Wenn die britische Königin Elisabeth aus offiziellem Anlass in güldener Kutsche durch ihre Hauptstadt fährt, sitzen viele Menschen in Deutschland vor dem Fernsehgerät und haben feuchte Augen. Es ist ein den Engländern abgeborgter Royalismus, weil es hierzulande weder Kaiser noch Könige gibt. Die Revolution, die nach dem „Großen Krieg“ 1918 kam, hat sie alle davongejagt. Und mit den heutigen Hohenzollern oder Wettinern ist kein Staat zu machen, die sind nur peinlich.
Karl I. aus dem Hause Stuart wurde am 30. Januar 1649 in London geköpft. Damit hatte die englische Revolution ihren Höhepunkt erreicht. Zuvor fanden übrigens die ersten Amtsenthebungsverfahren vor dem englischen Parlament statt, die juristisch „Impeachment“ hießen. Es folgte eine Zeit der Republik, in der Oliver Cromwell als „Lordprotektor“ versuchte, wieder eine Art Alleinherrschaft zu errichten und dann auch noch das Amt an seinen Sohn weiterzureichen. Das misslang, Britannien wurde und blieb parlamentsregiert, aber mit konstitutioneller Monarchie. Wenn heute an die Französische Revolution und daran erinnert wird, dass König Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 in Paris enthauptet wurde, wird meist vergessen, dass das politische System Großbritanniens zwar auf 1200 Jahre Königtum pocht, aber in seiner tatsächlichen Gestalt aus einer Revolution stammt. Danach wurden immer zur rechten Zeit die richtigen Reformen gemacht und das politische Gefüge blieb, wie es überkommen war. Die Siege in den beiden Weltkriegen haben das bekräftigt. Das britische politische System, das gerade den Brexit vollführt hat, weil es nicht in einem deutschen Europa leben wollte, ist so, wie es ist.
In derselben Zeit hatten die Deutschen sechs verschiedene politische Systeme, zwei davon wurden von Kriegsverbrechern geführt. Ausgerechnet hier hieß es nun zu dem Interview von Herzogin Meghan und Prinz Harry: „Das große Enthüllungs-Interview mit Meghan und Harry“ (RTL), und es folgte die forsche Frage: „Wankt die Monarchie?“ (NDR). Gleichwohl wurde kommentiert, dass es für die „Schauspielerin Meghan […] kein Problem“ war, „den Pakt mit den Medien“ zu schmieden, wie einst Harrys Mutter Diana. Die Neue Zürcher Zeitung stellte fest: „Meghan Markle kennt sich aus in der Medienwelt. Das hat sie in dem bis ins Detail arrangierten Oprah-Interview bewiesen.“
Kritische Medien hatten bereits im Umfeld der Hochzeit von Harry und Meghan 2018 berichtet, dass sie sich hatte absichtsvoll in die Kreise einführen lassen, wo man Leute wie Prinz Harry trifft. Mit ihrer vorherigen Schauspielerkarriere in Kalifornien wäre sie, wie die Boulevard-Journalisten einhellig berichten, nie im Leben in die Kategorie der „A-Promis“ eingerückt. Als Herzogin, jetzt nach „Mexit“ und Eklat meint sie gewiss, dem nähergerückt zu sein.
Die Kommentatorin vom NDR, die eigentlich auch das Unzeitgemäße eines britischen Königtums herausstellen will, beschreibt gleichwohl die Szenerie: „Harry und Meghan sitzen in Korbsesseln vor grüner Gartenkulisse. Sie in schwarzem Kleid mit aufgedruckter Lotusblüte – ‚Symbol der Wiedergeburt‘, kommentierte die ‚Times‘; er in hellem Anzug, leger, locker.“ Und weiter: „Das Interview mit Oprah Winfrey, das bereits vor seiner Ausstrahlung Schlagzeilen trommelte, hat die weltweite Runde gedreht. Meghan kullern vor laufender Kamera Tränen, wenn sie von Depressionen, Suizidgedanken und rassistischen Anfeindungen spricht.“ Die FAZ schrieb dazu: „Für die ‚Chatshow‘ mit der ‚Medienkönigin‘ setzte sich das Paar zum Schutz seiner Privatsphäre auf der Terrasse einer Nachbarsvilla mit Blick auf die paradiesischen Olivenhaine des Sonnenstaates in Szene. Meghan Merkle hatte sich mit dolchspitzen Absätzen und Armani-Kleid aufgetakelt wie für die Oscar-Zeremonie.“ Der zentrale Vorwurf: man habe im Königspalast, auch im engeren Familienkreis „Rassismus“ erlebt.
