Das im Juli 2015 abgeschlossene Nuklearabkommen zwischen den fünf UN-Vetomächten und Deutschland auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite galt als großer diplomatischer Erfolg. Die USA hatten im Zuge der Verhandlungen 2015 ihre langjährige Forderung aufgegeben, der Iran dürfe keinerlei Uran anreichern – auch nicht für zivile Zwecke. Damit wurde der Weg frei für die Atom-Vereinbarung mit Teheran. Die internationalen Sanktionen wurden aufgehoben. Im Gegenzug fuhr der Iran entsprechend dem Nuklearabkommen seine nuklearen Aktivitäten drastisch zurück – und stellte sie unter die strenge Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde. Diese Kontrollen sind bis heute in Kraft – trotz der Kündigung des Vertrages durch US-Präsident Trump vor etwa zwei Jahren.
Für die Politikwissenschaftlerin Azadeh Zamirirad von der Berliner Stiftung „Wissenschaft und Politik“ ist das der wichtigste Erfolg des Nukleardeals:„Es finden nach wie vor regelmäßig dauerhaft Inspektionen durch die Internationale Atomenergie-Organisation statt. Das heißt, wir wissen, welche technischen Schritte Teheran unternimmt. Wir können also beurteilen, ob dieses Programm von zivilen Ausrichtungen abweicht und solange die Kooperation mit dieser Behörde anhält, sind wir gut aufgestellt. Solange hat die Atomvereinbarung auch noch einen Mehrwert.“
Teheran hatte sich für seine Zugeständnisse in erster Linie eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen eingehandelt. Nach dem US-Rückzug aus der Vereinbarung sind diese von Donald Trump allerdings wieder in Kraft gesetzt worden. Mit fatalen Folgen für Teheran: Denn seine Öleinnahmen sind drastisch zurückgegangen. Die USA drohen nun wieder, weltweit alle Unternehmen und Banken vom US-Markt auszuschließen, wenn diese mit dem Iran Handel treiben. Solche sogenannten exterritorialen Sanktionen werden zwar von vielen Experten als völkerrechtswidrig angesehen und auch unter anderem von Deutschland kritisiert. Aber auch die EU hat diesen US-Sanktionen bisher nichts entgegenzusetzen vermocht.
US-Präsident Trump hat das Nuklearabkommen nicht wegen der Sorge vor einer iranischen Atombombe gekündigt, glaubt der Iran-Experte Walter Posch von der Landesverteidigungsakademie des österreichischen Bundesheeres. Ohnehin erklären selbst die US-Geheimdienste seit 2007 immer wieder, dass der Iran seine Atomwaffen-Bestrebungen spätestens 2003 eingestellt hat. Die nukleare Gefahr werde von den Falken in der US-Administration nur vorgeschoben, meint Walter Posch. Die wichtigsten Motive von Trump seien die Hoffnung auf einen Regime Change in Teheran und geopolitische Machtinteressen: „Ganz eindeutig ist die Absicht zu erkennen, diesen maximalen Druck so weit zu treiben, dass der Iran in Schlüsselpositionen im Nahen Osten hinausfällt. Da koinzidieren israelische, amerikanische und saudische Interessen.“
Nach der Kündigung des Iran-Abkommens durch die USA hält inzwischen der Iran seinerseits gewisse Beschränkungen des Nuklearabkommens nicht mehr ein. So hat Teheran den Grad der Urananreicherung von 3,6 auf 4,5 Prozent erhöht – für eine Atomwaffe ist allerdings eine 90-prozentige Urananreicherung erforderlich. Außerdem hat der Iran mittlerweile einen Vorrat von rund 1000 kg an Uranhexaflorid angelegt – vertraglich erlaubt sind nur 200 kg. Diese Verstöße gegen die Nuklearvereinbarung seien aber nicht sonderlich besorgniserregend, urteilt Kelsey Davenport von der Washingtoner „Arms Control Association“: „Die Vertragsverletzungen des Irans sind sehr begrenzt. Sie haben das Ziel, die Verhandlungsposition des Iran zu verbessern und sie signalisieren zugleich, dass Teheran nicht vorhat, im Eiltempo Atomwaffen anzustreben. Iran hat angekündigt, dass die Übertretungen jederzeit zurückgenommen werden können, wenn die Sanktionen wieder außer Kraft gesetzt werden.“
Die Aufhebung des US-Embargos ist allerdings nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die US-Regierung fordert im UN-Sicherheitsrat, ein permanentes Verbot von Waffenexporten in den Iran. Zugleich soll Teheran weiterhin verboten bleiben, eigene Waffen auszuführen. Das widerspricht dem Nuklearabkommen, das für diesen Oktober ein Ende des UN-Waffenembargos vorsieht. Ob die USA für ihr Vorhaben im Sicherheitsrat eine Mehrheit finden werden, ist ungewiss. China und Russland würden vermutlich ihr Veto einlegen. Für den Fall, dass die US-Initiative scheitert, hat Washington angekündigt, die Wiederaufnahme sämtlicher UN-Sanktionen gegen den Iran durchzusetzen.
