Dieses ist fast eine Liebeserklärung an die thüringische Wellenschaukel-Gemeinde, es kann aber sein, dass der Heimatsender MDR-Thüringen das gar nicht merkt, da er alleweil von Quotensucht geplagt wird, obwohl er doch egal weg der meistgehörte Landesender ist und immer und immer wieder einfach gute Musik verstrahlt, mitunter sogar in englischer Sprache, was von wohlverstandener und herzensguter internationaler Resonanz zeugt. Damit wollen wir uns bescheiden und das ist doch ein famoses MDR-Thüringen-Fazit vom Tage – Danke Andreas!
Doch wie glücklich ist der Thüringer, wenn ihm sogar im Wohnmobil am Teterower Bergring aus der NDR-Radio-MV-Nachrichtenredaktion mitgeteilt wird, der Wasserspiegel der Müritz hat nach Aussagen von Sven Tropfen, Pegelwart in Röbel, durch den Klimawandel in den letzten acht Jahren um drei Millimeter geschwankt. (Danke Sven) Der Thüringer freut sich dann, er ist eben überall daheim im deutschen Vaterland.
Es ist also zu vermuten, dass andere Autoren über andere Heimatsender ein ähnliches Lied singen könnten.
Schlagwörter: Detlef Jena, MDR-Thüringen, Radiosender