26. Jahrgang | Nummer 8 | 10. April

Antworten

 

Wladimir Putin, Kriegsherr – Ein gewichtiges Motiv Ihrer Politik schon vor Februar 2022, so heißt es, war das Bemühen, die NATO von der Westgrenze Russlands fernzuhalten. Dem von Ihnen befehligten Überfall auf die Ukraine haben Sie zu verdanken, dass nun etwa 1.500 km gemeinsamer Grenze Russlands mit der NATO (Finnland) in einem einmalig schnellen Verfahren hinzugekommen sind. Wir weisen ungebeten darauf hin, dass die allermeisten ursprünglichen Kriegsziele an der Realität scheitern, da man fast immer vergessen hat, dass die jeweils andere Seite sich anders verhält, als man geplant hat. Wir wären dafür, diese Frage nicht weiter zu testen, sondern die Waffen ruhen zu lassen, sich zurückzuziehen und eine dauerhafte Friedensordnung auszuhandeln, wenn Sie wollen, dann an einem sieben Meter langen Tisch.

 

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister – Eben aus Kiew zurückgekehrt, wo Sie den klimaneutralen Wiederaufbau besprechen wollten, wahrscheinlich eine aktuelle Hauptsorge der Betroffenen und Opfer, da erklären Sie, eine in Deutschland gewiss anerkannte Haltung, weiter darauf achten zu wollen, dass Deutschland keine Kriegspartei werde. Das machen Sie daran fest, dass keine Bundeswehrsoldaten in der Ukraine eingesetzt werden sollten. Wir bemerken, dass diese Grenze vor kurzem enger gezogen wurde, erst der Nichteinsatz schwerer Waffen und dann von Kampfjets war. Wir glauben, dass Sie wissen, dass man die Frage, ob man Kriegspartei ist oder nicht, nicht in akademischen Heimatzirkeln, im Kanzleramt oder in Interviews allein lösen kann, da die andere Seite sie anders beantworten könnte, als man es selbst tut und erhofft. Darin liegt die Gefahr einer zunehmend instabilen Lage und der Sinn von Friedensappellen, die man weder senil noch zynisch nennen darf.

 

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister – Sie werden in der WELT mit der Sorge zitiert, die USA könnten sich nach 2024 aus Europa und der NATO deutlich zurückziehen, sodass sich die EU und auch Deutschland darauf vorbereiten müssten, die verlorenen Kapazitäten zu ersetzen. Sie erwähnen in diesem Zusammenhang, dass Deutschland sich im Indopazifik engagieren müsse und planten „für das kommende Jahr eine weitere Präsenzfahrt unserer Marine in die Region”. Was sollen die Matrosen dort anderes tun als Boot fahren? Glauben Sie, dass jemand diese Schiffe bemerken wird oder gar, dass die Bundesrepublik auf China auf diese Weise Einfluss nehmen kann? Wollen Sie unsere Sicherheit wie am Hindukusch nun im Indopazifik verteidigen? Vielleicht können Sie die Kosten für diese Ausfahrt einfach sparen? Vor einer gewissen Zeit hieß das Ziel der internationalen, besonders der europäischen, Politik Entspannung, heute, so erscheint es, glaubt man Frieden und Ausgleich durch vermehrte Spannung erreichen zu können. Sie sehen uns verwundert.

 

Frank Berberich, Redaktionsleiter Lettre International – Sie leiten eine wunderbare Zeitschrift. Sie haben vor dem Landgericht Berlin im Februar mit einer Klage erreicht, dass die Zeitschrift SINN und FORM, herausgegeben von der Akademie der Künste, wegen finanzieller Unterstützung nicht mehr erscheinen kann, und erklären Ihren Abonnenten in einer e-Mail zur Ankündigung von Heft 141 „unser juristisches Vorgehen ist ohne praktikable Alternative”. Wir möchten dieser Auffassung sanft widersprechen. Sie beklagen ebenda „Die subventionierte Zeitschrift kann attraktive Honorare zahlen und operiert mit Verkaufspreisen unter ihren Herstellungskosten, der nichtsubventionierte Titel operiert gezwungenermaßen auf niedrigstem ökonomischen Niveau”. Wir verstehen diese Bemerkung. Das Blättchen musste 2009 das Papierformat aufgeben erscheint nur noch online, und nur dank zahlreicher Autoren und Leser, die sich nicht am Markt orientieren. Glauben Sie aber ernsthaft, dass die (manchmal angeblich) schwächeren Journale die vermeintlich besser gestellten verklagen sollten? Glauben Sie wirklich, Sie erreichten irgendetwas Anderes als die Beschädigung der Kultur durch die Kultur selbst? Sind Sie morgen vielleicht gern der Retter jener 200 Autoren, die angeblich in den Lettre ebenso wie in Sinn und Form schrieben? Hätten Sie doch versucht, Geld für sich zu erstreiten, statt den Richter zu spielen. Dann wären den Lettre die von Ihnen geschmähten „Gerechten“ vielleicht gewogener bzw. nicht abhanden gekommen. Kultur ist kein Kreuzzug, sie erfordert Respekt für alle, die sich ihr widmen. Wir reden hier nicht einmal von der einmaligen Historie von SINN und FORM, die Ihrem marktorientierten Verdikt womöglich entgangen ist.

 

Mario Czaja, Ossi und CDU-Aufsteiger – Warum CDU-Chef Friedrich Merz Sie zu seinem Generalsekretär gemacht hat, darüber rätseln manche immer noch. Denn viel zuzutrauen scheint Merz Ihnen ja nicht. Das „Aufgabenprofil“ Ihrer Vorgänger im Amte beschrieb DER SPIEGEL gerade folgendermaßen: „Programm und Poltern. Ein Generalsekretär horcht in die Basis hinein, erarbeitet Inhalte und greift den politischen Gegner an.“ In Ihrem Fall allerdings ist das ganz anders. Den Hut fürs neue CDU-Programm hat Merz Carsten Linnemann aufgesetzt, Wessi aus derselben Region wie Merz. Sie sind komplett außen vor. Und das Poltern, das, so meinen Insider, Ihr Ding eh nicht sei, hat Merz gleich selbst übernommen – etwa durch Wettern gegen ukrainischen „Sozialtourismus“ und nahoststämmige „kleine Paschas“. Sie dürfen dann hinterher allenfalls schon mal aufräumen und die Wogen wieder glätten. Sind Sie also doch bloß der Quoten-Ossi, den man – wegen dringend gebotener CDU-Imagepflege in Neufünfland – zwar entgegen der üblichen Praxis eins hochrutschen lässt, aber vorsichtshalber an die ganz kurze Leine legt, damit er nicht schon wieder Schaden anrichten kann? Zu verdenken wäre das dem tonangebenden Westestablishment der Union ja nicht wirklich. Einen Fehler wie den mit der weiland erst Generalsekretärin und hernach Kanzlerin Angela Merkel begeht man bei Strafe des dann womöglich finalen eigenen Untergangs einfach kein zweites Mal …