23. Jahrgang | Nummer 24 | 23. November 2020

Antworten

Anja Karliczek (CDU), Bundesforschungsministerin – Sie gelten zwar nicht als Spitzenbesetzung im Amt, doch Sie sind Politprofi genug, um zu wissen, dass der corona-besorgte Teil des Volkes in diesen Zeiten auf gute Nachrichten besonders erpicht ist. Also ließen Sie uns per Interview mit der Welt am Sonntag am 15. November wissen: „Die hohe Wirksamkeit eines Impfstoffs der Firma BioNTech war eine sehr gute Botschaft.“ Auch unseren, also der Steuerzahler, Anteil daran machten Sie öffentlich: 375 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln für das Unternehmen aus Mainz. Und die Chance auf ein Statement pro Genmanipulation – denn auf diesem Wege wird das BioNTech-Präparat erzeugt – ließen Sie sich schon gar nicht entgehen: „Wir müssen uns fragen, ob wir neue Technologien, wie sie sich bei der Covid-19-Impfstoffentwicklung als Hoffnungsträger herausstellen, weiterhin so skeptisch sehen wollen.“ Wer Ihr Interview allerdings in Gänze las, stieß darin auch auf diese (verstörende) Feststellung: „Es ist nicht bekannt, wie lange und wie gut die Impfstoffe schützen […]“

Wahrscheinlich können Sie aber trotzdem nicht verstehen, warum wir uns nun Fausten anverwandt fühlen: „Habe nun, ach! […] / Und leider auch Ministerin Karliczek / Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. / Da steh’ ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug, als wie zuvor […].“

Franziska Giffey, verhinderte Erlöserin – Durch die im Niedergang befindliche Berliner SPD ging dieser Tage ein bis an den Alpenrand vernehmbares Aufatmen. Flügelübergreifend – was in diesem polit-genetisch bedingt zerstrittenem Haufen mehr als selten ist. Sie erklärten, Ihren Doktortitel aufgrund der bösen Angriffe auf die Qualität ihrer Dissertation nicht mehr führen zu wollen. In der Darstellung Ihnen wohlgesinnter – vorsichtig formuliert – Kollegen liegt das fast auf dem Level der Heiligen Johanna von Orleans, die sich selbstlos für ihren König gegen die Schwerter der fiesen Engländer warf … Aber mal ehrlich, natürlich wollen Sie damit einer Aberkennung des Titels durch die Freie Universität Berlin zuvorkommen. Und natürlich die potenzielle Spitzenkandidatin der SPD für die Abgeordnetenhauswahlen 2021 gegen zuverlässig erfolgende finstere Attacken der Opposition wappnen. Das beträfe Sie selbst. Wir können Sie beruhigen: Der Universität wird nichts anderes übrig bleiben, als Ihre Dissertation in den Orkus zu spülen. Der Ruf der Exzellenz-Uni ist lädiert genug. Sicherlich verleihen auch andere akademische Titel als Politikerschmuck, aber nicht jede Hochschule lässt sich dabei so leicht erwischen. Und die faulen Eier und Tomaten wird die Opposition mit Lust schmeißen. Die hält die derzeitige Landesregierung sowieso von Anfang an für einen Haufen regierender Hochstapler. Sie haben den richtigen Zeitpunkt verpasst. Das passiert. Den „Rest“ werden im nächsten Herbst die eigenen Genossen erledigen. Tun Sie sich das nicht an.

Björn Böhning (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und personifizierte Doppelmoral – Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum eigentlich Ihre Partei beim Wahlvolk immer unbeliebter wird? Der Umfragewert der SPD für die nächste Bundestagswahl dümpelt derzeit um klägliche 15,2 Prozent. Vielleicht liegt einer der Gründe dafür genau in Mandats- und Amtsträgern wie Ihnen? Als es vor Jahren um die Plagiate des damaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg ging, machten Sie eine klare Ansage: „Guttenberg will auf Doktortitel verzichten. Aber den akademischen Grad kann man gar nicht zurückgeben. Betrug oder kein Betrug das ist die frage [sic!].“ Jetzt, in der vergleichbaren Causa Giffey, die wegen Plagiatsvorwürfen gerade ihren Doktortitel abgelegt hat, tönen Sie: „Respektable Entscheidung von Franziska Giffey!“ Getreu dem ursozialdemokratischen Leitprinzip: „Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.“

