Als ich ein Kind war,
glaubte ich, alles,
was ich liebe, liebte
auch mich, und ich
liebte fast alles, sogar
unter den Menschen
die meisten. So
wurde ich fröhlich,
wurde ich einsam. Ich
liebte mein Spielzeug, es
tat sich mir auf, still wie
der Himmel am Abend, der
wolkenlose, in dem ich nicht
aufstieg oder versank, aber
schwebte, und auch in mir
schwebte etwas, das traf
kein Schlag, kein Geschrei.
Auch die Worte, die un-
endlich vielen, schwebten,
den Küssen nah, den Schlägen,
doch ungeküsst, ungeschlagen,
unverwundbar auf dem weißen
Papier. So begann ich zu
schreiben, begann ich zu
lächeln.
Ach, meine müde Liebe.
Zerbrochenes Spielzeug.
Brennende Haut, die Lippen
aufgesprungen, blutige Knospen.
Wer mich nicht liebt, liebt
vielleicht andere. Wer leidet,
soll nicht leiden an mir. Was
mir nicht antworten kann, ist
selbst die Antwort, wenn es sich
auftut und ich finde die Wörter
dafür und das Lächeln im
Vorübergehen. Längst sind die
Jahre der Tollheit gelebt, die sich
in Sieg und Niederlage teilen
ließen. Aber geliebt all die
Jahre hindurch habe ich,
wurde ich. In den Zeiten der
Nüchternheit, in denen ich
nicht mehr wußte, wie das Leben
schmeckt, und in denen mit dem
Geruch bitterer Mandeln, in denen
mein Gedächtnis sich vermischte
mit fremden Erinnerungen, die sich
auftaten, kein Spielzeug, vergilbt
aber nicht verloren, weniger
brüchig als das Papier.
Ich liebte nicht, was war, ich
liebte, was ich zum Lieben
brauchte. Das ist auch, was
bleibt, wenn alles andere
sich zurückzieht allmählich
hinter die Bücher, Kartons,
hinter Regale, Wände, die
Städte, Dörfer und Länder.
Dann nimmt es die Form an
meines beinahe runden Planeten,
die Form der Liebe ohne Hoffnung
auf Perfektion, der Wörter mit
verschwimmenden Farben, un-
gewissen Konturen, flüchtig wie
ein Lächeln, plötzlich am Tag,
irgendwann, und ich weiß nicht,
woher.
April 2023
Schlagwörter: Henry-Martin Klemt