Seit es einige große Corona-Ausbrüche im Anschluss an Gottesdienste meist kleiner freikirchlicher Gemeinden gegeben hat, haben die beiden großen Kirchen in unserem Lande Angst: Angst davor, in der öffentlichen Wahrnehmung mit solchen Ereignissen in Verbindung gebracht zu werden. Darum sind vor allem die evangelischen Landeskirchen bei der Öffnung ihrer Kirchen für Gottesdienste ziemlich restriktiv: Es müssen Hygienekonzepte vorgelegt und eingehalten werden; die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist stark begrenzt; Listen werden geführt, um die Rückverfolgbarkeit von Infektionsketten zu gewährleisten. Eine große Wuppertaler Kirchengemeinde etwa hat entschieden, präsentische Gottesdienste in ihren Kirchen erst wieder zu feiern, wenn die örtliche 7-Tage-Inzidenz an den ersten drei Tagen der Vorwoche konstant unter 100 liegt; in eine Kirche mit 1.020 Sitzplätzen dürfen dann 70 Menschen kommen. Immerhin sind auf diese Weise größere Ausbrüche weitgehend vermieden worden.
Manche Vorgaben allerdings offenbaren geradezu parodistisch ein Selbstverständnis, wie es sich der beste Kirchenkritiker nicht hätte einfallen lassen können. So teilt die für das Rheinland zuständige kirchliche Oberbehörde, Landeskirchenamt genannt, ihren Gemeinden mit Bezug auf kirchliche Trauerfeiern unter der Überschrift „Mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zulässig“ am 29. April mit: „Sowohl die kirchliche Trauerfeier als auch die Beerdigung auf dem Friedhof gelten als Zusammenkünfte zur Religionsausübung nach § 28 Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und fallen deshalb nicht unter die Begrenzung der Personenzahl von bis zu 30 Personen nach § 28 Abs. 1 Ziff. 1 IfSG.“ Ob es sinnvoll ist, religiösen Zusammenkünften aus Gründen der durch das Grundgesetz geschützten Religionsfreiheit eine solche Ausnahmeregel zuzugestehen – darüber mag man zwar streiten, aber es ist so und es liegt wohl im ureigensten Interesse der Kirchen, dass es so bleibt.
Nun ist in Wuppertal – wie in Berlin – die überwiegende Zahl der Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft; die evangelischen unter ihnen werden von einem eigenen Friedhofsverband verwaltet. Anders als in Berlin sind die überwiegende Zahl der Beerdigungs- und Trauerfeiern auch kirchliche Gottesdienste unter Leitung eines oder einer Geistlichen. Nun schreibt der evangelische Friedhofsverband am 3. Mai den ihm angeschlossenen Kirchengemeinden, er werde trotz dieser Informationen seiner vorgesetzten Dienststelle „grundsätzlich bei der bisherigen Praxis verbleiben, d. h. die Teilnehmerzahl bei Trauerfeiern und Beerdigungen auf 25 – 30 Personen zu begrenzen“. Einige der dazu vorgebrachten Gründe sind durchaus einsichtig, beziehen sich aber nur auf die zeitliche Gestaltung der Trauerfeiern und die Nutzung der Kapellen, beträfen also nicht Feiern am Grab unter freiem Himmel. Dann aber wird es grotesk: „Der Friedhofsverband hat die vorgenannten Informationen des Landeskirchenamtes zur Kenntnis genommen und wird natürlich versuchen, wenn einzelne Hinterbliebene dies als Teil ihrer Religionsausübung verstehen, in der Örtlichkeit auf den Friedhöfen Beerdigungen mit einer größeren Teilnehmerzahl zu ermöglichen. Wir bitten Sie jedoch, auf diese Möglichkeit nicht aktiv hinzuweisen.“
Also eine kirchliche Behörde kann sich vorstellen, dass einzelne Kirchenmitglieder (aber auch nur einzelne!) einen von ihnen gewünschten kirchlichen Trauergottesdienst als Religionsausübung verstehen! Auch das noch! Aber bloß nicht weitersagen!
Besser kann man es nicht ausdrücken: Die evangelische Kirche schafft sich selbst ab.
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