Nun wird’s immer früher schon dunkel.
Das war heut die kürzeste Nacht
des Jahres. Im Sternengefunkel
hab ich wie ein Fremder gelacht.
Hier hüten die Wölfe die Schafe.
Auf glühenden Kohlen der Bär
tanzt zwischen Belohnung und Strafe
und Schuld daran trägt keiner mehr.
Die Flaschenpost liegt seit Jahrzehnten
im Schilf wie ein gläsernes Vieh.
Wonach wir vor Zeiten uns sehnten
das war und das bleibt Utopie.
Nun wird’s immer früher schon dunkel.
Das war heut die kürzeste Nacht
des Jahres. Im Sternengefunkel
hab ich wie ein Fremder gelacht.
An Sternschnuppen wird es nicht fehlen,
doch was wir uns wünschen dabei,
das dürfen wir keinem erzählen
und so sind wir wieder nicht frei.
Sie fallen und fallen und fallen.
Schön wär’s: Was zu zweit uns gelingt,
gelänge am Ende mit allen,
daß keiner im Spiegel ertrinkt.
Nun wird’s immer früher schon dunkel.
Das war heut die kürzeste Nacht
des Jahres. Im Sternengefunkel
hab ich wie ein Fremder gelacht.
Wir singen und trinken und schreiben.
Die Sonnte taucht auf kurz nach vier.
Wir lassen die Flaschenpost treiben
und riechen das Blut im Revier.
Wir hörn den Applaus für den Bären.
Das Rot brennt sich ein ins Gesicht
und wenn deine Augen nicht wären,
ertrüge ich kaum so viel Licht.
Nun wird’s immer früher schon dunkel.
Das war heut die kürzeste Nacht
des Jahres. Im Sternengefunkel
hab ich wie ein Fremder gelacht.
Juni 2020
Schlagwörter: Henry-Martin Klemt