Der Name Augsburg war für mich als Kind mit hochgradig prägenden Kunsterlebnissen verbunden: Da waren der Kater Mikesch und der kleine dicke Ritter Oblong Fitz-Oblong und noch so manche Helden der Marionettenbühne mehr. Später kamen Brechts „Baal“ dazu und die Leistungen einer stolzen Bürgerschaft, die dem Reiche zur Zierde gereichten und noch heute den Ruf der Stadt ausmachen. Augsburg, das hatte und hat für mich so gar nichts mit dem schwäbischen „Schaffe, schaffe, Häusle baue …“ und der damit verbundenen Pfennigfuchserei zu tun.
Ein Irrtum offenbar.
In Augsburg wurde 1719 Leopold Mozart geboren, der Vater von Wolfgang Amadeus. Mozart senior verbrachte seine ersten 18 Lebensjahre in der Stadt am Lech und bekannte sich immer zu seiner Heimatstadt und den mit ihr verbundenen demokratischen Bürgertugenden. Letzteres als Hofbediensteter im unter klerikaler Tyrannis leidenden Salzburg zumeist hinter vorgehaltener Hand. Immerhin hielt er bis 1755 am Augsburger Bürgerrecht fest. Seit 1937 gibt es in der dortigen Frauentorstraße 30 ein Mozartmuseum, das auf engem Raum versuchte, die Geschichte der Familie Mozart aufzublättern. Auch Wolfgang Amadeus hatte schließlich eine enge Beziehung zur Freien Reichsstadt, das war das „Bäsle“, die Cousine Marianne Mozart. Vor wenigen Jahren entschloss sich die Stadt aber, das Museum neu zu konzipieren und ganz auf Leopold auszurichten. Am 7. März 2020 wurde nach mehrjährigen Umbauarbeiten die neue Dauerausstellung eröffnet. Leopold Mozart
Punktgenau zum Leopold-Mozart-Jahr hatte man es nicht geschafft. Aber immerhin fast.
Wenige Wochen zuvor erschien im Bremer Donat Verlag die umfassende Leopold-Mozart-Biographie Dieter Riesenbergers. Als der Verleger Helmut Donat von der Wiedereröffnung des Mozart-Hauses erfuhr, wandte er sich unter Verweis auf die positive Resonanz, die Riesenbergers Monographie auch in der Augsburger Presse erfahren hatte, per E-Mail mit einem Angebot an das Haus: „Dort wird es sicher auch einen Buchstand geben, und ich bitte Sie daher, die Biografie von D. Riesenberger in das Angebot aufzunehmen. Selbstverständlich erhalten Sie Rabatt.“
Die Antwort kam prompt, eine gute Viertelstunde später: „[…] da wir im vergangenen Jahr selbst eine Biographie über Leopold Mozart (geschrieben von Silke Leopold) herausgegeben haben, werden wir uns beim Shop Angebot im eigenen Interesse auf diese Biographie beschränken.“ Nun ist die Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold eine respektable Persönlichkeit und ihr Buch lesenswert. Die Charakterisierung des Bärenreiter Verlages, das Buch sei die „erste umfangreiche Biografie zu Leopold Mozart“, ist allerdings Hochstapelei. Der Donat Verlag legte Dieter Riesenbergers Werk einige Wochen vor Erscheinen der Leopoldschen Biographie vor. Als Herausgeber letzterer fungiert das „Mozartbüro der Deutschen Mozartstadt Augsburg“. Die rüplige Antwort an Donat ist übrigens unterschrieben mit „Ihr Team der Deutschen Mozartstadt“.
