24. Jahrgang | Nummer 21 | 11. Oktober 2021

SEHR SCHLICHTE BALLADE

eines armen kleinen Bettlers,
untertänigst dem hiesigen König präsentiert, dem Meister der französischen Ballade, Herrn JEAN RICHEPIN in seiner Wohnung an der Rue La Rochefoucauld zu Paris

von Germain Nouveau

Nicht mittelgroß, noch weniger Gigant,
Hübsch hässlich, schuld an Dummheiten, sehr vielen,
Bald setzt er sich, und bald ist er im Stand,
Dass ihm die Knochen auf die Füße fielen;
Kopf hat er nur, um einen Kopf zu spielen,
Die Pfeife fehlt am Hut, er ist nicht reich,
Doch Mann im Mond oder im Rund der Brillen:
Erbarmt Germain Nouveaus, des Bettlers, euch!

Nicht faul, weil er sich untätig befand,
Lässt Dichtung er um etwas Pinselns willen,
Verschließt sich gern, ist außer Rand und Band,
Vor allem Kind, doch voller Eigenwillen;
Ein Auge klagt, eins kann nicht Freude fühlen
Und sieht nur Rabenvolk im Himmelreich,
Ihm fehlt der Wein, um seinen Durst zu stillen,
Erbarmt Germain Nouveaus, des Bettlers, euch!

Nichts ist ihm heilig, jeder Glaube schwand
Bis auf drei Vorurteile, die gefielen:
Dass man auf Essen, Trinken, Schlaf bestand,
Das vierte ist: den Mut am Glas zu kühlen;
Im Helm wird Wasser dann die Kehle spülen!
Der Straßenhund ist dem Bürohengst gleich,
Wenn Frauen sein Verlangen nicht erfüllen,
Erbarmt Germain Nouveaus, des Bettlers, euch.

Nachtrag

Prinz, lasst mich länger nicht vor Hunger brüllen;
Darmsaiten fehlen zwar, doch ein Vergleich
Scheint durch das Pfand der Laute zu erzielen,
Erbarmt Germain Nouveaus, des Bettlers, euch!

Übersetzt von Frank Stückemann, Soest, 2021.

Der französische Dichter Germain Nouveau lebte von 1851bis 1920.

„Das Einfache war für ihn das Gegenteil von dem, was die meisten Menschen sagen und tun“, so der Dichter und Zeitgenosse Nouveaus Ernest Delahaye.