26. Jahrgang | Nummer 18 | 28. August 2023

Antworten

Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin, vermutliches Opfer eines Flugzeugabsturzes – Sie werden das russische Sprichwort gekannt, aber offensichtlich nicht ganz ernst genommen haben: „Wer den Teufel an den Schwanz fasst, den fasst er an die Seele“. Im Deutschen sagt man: „Wer mit dem Teufel zu Tisch geht, braucht einen langen Löffel.“ Ihrer war offensichtlich zu kurz. Neu ist das alles nicht. Auch wenn noch Vieles unklar ist: Selbstherrschern in die Quere zu kommen, war schon immer ein lebensgefährliches Unterfangen. „Onkelchen Wowas“ großes Vorbild Peter I. ließ 1698 rund 1100 aufständische Strelitzen an den Mauern des Moskauer Kremls aufknüpfen. Das dürfte ihren Mannschaften nicht passieren. Wir nehmen an, die gehen an die vorderste Frontlinie in der Ukraine. Wundern würde uns nicht, wenn Sie selbst posthum des Orden des Heiligen Georg verliehen bekommen. Zumindest den in der IV. Klasse. Mit einem tränenreichen Nachruf des Präsidenten wegen der Verdienste um die „Russkij Mir“.

So etwas kennen wir auch aus der deutschen Geschichte. Carl Zuckmayer schrieb über einen solchen Fall das Drama „Des Teufels General“.

Die böhmische Großmutter gebrauchte gern den Satz „Koan Schodn, wo koan Nutzen …“ Der Nutzen in Ihrem Falle? Wer jetzt immer noch glaubt, dass in der Russischen Föderation „normale“ zivilgesellschaftliche Verhältnisse herrschen, dem dürfte nun wahrlich nicht mehr zu helfen sein.

Auf das russische Volk kommen schlimme Zeiten zu …

 

Herbert Baum (FDP), ehemaliger Bundesinnenminister, Jahrgang 1932 – „Die AfD ist die größte Gefahr für unsere Demokratie seit Gründung der Bundesrepublik vor 74 Jahren“, warnten Sie jetzt in einem Gespräch mit der dpa. Sie stellen fest, dass sich nicht nur unser Land – wackere Linke werden zusammenzucken und tapfer gegenhalten: „Das ist nicht unser Land!“ –, … dass sich unser Land, wie die Welt überhaupt, in einer globalen Vertrauenskrise befände, wie Sie es zeitlebens noch nie erlebt hätten. Irritiert sind Sie vom weit verbreiteten Schweigen der politischen Elite unseres Landes angesichts der fürchterlichen – wir meinen, sehr klaren … – Töne, die vom Magdeburger AfD-Parteitag zu vernehmen waren. Viel mehr meinungsbildende Persönlichkeiten müssten Farbe bekennen – Politiker, Intellektuelle, Künstler, Unternehmer und Bischöfe … Das erfordert ein wenig Mut, natürlich. Aber das ist nichts gegen den Mut, den viele werden aufbringen müssen, wenn es eines Tages ihnen allen an die persönliche Freiheit, ja das eigene Leben gehen wird.
Verehrter Herbert Baum, wir wünschen Ihrer Warnung eine möglichst weite Verbreitung!

Eine Fehlstelle in Ihren Zornesausbruch stößt uns allerdings bitter auf: Sie verlieren keine Wort darüber, dass der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der AfD nicht zuletzt einer vollkommenen Verluderung der politischen Kultur unseres Landes durch die Täter- respektive Nicht-Täterschaft der anderen Parteien von links bis rechts geschuldet ist. Die FDP trägt ihr Scherflein dazu bei.

