Merkwürdig, die Dresdner Malerin Angela Hampel hat schon seit den 1980er Jahren im Osten wie im Westen Deutschlands, im Ausland, vor allem in den USA, ihre Werke gezeigt, doch in ihrer Heimatstadt Dresden findet jetzt erst eine große museale Werkschau statt. In der Städtischen Galerie Dresden werden ihre Arbeiten von den 1980er Jahren bis heute präsentiert – Malerei, Zeichnungen, Druckgrafik, Künstlerbücher, aber auch Installationen. Ja, Angela Hampel ist von der Fläche auch in den Raum vorgedrungen, sie hat selbst Keramik, Skulpturen und – meist mit Bernd Fischer – eben auch Installationen, wie überhaupt Arbeiten im öffentlichen Raum geschaffen.
Das ist keine Malerei des ästhetischen Farbensinns, auch kein sachlich kühler Detailrealismus, sondern die Arbeiten dieser Künstlerin schocken und faszinieren den Betrachter nach wie vor durch die expressive, pop- und punkhafte Aggressivität ihrer Farben wie ihrer Themen. Die appellartige Bildwirkung ergibt sich gerade durch die Steigerung der Farbe, die Betonung ihres Symbol- und Ausdruckswertes, verbunden mit der Kraft der Konturen, den übereinandergelegten Farbschichten, dem jähen Wechsel von warmen und kalten Tönen – jede Harmonie-Vorstellung soll verhindert werden. Farbe und innere Verfassung der Künstlerin – und damit auch des Betrachters – sind eng aufeinander bezogen. Rote Farbe strömt wie Blut aus einer imaginären Wunde, Blau setzt beruhigende Akzente, Gelb kann zweideutig sein, Ausdruck des Eifernden wie des Gleisnerischen, Hochmütigen … Durch die extreme Flächigkeit ihrer Farbbehandlung rückt die Künstlerin ihr Sujet in die vorderste Bildebene, drängt es dem Betrachter geradezu auf.
Der Rückgriff auf immer wieder dieselben Themen, besser: dasselbe Thema, allerdings in der Vielfalt seiner Gestaltung – das der Verwundbarkeit und Gefährdung des Menschen, der Macht und Ohnmacht der Frau – ist von erstaunlicher Konsequenz. Was sich innerhalb des Themas ändert, ist lediglich die Art der Behandlung. Die Frau in ihrer Körpersprache, mit kahlgeschorenem Kopf, wehendem Haar oder exzentrischer Punkfrisur, mit exotischen Accessoires, androgyne Züge tragend, als Halb- und Ganzakt, als Paar, zu dritt, Mann und Frau in der Liebesvereinigung, der Mensch und das Tier, Mischwesen wie Gehörnte, Figuren im Federkleid, Menschen in engem Miteinander mit Schlangen und Fischen – Angela Hampel greift hier symbolische Körperhaltungen auf: gestalthafte Sinnbilder der Selbstbehauptung, der Verlassenheit, Bedrückung und Angst, aber auch Gegenbilder der Hochmut, Arroganz und Gewalttätigkeit. Auf der Suche nach menschlichen Schicksalen findet sie mitunter tüncheartig geschminkte Colombinen, Schaufensterpuppen vergleichbar, die an Gestaltungen der Pittura metafisica und im Surrealismus erinnern. Expressive Gestik und statuarische Haltung gehen ineinander über. Fleckige Farbe (so etwa Flecken auf den Körpern wie an einem Raubtierfell) führt zur psychologischen Differenzierung, zum Aufreißen von Widersprüchen und Konflikten – vom Rollenspiel bis zur Identitätsfindung. Trotz allem Exzentrischen ist zugleich etwas düster Gequältes in diesen Bildern, der Raum ist schwer gefüllt, trächtig von Formen, die einander zu beklemmen scheinen. Eng gerahmte Halbfiguren sind ein bevorzugtes Motiv.
Angela Hampel, die seit den 1990er Jahren auch eine passionierte Bergsteigerin ist (das Gemälde „Matterhorn“, 1999, weist darauf hin), hat bei Vermeidung jedes erzählerischen Aspekts Figurenbeziehungen, körperlich-psychische Zustände mit äußerster Wahrhaftigkeit gegen sich selbst dargestellt. Sie sieht sich selbst in den Figuren, in der geschundenen Kreatur wie im gleisnerischen Hochmut der Selbstgerechten. Hinter der herablaufenden Schminke wie der undurchdringlichen Maske kann man auch menschliche Hilf- und Ratlosigkeit entdecken.
Das Suchen und Ringen nach Selbstausdruck im Kunstwerk sind auch dort spürbar, wo mitunter der Eindruck bestehen könnte, die Künstlerin male zu sehr nach einem Programm, anstatt sich von unabsichtlich gesetzten Zeichen stärker anregen zu lassen. Mythologische und literarische Metaphern (Kassandra, Penthesilea, Judith, Medea, Salome, Die Schöne und das Tier) geraten mitunter fast ins Exhibitionelle, Verkürzungen stellen sich dann zwangsläufig ein. Nachdem sie „Kassandra“ von Christa Wolf illustriert hatte, wurde diese trojanische Seherin für sie zur Schlüsselfigur, die den Frauen ihre Sprache wiedergegeben hat. Die mythologische Außenseiterin Penthesilea erhob sie zur Identifikationsfigur für nicht angepasste Weiblichkeit, als Symbol für geschlechtsübergreifende Rebellion.
Gegenüber den malerischen Effekten behaupten sich dann gerade in den von Egon Schiele angeregten Zeichnungen zeichnerisch-präzise Einzellinien und Linienbündel. Unversehens wechseln die Rollen und Bedeutungen: Die Frau verwandelt sich ebenso in eine Täterin wie in ein Opfer, sie ist Liebende wie Geliebte, Beteiligte wie Unbeteiligte am Geschehen. Sie ist Mensch wie Tier, Tier-Frau wie Frau-Tier. Ist das Spiel, ist das tödlicher Kampf? Beide, Mensch wie Wolf, handeln aus gleicher kreatürlicher Bedrängnis. Dann wieder ist die Spannung der Form in eine Ruhe gebracht, „Frau mit Kuh“, „Frau mit Gepard“ (der in den meisten Lebensräumen bedrohte Gepard ist für Menschen nicht gefährlich) voller Eintracht, der Mensch beschützt das Tier, das Tier den Menschen. So leben die Kompositionen aus der Kontrapunktik von statuarischer Ruhe und stürzender Bewegung. Farben und Formen stützen und steigern das Grundthema, die kühlen wie die komplementären Kontraste, die Kantigkeit und Weichheit der Formen.
Erschütternd ihr Selbstbildnis (Mischtechnik auf Papier, 2011), als Akt – der nackte Frauenkörper evoziert eine besondere Verletzlichkeit –, schreckerfüllt die Augen, die etwas Furchtbares erlebt haben müssen, sie lassen einen nicht wieder los.
Angela Hampel versteht Malen als Abarbeiten von Konflikten und Widersprüchen, keine Fragen lösend oder gar Antworten gebend, sondern immer wieder neue Fragen aufwerfend – an den Betrachter wie an sich selbst.
Angela Hampel – Das künstlerische Werk. Städtische Galerie Dresden, bis 9. September 2022. Katalog 35,00 Euro.
Schlagwörter: Angela Hampel, Klaus Hammer