Annegret Kamp-Karrenbauer, auch Marine-Ministerin – Wahrscheinlich summen Sie unter der Dusche beim Träumen über die Fregatte „Hamburg“ das nette Liedchen „Ein Schiff wird kommen …“ Die „Hamburg“ hatten Sie schon dieses Jahr in den Indo-Pazifik entsenden wollen, um in umstrittenen Gewässern Flagge zu zeigen. Das Virus hat die Absage der Mission bewirkt. Seit wir die Meldung aus dem Marineministerium – es wird Zeit, dass das endlich eingerichtet wird! – lasen, geht uns ein anderer Song nicht aus dem Kopf: Fritz Rotter und Otto Stransky reimten 1925 fröhlich „Was macht der Maier / am Himalaya? … Rauf ja, das kunn’t er / Ich frag mich aber: / Wie kommt er runter?“ Wir fragen uns auch, wie wollen Sie da wieder rauskommen, wenn Sie die Nummer durchziehen? Uns fällt nur nicht das passende pazifisch-chinesische Reimwort auf „Anne“ ein …

Lorenz Caffier, selbsternanntes Jagdopfer – Dieser Tage haben Sie nach 14-jährigem Amtieren als CDU-Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns Ihren Rücktritt erklärt. Anlass war Ihr „Umgang“ mit dem Kauf einer Pistole bei einem ehemaligen Mitglied des 2017 aufgeflogenen rechtsextremen Netzwerks „Nordkreuz“. Erst nach langem Zögern hatten Sie eingeräumt, dass Sie die Waffe „aus heutiger Sicht“ bei diesem Verkäufer im Januar 2018 nicht hätten erwerben dürfen. Nicht der Erwerb als solcher sei ein Fehler gewesen, darauf legten Sie als Jäger und Waffenscheinbesitzer Wert, sondern eben Ihr „Umgang damit“. Genau! Wie heißt es doch bei Goethe: „Sage mir, mit wem Du umgehst …“?

Jürgen Todenhöfer, verwirrender Teamchef – Anlässlich Ihres 80. Geburtstages haben Sie kürzlich – nach 50-jähriger Mitgliedschaft – Ihren Austritt aus der CDU erklärt. Angesichts Ihrer Forderungen nach einem Ende von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und dem Stopp von Waffenexporten erscheint das nur folgerichtig. Zugleich kündigten Sie die Gründung einer eigenen Partei namens „Team Todenhöfer“ an. Solche Bezeichnungen kannte man bisher von österreichischen Rechtspopulisten. Das „Team Stronach“ musste nach fünf Jahren seine Selbstauflösung verkünden, „Team HC Strache“ ergänzte seinen Namen durch „Allianz für Österreich“ und scheiterte bei den Wahlen in Wien an der 5-Prozent-Hürde. Sollten das Ihre Vorbilder sein? Albert Einstein: „Wir leben in einer Zeit … verworrener Ziele.“

Péter Szijjártó, ungarischer Außenminister – Ihr Kurzbesuch in Kambodscha löste bei den Gastgebern den Alarmzustand aus, den Regierungschef Hun Sen diplomatisch als „November 3 event“ umschrieb. Da Sie am Tag darauf im benachbarten Thailand covid-positiv getestet wurden, mussten rund 1400 Kambodschaner, die direkt oder indirekt mit Ihnen in Kontakt geraten waren, in Quarantäne geschickt und mehrfach getestet werden. Vier Personen wurden im Krankenhaus behandelt, Schulen wurden geschlossen, auch Hun Sen persönlich begab sich vorübergehend in häusliche Isolation. Sie selbst berichteten derweil täglich per Facebook über Ihr Befinden und ernteten den Zuspruch Ihrer zahllosen Anhänger. Allerdings gibt es da auch Zweifler: Im August hatten Sie sich daselbst bei emsiger diplomatischer Tätigkeit in Ihrem Büro präsentiert, während Sie sich in der Realität auf der Luxusjacht eines millionenschweren Landsmanns vergnügten. Wir wünschen gute Besserung.