Die Berliner Zeitung kommentierte: „Das als ‚intimes Gespräch‘ in Aussicht gestellte Großinterview, für das in etlichen Vorabveröffentlichungen ja mit dem größtmöglichen Skandal um ein größtmögliches Publikum geworben wurde, hat inhaltlich kaum mehr als einige Zuspitzungen ergeben. Wir wussten bereits alles.“ Tatsächlich sind Harry und Meghan „als Ich-Unternehmer im Charity-Business unterwegs“. Sie profitieren „von ihrem königlichen Nimbus“. Dabei sind sie „keineswegs als Opfer unterwegs, sondern als Täter: selbsternannte Wohltäter“. Ihr „Opfernarrativ wird zur billigen Ausrede“. Es geht nicht nur um Wohltätigkeit, auch ums Geld für sie selber. Millionen-Verträge mit Netflix und Spotify gibt es bereits.
Nach Informationen aus Großbritannien hat das PR-Team von Harry und Meghan vor der Ausstrahlung des Interviews in den USA an die BBC eine Warnung geschickt. Der Sender solle „unparteiisch“ über das Interview berichten und es sollten „nicht nur ‚weiße alte Männer‘ eingesetzt werden, wenn das Gespräch analysiert werde“. Der Frühstücksshow-Moderator Piers Morgan hatte nach dem Interview in seiner Sendung gesagt, er glaube Meghan „kein Wort“, nicht einmal, „wenn sie den Wetterbericht vorliest“. Über 40.000 Twitter-Menschen, die insbesondere Meghans Rassismus-Vorwürfen Glauben schenken wollten, protestierten; der Mann gehöre gefeuert. Morgan legte noch nach und nannte sie „Prinzessin Pinocchio“ und sagte, da er seinen Posten räumen sollte: „Die Meinungsfreiheit ist ein Hügel, auf dem ich gern sterbe.“
Oprah Winsley ist die erste Afroamerikanerin in den USA, die Milliardärin wurde. Ihr Vermögen wird auf 2,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit dem Interview sind alle auf ihre Kosten gekommen. Winsley bestätigte sich als einflussreichste Talkmeisterin der USA, der Fernsehsender CBS verbuchte horrend teure Werbeeinnahmen und Meghan und Harry freuten sich über die Publicity. In Großbritannien stehen allerdings weiter 36 Prozent der Bevölkerung hinter der Königin, nur jeder Fünfte unterstützt Harry und seine Frau. Es war insbesondere Meghans Rassismus-Vorwurf an die Adresse der Königsfamilie, der weltweit für Furore sorgte. Allerdings hieß es auch, dass sie seit zwei Jahren ihre „große Enthüllung“ geplant habe. Einmal Schauspielerin, immer Schauspielerin.
Das Republikanismus-Argument für Großbritannien, das gerade in Deutschland wieder in Umlauf gebracht wurde, steht jedoch auf schwachen Füßen. Das britische Königshaus kostet die Briten jährlich 90 Millionen Euro. Das sind umgerechnet 108 Millionen US-Dollar. Der US-Wahlkampf 2020 hat etwa 14 Milliarden Dollar gekostet. Mit dem Geld kann das Haus Windsor 130 Jahre wirtschaften, Zinsen nicht gerechnet.
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