Sie ist für andere Rollen berühmt, aber Jutta Hoffmann ist durchaus auch musikalisch. Sogar in der Uraufführung eines Musicals hat sie gesungen – 1963 in der Bearbeitung von Shakespeares „Was ihr wollt“ im Berliner Theater der Freundschaft. Und in „Bandits“, dem Kinoerfolg von 1997, spielte sie gar in einer Frauenband. Unvergesslich ist die Szene aus Egon Günthers Film „Der Dritte“, in der sie ausgelassen das italienische Arbeiterlied „Bandiera rossa“ anstimmt. 1972 war das möglich, auch wenn es strenggläubigen Sozialisten suspekt schien, das Kampflied über die rote Fahne so fröhlich interpretiert zu sehen. Vielleicht war das Lied sogar der Grund dafür, dass Jutta Hoffmann beim Filmfestival von Venedig mit einem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde? Sie hat es jedenfalls nicht vergessen und 1993 noch einmal in der viel diskutierten Fernsehserie „Motzki“ angestimmt. Die Rolle der Edith aus dem Osten, die ihrem Westschwager Friedhelm Motzki sanft aber bestimmt Paroli bietet, hatte Wolfgang Menge für sie geschrieben, und sie reicherte die Figur mit viel Eigenem an – einschließlich der Hallenser Mundart, mit der sie aufgewachsen ist. Und sicherlich war die Zusammenarbeit mit Jürgen Holtz für sie ein Vergnügen, mit dem sie am Berliner Ensemble etwa in „Die Mutter“ von Brecht nach Gorki gespielt hatte und vor allem in „Fräulein Julie“ von Strindberg. Die skandalträchtige, weil avantgardistische Inszenierung von Schleef und Tragelehn war 1975 unter der Intendanz der experimentierfreudigen Ruth Berghaus möglich und feierte die Selbstbefreiung des Individuums. Nach wenigen Vorstellungen wurde „Fräulein Julie“ abgesetzt.
Wenn Jutta Hoffmann auch Bedeutendes auf der Theaterbühne geleistet hat und wenn sie eine erfolgreiche Sprecherin im Hörspiel und bei Lesungen ist – was sie für Film und Fernsehen leistete, wird noch Generationen in den Bann ziehen. Von der Bühne der Laienspielgruppe der Buna-Werke wurde sie als Assistentin für eine Quiz-Reihe des Fernsehfunks geholt, studierte in Babelsberg Schauspiel und war hier schon richtig. Mit anderen Kommilitonen spielte sie 1961 in dem Jugendfilm „Das Rabaukenkabarett“. Ihr erster künstlerisch wichtiger Film war 1965 „Karla“, den Ulrich Plenzdorf über die Selbstverständigung einer jungen Lehrerin geschrieben und Herrmann Zschoche, ihr damaliger Mann, inszeniert hatte. Der Film stellte Fragen an das Erziehungs- und Bildungssystem der DDR, zeigte eine Hauptfigur, die etwas verändern wollte. Das war zu viel. Der Film wurde – so wie im selben Jahr ein knappes Dutzend anderer – in die tiefsten Archivregale verdammt. Immerhin konnte er dort überleben und zeigte 1990, dass auch viel Allgemeingültigkeit im Thema steckt.
Auch, wenn sie mit Zschoche noch zweimal drehte, für andere Könner wie Hans-Joachim Kasprzik, Günter Reisch, Horst Seemann, Frank Beyer, Thomas Langhoff, Alexander Kluge und Matti Geschonneck vor der Kamera stand (und damit deutet sich ihre Bandbreite von der Literaturadaption über das Geschichtsdrama bis zum Krimi an), bleibt doch ihre Zusammenarbeit mit Egon Günther prägend. Sechs ihrer wichtigsten Filme entstanden mit ihm, und die Arbeit war von produktiver Reibung geprägt: „Die Schauspielerin Jutta Hoffmann ist nicht unterdrückbar. Falsche Autoritätsansprüche durch Texte oder Anweisungen der Regie weist sie zurück, verbal oder durch entsprechendes Spiel bei den Proben. Das ist ungeheuer wertvoll und kann nicht laut genug gepriesen werden. Ich meine nicht, das sind heroische Eigenschaften, es mag einfach ihr Naturell sein. Sie steht da und kann nicht anders.“ So charakterisierte Günther sie schon 1971, als er „Der Dritte“ mit ihr drehte. Hier spielte sie eine sozialistisch geprägte emanzipierte Mathematikerin, die doch Probleme hat, den richtigen Mann zu finden. Kurz nach Erich Honeckers Feststellung, in der Kunst der DDR dürfe es keine Tabus geben, ging der skeptische Blick auf die Gesellschaft noch durch, aber schon mit Günthers nächstem Film mit der Hoffmann, „Die Schlüssel“, gab es Probleme. Der Film erzählte von einer Ferienreise eines Pärchens, einer Arbeiterin und eines Studenten, nach Polen. Hier stellt die junge Frau, die ihre Unabhängigkeit liebt, die Beziehung zu dem etwas oberflächlichen jungen Mann aus einer anderen Bildungsschicht infrage. Hinzu kommt die Umgebung in einer Gesellschaft, die trotz sozialistischer Normen noch von katholischen Werten geprägt ist. Angeblich gab es Proteste von polnischer Seite, und der Film erhielt ein Exportverbot, startete mit nur fünf Kopien und wurde nie im DDR-Fernsehen gezeigt. Trotzdem erlangte er unter Intellektuellen der DDR Kultstatus.
Eine ganz andere, komödiantisch-satirische Rolle übernahm Jutta Hoffmann in Egon Günthers Thomas-Mann-Adaption „Lotte in Weimar“ an der Seite von Lilli Palmer. In ihrem funkelnden, durchaus dem Autor angemessenen Dialog als Adele Schopenhauer mit der Heldin spielt sie den Weltstar für Minuten an die Wand – freilich der Dramaturgie des Films gehorchend.
Nach dem Eklat der Biermann-Ausbürgerung 1976, den sie kritisierte, blieb Jutta Hoffmann noch ein paar Jahre tapfer in der DDR, die es ihr immer schwerer machte, spielte Theater und Fernsehen, gastierte daneben im Westen, wurde in München 1984 Schauspielerin des Jahres. Besonders stolz darf sie aber sein, dass sie 1992 von Filmwissenschaftlern aus Ost und West rückblickend zur besten Schauspielerin der DDR gewählt wurde. Wenn sie nun Anfang des Monats 80 geworden ist, bleibt etwas Bitterkeit zurück, denn so hervorragende Filmrollen wie damals hat sie schon seit Jahren nicht mehr spielen dürfen.
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