24. Jahrgang | Nummer 26 | 20. Dezember 2021

Nekrologe 2021

von F.-B. Habel

Wieder gilt es, am Jahresende an Menschen zu erinnern, die uns verlassen haben, oft von den Medien unbemerkt – obwohl sie eine Zeitlang als Künstler in der Öffentlichkeit standen. Aus der Lokalpresse, Familienanzeigen oder den sozialen Netz-Medien konnte man von ihrem Tod erfahren. Hier soll einiger gedacht werden, für die keine Titelseiten reserviert waren oder Programmänderungen eingeräumt wurden – wie beispielsweise beim hundertjährigen Herbert Köfer – und die besonders bei den Lesern und Zuschauern in der DDR Aufmerksamkeit gefunden haben.

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Auch, wenn die Gleichberechtigung der Frau in der DDR angestrebt wurde, sie wurde selten erreicht. Es gab beispielsweise wenige Regisseurinnen, die dramatische Produktionen inszenierten. Bei der DEFA war es nur eine Handvoll, ein paar mehr im Fernsehfunk. Zu ihnen zählte Ursula Bonhoff, die am Neujahrstag, nur vier Wochen nach ihrem 90. Geburtstag, von uns ging. Sie hatte etwa zwischen 1970 und 1990 zwei Dutzend Filme und Fernsehspiele für den DFF inszeniert, oftmals nach Stoffen ihres Mannes Otto Bonhoff, der schon 2001 starb. „Nachtredaktion“ über die Zusammenarbeit von Lenin und Marchlewski entstand 1973, die Bonhoff inszenierte 1985/86 auch den ersten Teil des von ihrem Mann verfassten aufwendigen „Thälmann“-Zweiteilers. Sie arbeitete häufig mit den Autoren Friedrich Karl Kaul und Anne Dessau zusammen – beide auch immer wieder Mitarbeiter der Weltbühne. Ein künstlerischer Erfolg war für Ursula Bonhoff 1981 das Fernsehspiel „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ nach Bertolt Brecht, für das sie auch Hanne Hiob, eine Tochter des Autors, verpflichten konnte.

Auch andere Regisseurinnen haben uns verlassen. Tamara Trampe hat lange Jahre als Dramaturgin beim DEFA-Spielfilmstudio gearbeitet, darunter1979 bei Iris Gusners „Alle meine Mädchen“. Ihre Regielaufbahn begann sie in den neunziger Jahren beim Dokumentarfilm. Neben dem Aufarbeitungsfilm „Der schwarze Kasten“ (1992) war ihr letzter Film „Meine Mutter, ein Krieg und ich“ (2014) ihr vielleicht wichtigstes Werk. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte, die mitten im Krieg auf einem eisigen Feld bei Woronesh begann. Im November ist sie kurz vorm 79. Geburtstag gestorben.

Zwei Regisseurinnen sind in diesem Jahr von uns gegangen, die auf dem Gebiet des Animationsfilms Bemerkenswertes geleistet haben. Im Sommer starb Monika Krauße-Anderson, die im Dezember 92 Jahre alt geworden wäre. Die Deutschbaltin wuchs in Reval auf, dem heutigen Tallinn, wurde später mehrmals umgesiedelt und studierte schließlich in Weimar Architektur. Mit Hermann Henselmann arbeitete sie an verschiedenen Projekten in Berlin, ehe sie der Weg nach Dresden führte, wo sie mit Trickfilmern in Kontakt kam und sich für den Animationsfilm begeisterte. Einer ihrer ersten Filme war 1961 „Die Geschichte vom Weihnachtsmann“, in der der überlastete Alte beim Ministerium einen Transporter beantragt, aber nur ein Motorrad mit Beiwagen erhält. An solchen Filmen hatte auch Sohn Sascha, der später als verkrachter Dichter den Prenzlauer Berg aufmischte, seine Freude. Später drehte sie beliebte Serien wie „Hähnchen Gock und die schlauen Mäuse“ (1965/66) oder „Teddy Plüschohr und seine Freunde“ (1971–73) und übernahm auch Leitungsfunktionen.

Fast auf den Tag genau war die Hallenserin Christl Wiemer mit ihrer Kollegin Monika Anderson gleichaltrig. Sie ist im Dezember an ihrem 92. Geburtstag gestorben. Nach dem Studium auf der Burg Giebichenstein, wo sie auf Gleichgesinnte traf, ging sie zum Dresdner Trickfilmstudio, wo sie für den Zeichentrick- und den Flachfigurenfilm arbeitete. Sie setzte immer wieder Kindergeschichten bekannter Autoren um, häufig von Werner Heiduczek, aber auch von Sarah Kirsch, Nazim Hikmet oder Hans Christian Andersen. Von ihm stammt die Geschichte des Wiemer-Films „Vogel der Nacht“ (1986), auf den die Regisseurin besonders stolz war, weil sie sich erstmals an Kinder wandte, um poetisch über den Tod zu sprechen.

