Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist ein milliardenschweres Monopoly-Spiel im Gesundheitsbereich gestartet worden. Zur gleichen Zeit werden Gesundheitseinrichtungen geschlossen, die nicht den erwarteten Gewinn erwirtschaften. Im Rahmen weiterer Konzentration auf dem Gesundheitsmarkt entstehen gigantische Fusionen und von Private-Equity-Finanzinvestoren werden Einrichtungen des Pflege- und Gesundheitswesens ausgebeutet.
Verlierer bei dem Millionenpoker sind immer die Patienten und Beschäftigten.
Gewerkschaften, Verbände und Patienteninitiativen warnen vor einer Ausdünnung der medizinischen Versorgung und fürchten die Sparpläne der Investoren, mit den sie denen beinharten Konkurrenzkampf gewinnen wollen.
Das Bundesgesundheitsministerium hat nun angekündigt, den Verkauf von Gesundheitseinrichtungen an internationale Finanzplayer zu stoppen. Konkretes ist nicht bekannt, lediglich, dass entsprechende gesetzliche Regelungen im kommenden Jahr auf den Weg gebracht werden sollen.
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Nach Angaben der Bundesregierung werden mit der neuen Krankenhausreform „drei zentrale Ziele verfolgt: Gewährleistung von Versorgungssicherheit (Daseinsvorsorge), Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie Entbürokratisierung.“
Bekundet wird mit diesen Zielen, dass es weiterhin eine flächendeckende Krankenhausversorgung geben soll, denn gesunde Menschen werden mit ihren verschiedenen Aufgaben, vor allem für das Funktionieren des Staates und für das Schaffen des wirtschaftlichen Reichtums gebraucht.
Unter den derzeitigen Produktionsbedingungen werden Beschäftigte beim Einsatz für das Wirtschaftswachstum und die damit verbundenen Belastungen von Umwelt und Natur einer kontinuierlichen Gesundheitsschädigung ausgesetzt. Als Gegenpol benötigt man ein entsprechendes Reparatursystem, in dem auch das Krankenhaus einen wesentlichen Bestandteil darstellt.
Wenn wie jetzt wieder einmal eine Steigerung der Behandlungsqualität angestrebt wird, zeigt sich darin eine parteiübergreifende Unzufriedenheit in doppelter Hinsicht: Es bedarf immer besserer Behandlungsmethoden, weil viele neue Krankheiten nicht heilbar sind und die es ermöglichen, die stattfindenden Schädigungen aushaltbar zu machen und, wenn gegeben, einzugrenzen. Dagegen sprechen aber die ständig steigenden Kosten, als Folge der derzeitigen Krankenhausorganisation, bei der aus wirtschaftlichen Gründen Behandlungen auch dann durchgeführt werden, wenn sie aus medizinischer Sicht gar nicht zwingend sind.
Das Paradoxe ist politisch aber gewollt, denn die Krankenhäuser sollen als Wirtschaftsunternehmen kalkulieren und deshalb müssen sie aus den Behandlungen auch einen Gewinn erzielen.
Die Kostenfrage wird sowieso sofort gestellt, weil sich die Gesundheitsunternehmen aus den Beiträgen der Krankenversicherungen finanzieren, die zu den „Lohnnebenkosten“ bzw. zu den Kosten „des Faktors Arbeit“ gehören. Weil höhere Beiträge auch die Gewinne der Unternehmen schmälern, muss immer dafür gesorgt werden, dass sie möglichst niedrig ausfallen.
Das war auch der Grund dafür, dass die Fallpauschalen eingeführt wurden, damit die Liegezeiten in den Krankenhäusern verringert werden, um damit die Krankenhauskosten zu verringern. Den Krankenhäusern wurde und wird dann die Pistole an den Kopf gehalten, um sich zu entscheiden, entweder zu fusionieren oder in die Pleite zu gehen.
Damit ist das Ziel früherer Gesundheitsreformen zur Kostensenkung erreicht worden, mit den Nebenfolgen, dass zunehmend Krankenhäuser verschwunden sind, die Liegezeiten verkürzt sind und die Menschen „blutig entlassen“ werden, mit entsprechenden Folgekosten für die Krankenkassen. Die Personalkosten sind so drastisch gesenkt, dass ein Personalnotstand eingetreten ist, den man nun als Fachkräftemangel beklagt.