Ob dies juristisch möglich wäre, ist allerdings umstritten. Russland und China – aber auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien – gehen nämlich davon aus, dass die USA nach der Kündigung nicht mehr Vertragspartner des Iran-Abkommens sind – und deshalb – so die Sichtweise – könnte Washington die aufgehobenen UN-Sanktionen auch nicht einseitig in Kraft setzen.
Der Iran hat schon Gegenmaßnahmen angedroht, sollten das Waffenembargo nicht beendet und die UN-Sanktionen wieder eingeführt werden: Möglich seien eine Kündigung des Iran-Abkommens und damit ein Ende der internationalen Kontrollen der iranischen Nuklearanlagen oder sogar ein Austritt aus dem Nichtweiterverbreitungsvertrag.
Hat der Atomdeal vor diesem Hintergrund überhaupt noch eine Perspektive? Für die Politikwissenschaftlerin Ellie Geranmayeh vom Thinktank „European Council on Foreign Relations“ in London ist die Vereinbarung noch nicht gescheitert. Das Wichtigste sei jetzt zu verhindern, dass Washington noch vor den US-Präsidentschaftswahlen versucht, die UN-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen. Vor allem die europäischen Staaten müssten in dieser Sache nun klar Stellung beziehen. Für Ellie Geranmayeh müssen sie schon vorab erklären, dass die geplante Wiedereinführung der UN-Sanktionen durch die USA gegen das internationale Recht verstößt. Zugleich müssten wirtschaftliche Gegenmaßnahmen angedroht werden: „Wir müssen ein System finden, das die USA abschreckt, weil es ihnen wirkliche Kosten auferlegt, wenn sie europäische Firmen bestrafen, die mit dem Iran handeln. Was tun wir zum Beispiel bei Handelskonflikten, wenn die USA gegen europäische Firmen Zölle erheben? – Wir antworten mit Gegenzöllen – verlangen ebenfalls Sonderabgaben.“
Eine weitere Maßnahme schlägt Azadeh Zamirirad von der Berliner Stiftung „Wissenschaft und Politik“ vor: „Die Europäer müssten auch deutlich machen, dass sie bereit sind, rechtliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen, dass sie beispielsweise den Fall vor den Internationalen Gerichtshof bringen.“
Aber sind die europäischen Staaten bereit, in dieser Frage auf Konfrontationskurs gegenüber Washington zu gehen? Das ist offen. Einige Experten sehen darin jedoch durchaus eine Chance. Sie verbinden damit die Hoffnung, Donald Trump könnte so bis zu den US-Präsidentschaftswahlen im November von weiteren Schritten zur Zerstörung des Iran-Abkommens abgehalten werden. Verbunden ist damit die Hoffnung, dass Jo Biden, der demokratische Präsidentschaftsbewerber, die Wahlen gegen Donald Trump gewinnen wird. Denn Biden hat erklärt, unter gewissen Bedingungen wieder dem Nuklearabkommen mit dem Iran beizutreten. Ein Wahlsieg von Trump hingegen könnte das endgültige Aus für den Atomdeal bedeuten.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ (NDR-Info, 11.7.2020).
Schlagwörter: Iran, Jerry Sommer, Nukearabkommen, USA, Wirtschaftssanktionen