Einige Theaterregisseure mit überregionaler Ausstrahlung haben wir 2021 verloren. Zu ihnen zählt Rolf Winkelgrund, der vor Vollendung des 85. Lebensjahres starb. Mit dem späteren Schauspieler Ulrich Wildgruber machte Winkelgrund in seiner Heimatstadt Bielefeld Schülertheater. Nachdem er als Regisseur in Mannheim debütiert hatte, siedelte er als Pazifist und Gegner der Remilitarisierungspolitik von Adenauer und Strauß 1961 in die DDR über. Viele Jahre lang prägte er das Potsdamer Hans-Otto-Theater, bevor er ab 1982 am Berliner Maxim-Gorki-Theater und dem Deutschen Theater wirkte. Einige seiner Inszenierungen wurden vom DDR-Fernsehen übernommen, darunter 1988 die Wiederentdeckung von Ernst Barlachs Drama „Der blaue Boll“ mit Kurt Böwe und Elsa Grube-Deister, eine Winkelgrund-Inszenierung von theatergeschichtlichem Rang.

Einer der talentiertesten Regiestudenten in Babelsberg war zu Beginn der 60er Jahre Dieter Roth. Dem Tausendsassa gelang es gemeinsam mit seinem Kommilitonen Egon Schlegel, als Diplomfilm ein abendfüllendes Werk, „Ritter des Regens“, anzugehen. Roth erzählte Jahrzehnte später darüber: „Unser Held, eine Art Edgar Wibeau, fand auch zum Schluss nicht in die Gesellschaft zurück, sondern blieb in seiner Traumwelt, in der er sich vorstellte, wie man leben und lieben müsste – wir arbeiteten mit surrealistischen Traumsequenzen, deren Drehen uns sehr viel Spaß machte.“ Das Projekt geriet in die Querelen des 11. Plenums des ZK der SED, das die Kultur mit der Sense gleichmachte, und der Film wurde abgebrochen und sämtliches Material vernichtet. Roth durfte fortan nur noch fürs Theater arbeiten, in Potsdam, Meiningen, Weimar, Cottbus und in seiner Heimatstadt Plauen, wo er auch als Intendant wirkte. Dieter Roth wurde mit 80 Jahren ein Opfer der Pandemie, denn in einem Krankenhaus infizierte er sich mit Covid-19 und starb im November.

Nicht immer wird bekannt, woran die Verstorbenen erkrankt waren. Doch von Óscar Castro, der in Paris zwei Wochen vor seinem 74. Geburtstag starb, weiß man, dass auch er von der Seuche dahingerafft wurde. Der chilenische Dramatiker und Schauspieler, Leiter der Theater-Compagnie Ateph, war nach dem Militärputsch zwei Jahre lang in Lagerhaft, ehe er ins Exil nach Frankreich gehen konnte. In der DDR spielte er in zwei DEFA-Filmen: „Der Übergang“ (an dem auch Tamara Trampe mitarbeitete) thematisierte 1978 das Trauma des faschistischen Putschs, während die Komödie „Verzeihung, sehen Sie Fußball?“ (1982) Episoden während der Fußball-WM erzählte. Castro spielte einen fußballbegeisterten Exil-Chilenen.

Am Nikolaustag starb Mecki in seiner Heimatstadt Budapest. Insider wissen, dass es der Spitzname von János Kóbor war, dem Frontmann der Band Omega. Mecki war Gründungsmitglied und Frontmann der international erfolgreichen Gruppe, die seit 1962 existierte und mit psychedelischem Rock zur Hippie-Zeit und danach mit Hard Rock ihre größten Erfolge feierte. Sie wurden weltweit gefeiert und gecovert, selbst Frank Schöbel fuhr mit einer weichgespülten Fassung als „Schreib es mir in den Sand“ einen großen Erfolg ein. Mecki ließ sich nicht impfen und infizierte sich mit Covid-19. Er wurde 78 Jahre alt.

Seine Landsmännin – oder sagt man heute Landsfrau? – Mari Töröcsik wurde 85 Jahre alt. Der Teenie-Star von 1955 wurde zur verehrten lebenden Legende und trat noch mit Anfang 80 vor die Kamera. Ihr Debüt war die Kolchosen-Komödie „Karussell“, gefolgt vom „Frechdachs“, wofür sie in Karlovy Vary 1960 den Darstellerpreis gewann. Sie spielte immer wieder in Filmen von Miklós Jancsó und Károly Makk, für dessen Film „Liebe“ sie in Cannes gemeinsam mit ihrer Partnerin Lilly Darvas 1971 mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde.

Zur lebenden Legende brachte es Christine Laszar nicht, aber die Schauspielerin wollte es so. Seit ihrem DEFA-Debüt 1958 in „Geschwader Fledermaus“ galt sie als führende Darstellerin bei Film und Fernsehen in der DDR. Ihr Bild zierte Titelbilder, wenn sie Ärztinnen, Journalistinnen, Edelprostituierte, Agentinnen spielte, und manchmal verbarg sich auch eine Mörderin hinter ihrer bürgerlichen Fassade. Mehrfach agierte sie in internationalen Produktionen, etwa 1965 in der deutsch-tunesischen Co-Produktion der DEFA, „Hamida“, in polnischen, sowjetischen und jugoslawischen Filmen. In Komödien wie auch im Zirkusfilm „Schwarze Panther“ zeigte sie ihre komödiantische Seite. Warum die DEFA ihren Vertrag 1965 nicht verlängerte, kann nur erahnt werden. War ihre Trennung von Ehemann Karl-Eduard von Schnitzler der Grund? In den 70er Jahren verabschiedete sie sich vom Schauspielerberuf und arbeitete mehrere Jahre als Redakteurin im Ostseestudio Rostock, ehe sie sich zurückzog und auch keine Interviews mehr gab. Nur einen Monat vor ihrem 90. Geburtstag ist sie im November in Berlin gestorben.

wird fortgesetzt