Im Jahr 2022 sind bundesweit insgesamt 13 Kliniken geschlossen worden, hinzu kommen 11 Fälle von Teilschließungen. Eine Klinik nur zum Teil zu schließen, bedeutet erfahrungsgemäß, den ersten Schritt zu einer späteren kompletten Schließung.
Die aktuellen Reformvorhaben von Bund und Ländern haben noch nicht zur Zufriedenheit bei den Gesundheitspolitikern geführt, sie bemängeln immer noch ein Zuviel an Krankenhäusern und an Kosten für die Gesundheit der Bürger.
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Es gibt in Deutschland etwa 1.900 Krankenhäuser, von denen übernehmen 1.039 die Allgemeinversorgung. Offiziell wird eine weitere Reduzierung um 700 allgemeinen Krankenhäusern angestrebt. Würde das auch vollzogen, könnte die Zahl der Kliniken mit Notfallversorgung auf unter 500 fallen, das wäre weniger als die Hälfte gegenüber heute.
In der Regel sind die zu schließenden Krankenhäuser für die ambulante Notfallversorgung da, die in den vergangenen Jahren regelrecht finanziell ausgeblutet sind. In vielen Bereichen fehlt das Geld, vor allem für das Personal, doch anstelle die Angebote der ambulanten Notfallversorgung zu verbessern, werden die Krankenhäuser komplett geschlossen. Die meisten Schließungen gibt es im ländlichen Raum und es sind eher kleine Krankenhäuser, die aber wohnortnah liegen und schnell erreichbar sind.
Für die Schließung von Kliniken gibt es sogar Geld. Aus dem ersten Krankenhausstrukturfonds (KHSF) der Bundesregierung wurden 34 Krankenhäuser in Deutschland geschlossen. Dazu gehören sowohl komplette Schließungen, bei denen ein Standort vollständig vom Versorgungsnetz genommen wird, als auch Konzentrations- und Umwandlungsvorhaben. An weiteren 24 Klinikstandorten wurden 36 Abteilungen geschlossen, bei fast der Hälfte dieser Abteilungen handelte es sich um gynäkologische Abteilungen und Geburtshilfen.
Im Sommer 2021 bilanzierte die Bundesregierung, dass „der mit dem KHSF verfolgte gesetzgeberische Zweck, die Versorgungsstrukturen anhand von Konzentrationseffekten und des Abbaus von Vorhalteaufwand zu verbessern, grundsätzlich erreicht wurde. Die geförderten Vorhaben haben einen messbaren Beitrag zur Verbesserung der Krankenhausstrukturen geleistet.“
Hier wird wieder deutlich, dass es der Bundesregierung nicht um Daseinsversorgung geht, es geht ihr um den guten Gesundheits- und Pharmawirtschaftsstandort im globalen Wettbewerb.
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Man braucht nicht so weit in die Ferne zu gehen, der Trend zu Fusionen geht auch auf der regionalen Ebene, im beinhartem Konkurrenzkampf weiter, bei dem die großen die kleinen Krankenhäuser schlucken und macht auch nicht vor der Kirchentür Halt.
Zum Beispiel haben sich im Ruhrgebiet die katholischen Kliniken in Dortmund, Castrop-Rauxel, Lünen, Werne, Hamm und Schwerte zur „Kath. St. Paulus Gesellschaft“ zusammengeschlossen. Es ist ein Gesundheitsverbund mit rund 10.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 800 Millionen Euro entstanden.
Nach der Zustimmung des Bundeskartellamtes konnte im Frühjahr 2021 die Mega-Fusion der Krankenhäuser im Ruhrgebiet an den Start gehen. Die Geschäftsführer der vier Partner, Kath. St.-Johannes-Gesellschaft gGmbH Dortmund, Katholische St. Lukas-Gesellschaft mbH Dortmund, Marienkrankenhaus Schwerte gGmbH und das Katholische Klinikum Lünen-Werne GmbH haben die entsprechenden Verträge mit Wirkung zum 1. Juni 2021 unterzeichnet. Begleitet wurde das Ganze von einer begeisterten Presse, die den Zusammenschluss „in seiner Art als einzigartig in ganz Deutschland“ feierte.
Die Zahlen geben dazu auch den entsprechenden Anlass: erwartet wird von der Fusion, ein Jahresumsatz von 800 Millionen Euro, mit 1.100 Medizinern, 3.395 Betten, 37 Fachbereichen, 9.869 Beschäftigten und einer stationären Belegung von 134.790 Menschen in insgesamt 12 Krankenhäusern und fünf weiteren Einrichtungen.
