23. Jahrgang | Nummer 4 | 17. Februar 2020

Kirk Douglas

von Mario Keßler

Kirk Douglas, der am 5. Februar im Alter von 103 Jahren starb, wurde in zahllosen Nachrufen weltweit als einer der ganz Großen aus Hollywoods „goldener Ära“ gewürdigt. „Mit Charisma, Durchsetzungskraft und rigidem Arbeitsethos wurde der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer aus ärmsten Verhältnissen zum Weltstar“, hieß es im Spiegel. Im Londoner Guardian war zu lesen: „Kein Schauspieler würde es jetzt noch wagen, mit dem Elan und der Überzeugung aufzutreten, die ihn trieben.“ Der aus ärmsten Verhältnissen stammende Douglas – sein Geburtsname war Issur Danielovich – musste sich durch viele „Nebenjobs“ das Geld zum Studium, erst der Chemie, dann der englischen Literatur, endlich der Schauspielkunst, hart erarbeiten. Seine Kollegin Lauren Bacall, später mit Humphrey Bogart verheiratet, half ihm auf dem Weg nach Hollywood, wo er sich nach einer ersten Nebenrolle 1946 an der Seite von Barbara Stanwyck drei Jahre später in „Champions“ („Zwischen Frauen und Seilen“) durchsetzte. Der Regisseur dieses Films, der das Geschäftsgebaren im Profiboxen kritisch beleuchtete, war Mark Robson. Der Produzent Stanley Kramer und der Drehbuchautor Ring Lardner gehörten zu den von der Rechten angefeindeten progressiven Filmschaffenden.

Zu ihnen gehörte auch Kirk Douglas. Der Journalist Gene Seymour würdigte auf der Internet-Plattform CCN Opinion den Schauspieler, der „seine Macht und seinen Einfluss als Star in den späten 1950er Jahren nutzte, um die Schwarze Liste Hollywoods zu durchbrechen, die viele Leben ruinierte und viele talentierte Berufskollegen davon abhielt, ihrer Arbeit offen nachzugehen.“

Worum ging es? Kirk Douglas suchte Dalton Trumbo für das Gladiatorenepos „Spartacus“ als Drehbuchautor zu gewinnen. Trumbo war einer von mehreren Hollywood-Autoren (die berühmten „Hollywood Ten“, als deren elfter Bertolt Brecht auserkoren war), die 1947 vor dem Ausschuss für „Unamerikanische Tätigkeit“ sich selbst und andere wegen unterstellter Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei belasten sollten. Nach ihrer Weigerung, dies zu tun, wurden sie wegen „Missachtung des Kongresses“ verurteilt und eingesperrt. Brecht verließ die USA sofort nach seiner Befragung.

Einer der damals Angeklagten war Dalton Trumbo, der wegen seiner – ihm gesetzlich zustehenden – Aussageverweigerung für elf Monate ins Gefängnis kam und auf eine so auch bezeichnete Schwarze Liste gesetzt wurde. Es war Kirk Douglas, der Stanley Kubrick nicht nur dazu bewog, den Roman „Spartacus“ des früheren Kommunisten Howard Fast 1960 zur Vorlage eines Filmdrehbuchs zu nehmen. Überdies gewann Douglas als Drehbuchautor eben jenen Dalton Trumbo, dessen Name damit erstmals wieder auf der Leinwand erschien. Douglas nahm öffentlich alle Verantwortung dafür auf sich. Unmittelbar danach gewann Otto Preminger den soeben noch Verfemten dazu, das Drehbuch für „Exodus“ zu schreiben, einen weiteren Filmklassiker. Bereits 1954 und 1957 waren zwei Drehbücher Trumbos zwar mit dem „Oscar“ ausgezeichnet worden, doch hatte er die Manuskripte für die Filme „Roman Holiday“ („Ein Herz und eine Krone“) und „The Brave One“ („Roter Staub“) nur unter Pseudonym einreichen können und war entsprechend kümmerlich bezahlt worden. Kirk Douglas hatte der fast allgegenwärtigen Heuchelei im Filmgeschäft also einen entscheidenden Schlag versetzt – einen Schlag, der wirkungsvoller war als alle, die er in seiner Rolle als Boxer 1949 ausgeteilt hatte.

2015 erschien Jay Roachs Film „Trumbo“ in den US-amerikanischen Kinos. Er stellte das Geschehen ohne Beschönigung nach – mit Bryan Cranston als Dalton Trumbo, Christian Berkel als Preminger und Helen Mirren als Hedda Hopper, die kräftig mitgeholfen hatte, Trumbos berufliche Laufbahn zu zerstören. Dean O’Gorman übernahm die Rolle des Kirk Douglas.

Douglas selbst kommentierte die Filmpremiere mit den Worten: „Es gibt Zeiten, in denen man für Prinzipien eintreten muss. Ich bin so stolz auf meine Mitschauspieler, die ihren öffentlichen Einfluss nutzen, um sich gegen Ungerechtigkeit zu wenden. Mit 98 Jahren habe ich eine Lektion aus der Geschichte gelernt: Sie wiederholt sich sehr oft. Ich hoffe, dass ‚Trumbo‘, ein guter Film, uns alle daran erinnert, dass die Schwarze Liste eine schreckliche Zeit in unserem Land war, aber dass wir daraus lernen müssen, damit solches nie wieder passieren kann.“

Die öffentliche Arbeit des Schauspielers endet nicht, wenn der Film abgedreht ist, betonte Kirk Douglas ein um das andere Mal – vor Kameras in der Bundesrepublik übrigens in hervorragendem Deutsch.

Hat Douglas’ Eintreten für eine gute Sache ihn einen Oscar gekostet? Das fragte Gene Seymour und erinnerte an die lange Liste seiner großen Filme: von „Young Man with a Horn“ („Der Mann ihrer Träume“) von 1950 bis „The Fury“ („Teufelskreis Alpha“) von 1978 – nicht zu vergessen die überaus beeindruckende Darstellung Vincent van Goghs im gleichnamigen Film 1956. Schließlich erhielt Douglas 1996 einen „Ehren-Oscar“ in ausdrücklicher Würdigung für „fünfzig Jahre als eine kreative und moralische Kraft in der Filmkunst“.

Im Jahr 1958 suchte ihn Stanley Kramer, auch er ein bei der Oscar-Verleihung Übergangener, für seinen Film „The Defiant Ones“ („Flucht in Ketten“) zu gewinnen. Zwei aneinander gefesselten Strafgefangenen, einem Weißen und einem Schwarzen, gelingt der Ausbruch aus einem Gefangenentransport. Der Film lebt von der Spannung zwischen Joker (gespielt von Tony Curtis), der auf Schwarze herabblickt, und dem verbitterten Noah (gespielt von Sidney Poitier), der alle Weiße für Rassisten hält. Ihre Erkenntnis, ethnische Vorurteile zu überwinden, fällt mit dem Scheitern ihres Fluchtversuchs zusammen. Douglas soll, so will es die Anekdote, zu Kramer gesagt haben: „Ja, ich bin dabei, aber ich möchte beide Rollen spielen.“ Ob sie stimmt, kann hier nicht geprüft werden. Aber sie passt zur Persönlichkeit des großen Schauspielers, eines der besten im vergangenen Jahrhundert. Der „Elan und die Überzeugung, die ihn trieben“, sind auch heute sehr nötig.