Das Liebhabertheater Schloss Kochberg, in der Nähe von Rudolstadt gelegen, hat die Saison eröffnet. Der Mai verschwendet seine Gaben. Im Schlossgewässer lachen die Fische, und der Park schwenkt grüne Fahnen. Das Publikum führt in der warmen Nachmittagssonne erstmals die leichte Frühjahrsgarderobe aus, plaudert, flaniert auf den Parkwegen und blickt erwartungsvoll nach der noch geschlossenen Pforte des Musentempels. Endlich, nach schwierigen Tagen, wird wieder auf erlesene Weise musiziert und dem Schauspiel, der Kammeroper und der Lesung gehuldigt.
„Lebenskunst“ – das Thema begleitet den diesjährigen Theatersommer. Es konnte nicht glücklicher gewählt sein. Ermutigend, ermunternd, erfrischend kündigen sich die Veranstaltungen an. Folgerichtig übernimmt das Thüringer Bach Collegium im Eröffnungskonzert ein festlich-heiteres Vorspiel, ohne Heiterkeit – keine Lebenskunst. Locatelli, Vivaldi, Telemann und Johann Ernst IV. Herzog von Sachsen-Weimar stehen dafür. Vor allem aber Pietro Antonio Locatelli aus Bergamo (1695-1764). Der Begabte erfährt frühzeitig eine Förderung und wird zur weiteren musikalischen Ausbildung nach Rom geschickt. Er beginnt zu komponieren. Es folgen Reisen durch Italien und Deutschland. Die Violinkonzerte aus der eigenen Feder begründen Ruf und Ruhm, und sein meisterliches Spiel erfährt hohes Lob. Man nennt ihn später im Rückblick den „Paganini des 18. Jahrhunderts“.
Amsterdam, die reiche, der Kunst geneigte Stadt, nimmt den inzwischen Berühmten auf. Er macht sie zur Wahlheimat. Getragen vom Wohlwollen musikliebender, betuchter Bürger und geschätzt ob seiner glanzvollen im barocken Stil verfassten Kompositionen, bleibt Pietro Antonio Locatelli bis zum irdischen Abschied in Amsterdam.
Die Plätze sind gefüllt, die Instrumente gestimmt. Das Thüringer Bach Collegium ist in Locatelli verliebt – und nach wenigen Takten auch die Besucherschar. Aus den zwei „Introduttioni teatrali“, Op. 4/1 und Op. 4/3, sprüht pure Lebensfreude. Geschwinde verlocken sie zum Tanzen, Singen oder gar verhalten zum Mitsummen, wenn sich einprägsame Melodien wiederholen. Jeweils aus drei Sätzen bestehend, in denen Tempi und Gefühle wechseln; von Allegro, zur Einführung bis Presto, in quirligem Wirbel. – Die beiden Concerti grossi, Op. 4/7 und Op. 4/8, überbieten sich in lebensfrohen Klangbildern. Hin und wieder schwebt leise Melancholie darüber. Sie wird durch heitere Partien aufgelöst. Im Opus 4/8, „A Imitazione de Corni da Caccia“, ist das Jagdfieber deutlich zu spüren und Hörnerblasen vernehmbar. Waren da nicht auch Flintenschüsse und Hundegebell?
Herausragend und mit Superlativen belegt, erklingt Georg Philipp Telemanns „Fantasia“, TWV 40, Konzert für Geige solo; von Gernot Süßmuth, Solovioline und Leitung des Thüringer Bach Collegiums, mit hoher Virtuosität empfindsam und feinfühlend dargeboten.
Antonio Vivaldi und sein Konzert für Streicher g-Moll, RV 15, – ruhig, schreitend und munter voran – an dem Schwung möchte man gern teilhaben.
Diese lustvolle Lebendigkeit übernahm Johann Ernst IV., Herzog von Sachsen-Weimar (1696-1715). Er brachte sie aus Italien mit und verlieh sie seinen Kompositionen. Verdientermaßen erhielt er den ehrenvollen Beinamen „Vivaldi von der Ilm“. Der talentierte junge Mann verstarb bereits im 19. Lebensjahr. In dieser kurzen Zeit entstanden etwa 19 Instrumentalkonzerte. Respekt. Opus 1/3, Violinkonzert e-Moll widerspiegelt die Klangfülle, mit der sich der komponierende Herzog umgab.
An diesem Tag mutierte das sommerüberspannende Thema „Lebenskunst“ zu „Lebensfreude“. Es musizierten: Gernot Süßmuth, Solovioline; Raphael Hevicke, Solovioline II; Dagmar Spengler-Süßmuth, Violoncello, und Christian Stötzner, Cembalo. Der Beifall wollte nicht enden.
Beschwingt, als hätten sie einen Wiener Walzer gehört, gingen die Gäste ihrer Wege.
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