 

Brigitte B., Blättchen-Leserin a.D. aus Aachen – Sie teilten uns dieser Tage mit, dass Sie unsere Zeitschrift abbestellen, da wir mit der Tradition Jacobsohns, Tucholskys und Ossietzkys „rein gar nichts mehr zu tun“ hätten. Vor allem missfällt Ihnen „die fatale Einstellung etlicher Autoren zum Ukraine-Russland-Krieg, wie ausgerechnet Schreiberlinge der Rosa-Luxemburg-Stiftung“ [? – d. Red.]. Immerhin erklären Sie sich etwas genauer, wir wollen das unseren Lesern nicht vorenthalten. Ungern setzten wir uns Zensurvorwürfen aus: „Putins Einmarsch in die Ukraine war NICHT völkerrechtswidrig, wie es allgemeinhin unhinterfragt kolportiert wird, es handelte sich vielmehr um Maßnahmen in Ausübung des Selbstverteidigungsrechts Russlands, die in keiner Weise die auf der Charta der Vereinten Nationen, Kapitel VII, beruhende Befugnis und Pflicht Russlands berühren, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die Russland zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält. Folglich ist der Einmarsch der russischen Armee legal […]“. Das ist toll und toppt selbst die argumentatorischen Verrenkungen des russischen Außenministeriums. Noch nicht einmal Sergei Lawrow käme auf die Idee zu behaupten, die ukrainische Armee habe kurz vor dem Einfall in Russland gestanden und Moskau besetzen wollen.

Wir bedauern den Verlust einer jeden Leserin und eines jeden Lesers zutiefst, auch wenn wir natürlich nicht immer mit jeder und jedem einer Meinung sein können und wollen. Wie umgekehrt auch. Die Blättchen-„Gemeinde“ eint immerhin ein humanitäres Grundverständnis. Und uns alle eint die Sorge um die Zukunft dieses Planeten. Und bei aller Berechtigung Ihrer Vorwürfe an die Adresse der NATO und der USA: „Wenn ein großes Land ein kleines überfällt, ist es Mord …“, sagt Erich Fried. Das mögen Sie für eine „fatale Einstellung“ halten. Wir nicht, das trennt uns.

 

Olaf Scholz, der mit der Richtlinienkompetenz – Angesichts des – um nicht gleich von Affenzirkus zu sprechen – teils absurden Theaters, das Sie Ihr Regierungsteam um solche Themen wie Energie- und Verkehrswende, Erdgasversorgung, Heizungsgesetz oder Kindergrundsicherung weitgehend eingriffsfrei bereits haben aufführen lassen oder im Hickhack mit der Außenministerin um die Nationale Sicherheitsstrategie des Landes gleich selbst mitveranstalteten, war es nur eine Frage der Zeit, dass Sie auf Ihre augenscheinliche Führungsschwäche angesprochen werden. Theo Koll hat dies jetzt im ZDF-Sommerinterview getan, und Ihre Antwort war ein 120-prozentiger Scholz: „Die Diagnose ist unzutreffend.“

Na Gott sei Dank! Denn wo Schwäche ist, kann diese zwar in der Regel durch Nahrungsergänzungsmittel, Sport, mentale Konditionierung oder anderweitige Maßnahmen verringert werden. Doch wie man weiß: Das klappt nicht immer …

 

Volker Stanzel, Ex-Botschafter in China und Tokio sowie „einer der profiliertesten deutschen Außenpolitiker […] und ehemalige[r] Sozialdemokrat“ (Berliner Zeitung) – Fachleute wie Sie erklären uns heute mantraartig den „Fehlschlag der Russland-Politik“: „Wir, ich auch, haben alte, seinerzeit erfolgreiche Strategien der Ostpolitik weiterverfolgt, die die neue Realität in Russland ausgeblendet haben. Bei dem berühmten NATO-Gipfel in Bukarest […] haben wir enorme Rücksicht auf Russland genommen.“ Solcher „Selbstbetrug“ habe „schließlich zum russischen Angriffskrieg geführt“.

Die Ostpolitik von Brandt und Bahr war deshalb erfolgreich, weil sie die damalige Sowjetunion nahm, wie sie war – wer den Status quo verändern will, muss ihn als Realität erst einmal anerkennen – und weil sie deren Sicherheitsinteressen nicht ignorierte oder gar negierte, sondern als gleichberechtigt anerkannte. Das führte zu Wandel durch Annäherung und schließlich zur Überwindung des kommunistischen Regimes.

