Als er kam zu dieser Stelle:
„Friede sei ihr erst’ Geläut’“,
Äußerte der Altgeselle:
„Meister, Ihr seid zu zerstreut!
Fertig, glaubtet Ihr,
War’ die Glocke hier,
Und da habt Ihr unterdessen
Ja den Klöppel ganz vergessen!
Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang;
Drum prüfe, eh die Zeit dahin ist,
Ob in der Glock’ ein Klöppel drin ist,
Sonst weiß man deinem Werk nicht Dank.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Nashorns Stoß,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist die Glocke, klöppellos.
Und wo man hinbringt eine Glocke,
Die inkomplett, da naht, o Graus,
Der Auftraggeber mit dem Stocke
Und ruft empört: „Der Mann muß raus!“
Denn was das Messer ohne Stiel ist,
Und was die Bühne ohne Spiel ist,
Und was der Ofen ohne Kohle
Und was der Stiefel ohne Sohle,
Und was der Globus ohne Ax’ is,
Und was der Thurn ist ohne Taxis,
Und was Akustik ohne Schall is,
Und was die Schweiz ist ohne Wallis,
Und was die Zarin ohne Zar is,
Und was Helene ohne Paris,
Und was der Haushahn ohne Henn’ is,
Und was der Lawn ist ohne Tennis,
Und was der Walfisch ohne Tran is
Und was der Piscis ohne Panis,
Und was das Hemd ist ohne Knöppel –
Das ist die Glocke ohne Klöppel!
Drum aus Eisen laßt uns machen
Einen Kloppstock, lang und schwer,
Daß er tönend möge krachen,
Wenn er baumelt hin und her.
So, jetzt ist er da,
Grüßt ihn mit Hurra!
Seid des höchsten Lobs gewärtig,
Denn jetzt ist die Glocke fertig!“
Entnommen – Alexander Moszkowski: Satyr. Kleine Humoresken in Prosa und Versen, Berlin 1898, S. 74.
Schlagwörter: Alexander Moszkowski, Glocke, Schiller