25. Jahrgang | Nummer 7 | 28. März 2022

Antworten

Wladimir Putin, Kriegsherr – Im Gegensatz zu anderen Despoten bevorzugen Sie richtunggebende Ansprachen vor kleinerem Kreis. Am 17. März trimmten Sie, wie internationale Nachrichtenagenturen meldeten, die eigene Regierung auf Linie und sprachen prophetische Worte an tatsächliche und vermeintliche Abweichler: „Das russische Volk wird diese Verräter einfach ausspucken wie eine Fliege, die versehentlich in seinen Mund geflogen ist. Eine solche natürliche und notwendige Selbstreinigung der Gesellschaft wird unser Land nur stärken […].“

Da kriegen wir doch Déjà-vu … Wo haben wir doch, in drei Teufels Namen, so etwas schon mal gelesen, respektive gehört? Ach ja, dieser Ton findet sich in den „Gerichtsreden“ Andrei Januarjewitsch Wyschinskis. Der war einige Jahre der Reinigungsfachmann Josef Stalins. In Deutschland hatten wir so einen auch: Roland Freisler.

Wollten Sie nicht entnazifizieren?

Gerhard Schröder, Watschenmann aus Hannover – Ein gewisser Belit Onay hat Ihnen einen Brief geschrieben. Belit Onay werden viele nicht kennen. Er ist mit dem Ticket der Grünen Oberbürgermeister von Hannover. Onay teilte Ihnen am 11. März mit, dass der Rat der Hannover Ihnen die Ehrenbürgerwürde – Sie waren einige Jahre Bundeskanzler – entziehen solle. Ihre Antwort vom 15. März besteht de facto aus einem Satz: „Ich verzichte unwiderruflich auf die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hannover.“
Das zeugt von Charakter.

Ganna-Maria Braungardt, Übersetzerin – Ein anonym bleiben wollender Leser machte uns darauf aufmerksam, dass wir Ihre Übersetzungsleistung des Textes „Schmerz, Angst und Scham“ von Ljudmila Ulitzkaja (Das Blättchen 6/2022) unhöflicherweise nicht namentlich gewürdigt hätten. Es war unsererseits keine Unhöflichkeit, wir haben den Text 1:1 so übernommen, wie er uns vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Unser Leser hat Ihren Namen herausgefunden – wir nennen ihn an dieser Stelle sehr gern und entschuldigen uns für diesen, der Unwissenheit geschuldeten Fehler. Wir schätzen die Leistungen von Übersetzerinnen und Übersetzern sehr!

David Paul (CDU), ganz Eifriger aus Pankow – Noch Anfang Februar stellten Sie sich schützend, rein symbolisch natürlich per Presseerklärung, vor das Ernst-Thälmann-Denkmal im Prenzlauer Berg in Berlin und verlangten die unverzügliche Beseitigung „illegaler Schmierereien“. Jetzt gehen Sie einen großen Schritt weiter und wollen die Beseitigung des Objektes allen Übels, des Denkmals selbst. Man solle es einschmelzen, die Bronze verkaufen und den Erlös der Ukraine spenden. Die Begründung ist von der üblichen Schlichtheit geprägt: Es sei „ein Denkmal, das gegen unsere Werte spricht, das gegen die Demokratie ist“. So äußerten Sie sich vor wenigen Tagen im Rundfunk. Ein paar Tage vorher erzählten sie noch etwas von Thälmann, dem Kommunisten. Thomas Mann bezeichnete einst den Antikommunismus als „Grundtorheit unserer Epoche“. Sie lieferten mal wieder einen kleinen Beweis für diese umstrittene These.

Bronzedenkmale klingen zumeist hohl, wenn man dranklopft. Das soll es auch bei Köpfen geben.

Ronja Maltzahn, Sängerin mit falscher Frisur – Nein, eine Perücke ist damit nicht gemeint, Sie mögen gedrehte Locken. Dreadlocks. Und das geht gar nicht, meint „Fridays for Future Hannover“ (FFF), und sagte ihren Auftritt auf einer Kundgebung in der vergangenen Woche ab. Es sei denn, sie schnitten sich vorher die Haare ab, da Trägerinnen von Dreadlocks „sich einen Teil einer anderen Kultur aneigneten, ohne die systematische Unterdrückung dahinter zu erleben.“ Zudem bestehe die Gefahr, dass „das Auftreten einer weißen Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne für BiPoC’s den Eindruck erwecken kann, dass diese Bewegung für sie keinen Safer Space darstellt“.

Wow, das sitzt! Nicht gewaltbereite Rassisten, vollgesoffene Schlägertypen und Nazis sind für die „BiPoC’s (Schwarze, indigene und People of Color)“ – so die FFF-Definition – gefährlich. Leute wie Sie sind es, die mit den falsch geföhnten Haaren! Darauf muss man erst mal kommen. Sie, die Angegriffene, haben ja schon zerknirscht um Frieden gebeten. Das ist lauter. Aber nun lassen Sie sich bloß nicht noch einen Kurzhaarschnitt verpassen.

Peter Walschburger, Psychologieprofessor – Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist Sonnenblumenöl aus den Regalen unserer Kaufhallen weitgehend verschwunden. Das ist nicht dem Sachverhalt geschuldet, dass das meiste davon aus Russland und der Ukraine kommt. Der deswegen zu gewärtigende Mangel dürfte noch ein paar Tage auf sich warten lassen. Die aktuelle Ursache ist viel profaner: die Leute – hamstern. „Speiseöl ist das neue Klopapier“, wusste eine Berliner Gazette zu titeln. Und Sie erklären uns, warum. Existenziell seien die Ängste vieler Menschen, und wer überdies Institutionen und ihren Erklärungen misstraue, der sei anfällig für das Hamstern. Weil: Es helfe gegen das Gefühl von Ohnmacht angesichts einer komplexen Bedrohung.

Doch Sie wären nicht Experte, hätten Sie nicht auch Abhilfe zur Hand: „Es gibt jetzt allerdings andere Handlungsoptionen, wie die Teilnahme an Demonstrationen gegen den Krieg.“

Verstehen wir richtig?
Wer sich beim Griff nach der zweiten Flasche Speiseöl ertappt, soll ab sofort gefälligst schamschockiert zurückzucken und stracks zur nächsten Demo sprinten?

Wenn aber gerade keine in Sicht ist?

Selbst eine ausrufen?
Das dauert: Demos müssen 48 Stunden vorher angemeldet werden.

Alternative?

Wir hätten diese: Rasch zurück nach Hause und dann strammer Protestmarsch in den eigenen vier Wänden!