„Bei dem berühmten NATO-Gipfel in Bukarest“ im Jahre 2008 hingegen wurde trotz dringlicher russischer Warnung (Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007) beschlossen: „Die NATO begrüßt die euro-atlantischen Bestrebungen der Ukraine und Georgiens, der NATO beizutreten. Wir haben heute vereinbart, dass diese Länder Mitglieder der NATO werden.“

Dies jetzt zur „enorme[n] Rücksicht auf Russland“ umzuetikettieren zeigt wirklich ein kaum mehr zu toppendes Maß an Chuzpe und nicht zuletzt: Experten wie Sie sind wahrscheinlich nicht Teil der Lösung, aber ganz bestimmt Mitverursacher des Problems.

 

Robert De Niro, auf ewig der Besten einer – Ihren ersten Oscar als Bester Nebendarsteller hatten Sie bereits für „Der Pate II“ (1974, Regie: Francis Ford Coppola) bekommen. Doch in den 15 Jahren zwischen 1976 („Taxi Driver“, Regie: Martin Scorsese) und 1991 („Cap Fear“, Regie: Martin Scorsese) waren Sie nicht nur der beste US-amerikanische Schauspieler Ihrer Generation, sondern der wahrscheinlich beste weltweit. Das waren die Jahre solcher Filme wie „1900“ (1976, Regie: Bernardo Bertolucci), „Die durch die Hölle gehen“ (1978, Regie: Michael Cimino), „Wie ein wilder Stier“ (1980, Regie: Martin Scoseses), „Es war einmal in Amerika“ (1984, Regie: Sergio Leone), „Die Unbestechlichen“ (1987, Regie: Brian De Plama), „Zeit des Erwachens“ (1990, Regie: Penny Mashall), „Stanley & Iris“ (1990, Regie: Martin Ritt) sowie „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ (1990, Regie: Martin Scoseses). Dass es bei insgesamt lediglich zwei Oscars geblieben ist, gehört zu den unergründlichen Mysterien der vergebenden American Academy.

Danach kam mit Ihnen viel Belangloses, nicht zuletzt Seichtes auf die Leinwand. Doch das Leben hat ja auch noch anderes zu bieten: Gerade sind Sie zum siebten Male Vater geworden. Und für die eine oder andere große Altersrolle, die es mit Ihren goldenen Jahren aufnehmen kann oder zumindest daran erinnert, wird es vielleicht ebenfalls noch reichen. Wie schon 2019 für „The Irishman“ (Regie: Martin Scorsese).

Jetzt sind Sie 80 geworden.

Wir ziehen den Hut und neigen das Haupt.

 

Otto Waalkes, Ostfriese – Der WDR warnt inzwischen vor den gefahren in Sendungen mit Ihnen, die er selber ausstrahlt. Das wäre ja schon genug Satire an sich. Wir lassen jetzt einmal die grenzenlose Überheblichkeit des Senders seinen eigenen Zuschauern gegenüber beiseite – für wie dämlich halten diese Leute uns eigentlich? Sie selbst meinen, es gebe nur wenige Witze, die ganz ohne Opfer auskämen. „Wer das dann immer gleich als rassistisch bezeichnet, verharmlost den echten Rassismus. Das halte ich für gefährlich.“ Wir auch.

 

Michael Wolski, Geschichtskenner – Nach der Lektüre von Anja Reichs Interview mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in unserer Ausgabe 17/2023 schrieben Sie uns, „dass nicht Walter Ulbricht den Beschluss zum Mauerbau fasste, sondern als Auftragnehmer von Chruschtschow handelte – auch wenn Ilko-Sascha Kowalczuk ihn 3 x im Text Mauerbauer und einmal Terrorist nennt wird das nicht wahrer“.

Wir hatten Ihnen vorgeschlagen, Ihren Einwand im FORUM dieses Blattes allen Lesern zugänglich zu machen. Darauf verzichteten Sie. Allerdings, so war zu vernehmen, sind Sie gespannt, ob wir Ihre Anmerkung abdrucken werden… Wie Sie sehen, ist das soeben geschehen.