Oh Gott! Deutsche Mozartstadt als Titel … Das suggeriert zweierlei: Nur wir und kein anderer, da pustet sich einer wie ein Fregattvogel beim Balzen mit Bedeutung voll – und maßt sich zugleich die Deutungshoheit an. Und dann kommt so ein dahergelaufener Bremer (!) Verleger und will uns belehren! Donat wollte übrigens wissen, wer hinter dem Team steckt und die zitierte kalte Absage verfasste. Auf die Antwort wartet er bis heute. Wir haben recherchiert: Dahinter steckt das „Mozartbüro der Deutschen Mozartstadt Augsburg“. Das ist ein Mitarbeiter des städtischen Kulturamtes. Der Mann heißt Simon Pickel. Sein „Büro“ beim Kulturamt der Stadt Augsburg ist eine Stelle, die ursprünglich der Mozart-Forschung diente. Die wurde einfach „umgewidmet“. Pickel wiederum ist Mitherausgeber der Monographie von Silke Leopold. Er selbst nennt sich auf der Karriereplattform linkedin.com „Artistic Director“, ist also Kulturmanager, der von Musikwissenschaft nicht unbedingt Ahnung haben muss. Umso mehr allerdings von Marketing und PR. Das scheint in der Augsburger Kulturpolitik – und nicht nur da – Oberwasser gewonnen zu haben. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Die Sicherung des Marktmonopols wird allerdings, wie in der Kulturpolitik üblich, viel netter umschrieben: „Es geht ihr [der Stadt Augsburg – G.H.] dabei um eine geordnete Kommunikation und Vermarktung der Mozartaktivitäten nach außen.“ So beschrieb Die Augsburger Zeitung im Januar 2015 die Absichten der Gründer des „Büros“. Da kann doch keiner daherkommen und so einfach ungefragt eine Leopold-Mozart-Biographie auf den Tisch legen wollen … Das passt nicht in die geordnete Vermarktung wie gesagt nach außen, nicht von außen!
Wem dafür allerdings jegliches Verständnis zu fehlen scheint, ist der Bremer Verleger: „Wie kann der Stadt Augsburg bzw. dem Mozart-Haus ein Schaden zugefügt werden, wenn Sie im Sinne eines Alleinstellungsmerkmal darüber wachen, dass nur die eine Biographie angeboten und die andere bewusst ausgegrenzt wird?“ Eine Antwort dafür hat er bis heute nicht erhalten. Wir können nur mutmaßen: dem Mozart-Haus sicher nicht, aber möglicherweise entstehen einigen Persönlichkeiten kleinere Einnahmeverluste? Das geht gar nicht. Womit wir wieder bei den schwäbischen Urtugenden sind.
Und bei der Augsburger Puppenkiste, die diese seit Jahrzehnten trefflich aufzuspießen sucht. Offenbar vergeblich. Zu den schwäbischen Tugenden zählte bislang die Bescheidenheit. Aber auch das scheint vorbei zu sein. Wikipedia zitiert – ohne Quellenangabe, damit wird die Urheberschaft des Textes deutlich – den Kulturreferenten Thomas Weitzel (CSU): „Augsburg nimmt im Dreiklang der Mozartstädte eine eigene Schlüsselrolle ein und das Leopold-Mozart-Haus ist ein nachhaltiger Ausdruck dieses wertvollen Kulturerbes, denn: ohne Leopold kein Wolfgang.“ Wie geistreich! Ohne Leopold kein Wolfgang … Die anderen beiden Mozartstädte heißen übrigens Salzburg und Wien. Dort wird man über die Augsburger Anmaßung leicht amüsiert sein. Helmut Donat scheint mit seinem bescheidenen Anliegen in ein Wespennest gestochen zu haben. Thomas Weitzel ist seit 2010 Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft – deren Sitz ist das Augsburger Leopold-Mozart-Haus – und in der bayerisch-schwäbischen Kulturpolitik nicht unumstritten. Jürgen Kannler, Herausgeber und Chefredakteur des Kulturmagazins a3kultur, bezeichnete Weitzel im vergangenen Juli als „Schläfer“. Erst im Vorfeld der jüngsten bayerischen Kommunalwahlen wurde dessen CSU-Mitgliedschaft öffentlich.
Klüngelwirtschaft ist kein Monopol der Bau-Branche. In der Anmoderation eines Interviews von BR-Klassik mit Simon Pickel spricht der Sender übrigens von Augsburg als „Fugger-Stadt“. Das trifft es. Der städtischen Possenkiste können die Puppenspieler nicht das Wasser reichen.
Schlagwörter: Augsburg, Günter Hayn, Leopold Mozart