Seitens der Unternehmensberatung, die die Gründung begleitet hat, spricht man von „einer großen Vernetzveranstaltung, die richtungsweisend für Deutschland ist“.
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Das Geschäft mit kranken und alten Menschen lohnt sich, wie IAT-Forscher herausfanden. Es wurden 39 Fonds untersucht, die in der Gesundheitsbranche zuletzt tätig waren. Hier lagen die Renditen bei 18 Prozent. Renditen, die mit öffentlichen Geldern und Leistungen der Sozialversicherungen erwirtschaftet werden. Denn die Kliniken selbst sind für die Finanzakrobaten meist nur Mittel zum Zweck, wobei das Krankenhaus aus regulatorischen Gründen der Träger ist, um am Gesundheitsmarkt zu investieren und medizinische Versorgungszentren betreiben zu können. Ähnlich läuft es bei den Pflegeeinrichtungen ab.
Es gibt drei Methoden, mit denen internationale Investoren lokale und nationale Einrichtungen des Pflege- und Gesundheitswesens ausbeuten können:
1. Methode: Gentrifizierung
Das lukrativste Geschäftsmodell für die Finanzinvestoren ist derzeit die so genannte Gentrifizierung.
Hier wird eine Einrichtung bspw. für 7,5 Millionen Euro vom Finanzinvestor gekauft. Dieser fordert umgehend eine Verdreifachung der Pacht und droht mit der Kündigung. Hier besteht die in diesen Fällen typische Ausgangslage: Auf der einen Seite steht das auf Rendite und Steueroptimierung getrimmte Firmenkonglomerat, deren Vertreter völlig unbekannt sind und auf der anderen die Beschäftigten, die sich für ihre Mitmenschen verantwortlich fühlen.
Damit die Bewohner der Einrichtung nicht auf der Straße landen, einigt man sich gezwungenermaßen auf eine Verdoppelung der Pacht und die Bewohner zahlen mehr Geld für weniger Platz. Dann nutzt der Finanzinvestor die höhere Ertragskraft, um die Immobilie für 15 Millionen Euro an einen weiteren Investor zu verkaufen, der noch einmal eine deutlich höhere Pacht fordert. Für den bisherigen Betreiber der Einrichtung ist spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, dass er aus dem Vertrag raus und eine neue Immobilie suchen muss. In der neuen, kleineren Einrichtung zahlen die Bewohner für die kleineren Zimmer fast das Doppelte mehr.
Das Ganze kann sich immer wiederholen und die Eirichtung wird an weitere Investoren gewinnbringend verkauft.
Es taucht die Frage auf, warum die Einrichtung, die schon bei einem Preis von bspw. 7,5 Millionen Euro nicht rentabel betrieben werden konnte, weit mehr als das doppelte bietet? Die Antwort lautet: Weil es eine globale Oberschicht gibt, die bereit und in der Lage ist, für eine teure Alterswohnung in guter Lage viel Geld zu zahlen. Die Zeche zahlen die Normal- und Geringverdiener, die sich solche Einrichtungen nicht leisten können und um die sich die öffentliche Hand kümmern muss.
Das Geschäftsmodell ist somit recht einfach: Geld bei den Superreichen aufnehmen, Einrichtungen in guten Lagen aufkaufen, umbauen, einen willigen Betreiber finden und scheibchenweise mit Gewinn weiterverkaufen.
Es muss aber nicht immer der Weiterverkauf sein, um satte Gewinne einzufahren. Die Finanzinvestoren erhalten hohe Rendite, wenn sie die gekauften Objekte weiterhin als Einrichtungen betreiben.
2. Methode: Weiterführung
Anders als bei der Gentrifizierung, bei der die Finanzinvestoren die reiche Oberschicht im Blick haben, zielt die Weiterführung der Einrichtungen vor allem auf das Geld des Staates ab. Hier spricht man z.B. im Pflegebereich von gigantischen Summen. Europaweit beteiligen sich die EU-Staaten und Großbritannien, Norwegen und die Schweiz mit jährlich 220 Milliarden Euro an den Pflegekosten, während die Pflegedürftigen selbst noch 60 Milliarden beisteuern. Mit glänzenden Perspektiven, wie die Schätzungen der EU-Kommission ergeben, werden sich die Kosten allein bei der Langzeitpflege bis 2070 von 1,7 auf 3,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts mehr als verdoppeln.
