23. Jahrgang | Nummer 23 | 9. November 2020

Banken und organisierte Kriminalität

von Christoph Körner

Wie kommt man zu einer gerechten Geld-, Boden- und Steuerreform? – Wie schwer diese umsetzbar sind, wissen wir alle. Umso erfreulicher ist es, dass es in Deutschland, Europa und in der ganzen Welt immer wieder neue Bewegungen gibt, die diesen Zielen Nachdruck verleihen und kompetente Sachverständige in ihren Reihen haben. Gerhard Schick, promovierter Volkswirt und Politiker (von 2005 bis 2018 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen) ist solch ein Fachmann in den Bereichen Finanzmärkte, Wirtschaft und Steuern. Als solcher setzt er sich seit langem für eine Restrukturierung des Bankwesens ein. Schon in seinem Buch „Machtwirtschaft – nein danke! Eine Wirtschaft, die uns allen dient“ (2014) setzte er sich dafür ein, dass das Ökonomische im Interesse einer menschenwürdigen Ordnung zu begrenzen ist. So gründete er mit anderen 2018 den gemeinnützigen Verein „Bürgerbewegung Finanzwende“, dessen Vorstandvorsitzender er ist und 2020 schon über 2000 Mitglieder hat. In dieser Funktion setzte er sich für die Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte ein.

Im August 2020 erschien das Buch „Die Bank gewinnt immer. Wie der Finanzmarkt die Gesellschaft vergiftet“. Dieser uns nicht immer bewusste Vorgang geht alle mündigen Bürger an, weil die Vergiftung des Bankwesens die Demokratie sukzessive zerstört. Alarmierend ist sein Fazit nach jahrelangen intensiven Recherchen: „Ein erheblicher Teil des Weltfinanzmarktes besteht aus Geldverstecken. Ein viel zu großer Teil des Finanzsektors ist williger Helfer der Kriminellen. Das beweisen unzählige Skandale. Auch mit Anlagenbetrug, Steuerraub und allerlei Tricksereien, immer zu Ungunsten von Kunden, Anlegern, Kreditnehmern oder dem Staat mischen Banken und Co. im kriminellen Geschäft mit.“ Sein tiefgründiges Urteil erschreckt: „Meine These ist, dass das Geschäftsmodell einer globalen Großbank ohne Berührung zu kriminellen Aktivitäten gar nicht denkbar ist. Die Branche scheint zu einem besonders wichtigen Helfer organisierter Kriminalität geworden zu sein.“

In neun Kapiteln macht er diese Machenschaften der Finanzwelt transparent und hat damit ein finanzpolitisches Aufklärungsbuch ersten Ranges geschaffen. So behandelt er die immer wieder auftretende Kriminalität des Bankwesens, die illegale Machenschaften fördert (Cum-Ex-Geschäfte), die es Spekulanten ermöglicht, uns um bezahlbare Wohnungen zu bringen, und eine Umverteilung von Arm zu Reich forciert. Allerdings war dazu auch der Staat mit seiner marktliberalen Politik ein Wegbereiter. So stimmten CDU und FDP 1989 für die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Daraus folgte der Verkauf von Wohnbeständen von öffentlicher Hand und Industrieunternehmen. Dies führte zu einer zunehmenden Kapitalmarktorientierung. „Hierzu gehört vor allem die Entstehung von börsennotierten Gesellschaften wie Vonovia sowie die Einführung von börsengehandelten Immobilienfonds (sogenannte REITs).“

Zugleich zeigt Gerhard Schick auf, wie der Finanzsektor die Klimakrise nach Kräften vorantreibt und Techkonzerne durch ihre Digitalisierung in der Lage sind, den laufenden Finanzmarkt zu kapern. Gerhard Schick verdeutlicht, was der neue Populismus mit dem Finanzmarkt zu tun hat, der sehr instabil ist und durch die gegenwärtige Corona-Krise mehr als gefährdet ist. Ein Schwerpunkt seiner Gesellschaftskritik ist der Lobbyismus von Investmentbanken, der die Banken immer reicher macht. Dieser Prozess wird durch staatliche Risikoabsicherungen noch verstärkt. Ja, der Staat wird gleichsam von den Lobbyisten der Finanzbranche gekapert. „‘Capture‘ nennt man in der Politikwissenschaft die Kaperung und Übernahme staatlicher Aufgaben durch diejenigen, die ihre Interessen durchsetzen wollen. Der Staat wird gekapert, die Regulierungsbehörden, die eigentlich im Auftrag der Bürger die Branche überwachen sollen, werden so umgepolt, dass sie das Gegenteil tun, nämlich sich für die Interessen der Branche einsetzen“. So war es dann auch möglich, dass in der Finanzkrise 2008 allein wir Steuerzahler in Deutschland über 70 Milliarden Euro netto in die Rettung der Banken und ihrer Gläubiger gesteckt haben. Eine gigantische Umverteilung von unten nach oben.

In seinem Schlussteil spricht der Autor von den Zielen der Finanzwende. Diese sind die Bekämpfung der Finanzkriminalität, die Errichtung eines stabilen Finanzsystems, um umweltfreundliche Finanzmärkte zu schaffen. Weil dies von oben durch die verschiedenen Parteiinteressen nur schlecht möglich ist, will Gerhard Schick mit seinem gemeinnützigen Verein „Finanzwende“ ein breites Netzwerk aus Bürgern und Expertinnen schaffen, die der Lobby von Banken & Co. öffentlich entgegentreten, weil sie unabhängig, partizipatorisch neutral und kompetent sind und so auch die Demokratie in unserer Gesellschaft retten können. Er meint: „Wenn wir aber das Finanzsystem vom Kopf wieder auf die Füße stellen wollen, dann geht es nur gemeinsam, mit einer starken zivilgesellschaftlichen Organisation, bei der viele Bürgerinnen und Bürger mitmachen. Und genau das versuchen wir jetzt zu erreichen. Die Bürgerbewegung Finanzwende will die Kräfte der Zivilgesellschaft bündeln und gleichzeitig Ansprechpartner für die Politik sein.“ Gerhard Schicks Blick aber geht über das gegenwärtige Finanzsystem weit hinaus: „Es geht längst nicht mehr um Geld und Wohlstand, sondern um viel mehr. Wir müssen uns Sorge machen, dass unsere freiheitliche Demokratie bei einem neuerlichen Schub der Finanzkrise massiv unter Druck geraten könnte!“

Dieses Finanzaufklärungsbuch ist für alle wichtig.

Gerhard Schick: Die Bank gewinnt immer. Wie der Finanzmarkt die Gesellschaft vergiftet, Campus-Verlag Frankfurt/Main-New York 2020, 256 Seiten, 22,00 Euro.