Die Methode Weiterführung der Einrichtung garantiert immer dann Gewinne, wenn der Kauf einer Einrichtungskette mit hohen Schulden finanziert wird, die dann von den einzelnen Einrichtungen übernommen und verzinst werden müssen. Beispielsweise im Pflegebereich werden für die 500 Millionen Euro Schulden, mit denen der Investor den Kauf der Einrichtungen finanziert hat, jährlich 45 Millionen Euro Zinsen fällig, was einem Zinssatz von 9 Prozent entspricht, die dann als Kosten in den Pflegesätzen eingerechnet werden.
In der Regel werden bei Übernahmen der Einrichtungsketten die bestehenden Häuser verkauft und zurück gemietet. Es kommt zu einem enormen Anstieg der Schuldenlast, denn der Cash-Flow fließt in eine Muttergesellschaft, die von einem Offshore-Finanzzentrum aus operiert.
Für die erfolgreiche Weiterführung der Einrichtungen ist auch ihre gute Lage verantwortlich, die den Preis in die Höhe treibt und gleichzeitig erhöht sich die Rentabilität, weil noch massiv bei den Personalkosten gespart wird. Das wiederum erhöht die Gewinnaussicht, falls die Einrichtung doch weiterverkauft werden soll.
Der wichtigste Preistreiber sind auch hier letztlich die guten Lagen, an denen die Einrichtungen stehen. Auch bei den Personalkosten wird regelmäßig gespart. Das erhöht die Chance auf einen satten Gewinn beim Weiterverkauf.
3. Methode: Krankenkassen schröpfen
Die aktuelle Rechtslage erlaubt es, dass finanzkräftige Investoren auch von den Krankenkassen viel Geld holen können. Für das erfolgreiche Geschäft wird erst einmal ein Krankenhaus gekauft, das ist die gesetzlich geregelte Voraussetzung für den Kauf oder die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Dann erfolgt der Aufkauf von Arztpraxen. Diese erworbenen Praxen und die dazugehörigen Arztsitze werden nun dem MVZ als Filiale zugeordnet. So entsteht ein großer Arztpraxen-Konzern, der sich unbeschränkt ausweiten kann. Von der Rechtslage her wäre es sogar theoretisch möglich, dass alle Praxen in Deutschland von ein und demselben Private-Equity-Unternehmen aufgekauft werden könnten.
Besonders viel wirft dieses Modell vor allem dann ab, wenn der Finanzinvestor gleichzeitig noch an Pharma-Unternehmen beteiligt ist und denen er mit seinem Verbundsystem zu einem großen Absatz verhilft. Dabei wird mit harten Bandagen gekämpft und man scheut sich nicht, Inhaber von Arztpraxen und Apotheken zu bestechen, um höhere Absätze der eigenen Medikamente zu garantieren.
Aktuelle Gutachten im Auftrag von Kassenärztlichen Vereinigungen belegen bei der Analyse von Abrechnungsdaten, dass es einen Unterschied von 6,4 Prozentpunkten zwischen Private-Equity-MVZ und dem Durchschnitt aller MVZ gibt. Auch beim Vergleich der Honorarvolumen ergibt sich ein ähnlicher Trend.
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Es ist längst an der Zeit, die zunehmende Privatisierungen und Profitorientierung in allen Versorgungsbereichen des Gesundheitswesens systematisch als Kostenfaktor zu begreifen. Das trifft auf die Mengenausweitungen und Mehrfachbehandlungen ebenso wie bei überzogenen Preisen für Gesundheitsanwendungen, in der stationären ebenso wie in der ambulanten Versorgung zu.
Der zunehmende Gesundheitskapitalismus ist ein wachsendes Kostenmonster, das konsequent eingehegt und letztlich verboten werden muss. Das gilt auch mit Hinblick auf die Diskussion um Ausgabensenkungen der gesetzlichen Krankenkassen.
Vor allem würden die Versicherten davon doppelt profitieren. Einmal als Beitragszahler der Krankenkassen als auch als Patienten: Sie könnten sich dann nämlich darauf verlassen, dass nur medizinische und keine privatwirtschaftlichen Überlegungen die Grundlage ihrer gesundheitlichen Behandlungen bilden.
Übernahme aus gewerkschaftsforum.de, 13. September 2023, mit freundlicher Genehmigung des Autors. (Auf die Wiedergabe der Zwischenüberschriften wurde verzichtet und der Titel gekürzt.)
Schlagwörter: Finanzinvestoren, Gesundheitswesen, Krankenhausreform, Laurenz Nurk