von Bernhard Romeike
Während im Sommerloch im politischen Berlin kaum jemand zu sehen ist, rückt der drittrangige Norbert Röttgen von der CDU ins Rampenlicht, seines Zeichens Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Er forderte einen Einsatz deutscher Flotteneinheiten in der Straße von Hormus. Iranische Einheiten hatten am 19. Juli den britischen Tanker „Stena Impero“ festgesetzt, angeblich weil der internationale Schifffahrtsregeln verletzt habe. Röttgen meinte, das Verhalten Irans verlange „eine europäische Antwort“. Die britische Regierung, die bereits mit eigenen Kriegsschiffen in der Region unterwegs ist, warb für eine „europäische“ Militärmission, an der Röttgen die Deutschen beteiligt sehen möchte.
Zur Begründung sagte er, der Iran habe mit der Festsetzung des britischen Tankers einen wesentlichen Bereich des internationalen Rechts, die freie Schifffahrt, angegriffen. Die jedoch sei „Grundlage des freien Handels, des Exports und damit unseres Wohlstandes“. Der Vorsteher der Münchner Unsicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, assistierte und betätigte sich erneut als diensteifriger Kriegstreiber: „Kaum ein Land hängt von der Freiheit der internationalen Schifffahrt so stark ab, wie der Exportweltmeister Deutschland“, sagte er der Welt am Sonntag. Deshalb dürfe das Land „nicht von der Reservebank aus zuschauen, wenn jetzt eine maritime EU-Schutzmission am Golf diskutiert wird“. Das ist wieder der Spruch, den die Befürworter einer militärisch gestützten deutschen Weltpolitik seit dem Papier „Neue Macht – Neue Verantwortung“ von 2012/2013, das von der Stiftung Wissenschaft und Politik und vom German Marshall Fund in Zusammenarbeit mit dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes unter Einbeziehung unterschiedlicher außenpolitischer Fachleute und Politiker erarbeitet wurde, im Modus einer tibetanischen Gebetsmühle zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wiederholen.
Richtig ist, dass nach internationalem Seerecht die Durchfahrt durch Meerengen, die zwei Teile des Weltmeeres verbinden, wie die Straße von Gibraltar (Mittelmeer-Atlantik), die Straße von Malakka (Indischer Ozean-Südchinesisches Meer) oder der Ärmelkanal (Atlantik-Nordsee), in Friedens- wie Kriegszeiten den Schiffen aller Flaggen grundsätzlich offensteht. Analog ist es bei Meerengen, die das Weltmeer mit einem geschlossenen Meer verbinden, wie der Straße von Hormus (Persischer Golf-Arabisches Meer beziehungsweise Indischer Ozean), oder den Dardanellen und dem Bosporus (Schwarzes Meer-Mittelmeer), sofern es keine gesonderte Regelung gibt – wie im letzteren Fall, da der Meerengen-Vertrag von Montreux (1936) Restriktionen festlegt, insbesondere in Bezug auf die Durchfahrt von Kriegsschiffen.
Nun hatte jedoch Großbritannien, das sich nach wie vor als Herr über die Straße von Gibraltar versteht, noch unter der Regierung May am 4. Juli den iranischen Tanker „Grace 1“ gekapert und in Gibraltar an die Kette gelegt. Zunächst dachten etliche Beobachter, dies erfolge in vorauseilendem Gehorsam der britischen Regierung gegenüber Donald Trumps verschärften Sanktionen gegen den Iran, die insbesondere dessen Ölexport treffen sollen. Bald jedoch verlautete, es ginge um die Durchsetzung von Sanktionen der EU gegen Syrien, um insbesondere auch dessen Ölversorgung zu verhindern. Allerdings stammen diese Sanktionsbeschlüsse aus den Jahren 2011 und 2012 und die EU hatte bisher nicht versucht, sie auf Drittstaaten zu erstrecken. Dies wäre in Trump-Manier der Präzedenzfall, wonach auch die EU versucht, ihre Sanktionsbeschlüsse mit Gewalt und exterritorial, hier gegen einen Drittstaat durchzusetzen – vorausgesetzt, es war in Brüssel abgesegnet und nicht ein britischer Alleingang. Tatsächlich ist nur der UN-Sicherheitsrat befugt, Wirtschaftssanktionen zu verhängen, wenn es um die Durchsetzung von Völkerrecht und die Ahndung von Verstößen gegen das Friedensgebot geht. Daher hat ein EU-Beschluss keinerlei rechtliche Bindung für Russland, China, den Iran oder wen auch immer. In diesem Sinne war die Festsetzung des iranischen Tankers durch Großbritannien ein Akt der Piraterie.
Die Festsetzung des britischen Tankers durch Iran war daher, ungeachtet der mitgelieferten Begründungen, ein Akt der Retorsion – wenngleich diese in einem völkerrechtlichen Sinne nur rechtlich zulässige unfreundliche Gegenmaßnahmen der Selbsthilfe eines Staates gegen einen anderen einschließt. Gleichwohl ist der Ausgangspunkt des Vorganges die britische Piraterie. Wenn die Gegenmaßnahme nun ein Militäreinsatz der EU in der Straße von Hormus sein soll, ist der Akt des britischen Piratentums damit nicht geheilt. Eine Beteiligung Deutschlands wäre daher, genau betrachtet, Beihilfe zur Piraterie und damit rechtlich ausgeschlossen. Angemessene Gegenmaßnahmen wären dann künftig die Begleitung iranischer Tanker durch die Straße von Gibraltar durch iranische oder russische Kriegsschiffe.
Boris Johnson, kaum im Amt als Premierminister, schickte ein zweites britisches Kriegsschiff zum Golf. Sein Vater, Stanley Johnson (78), sagte am selben Tag dem iranischen Fernsehen, die Lösung sei ganz einfach: man brauche nur die beiden Tanker gegeneinander auszutauschen. Auch angesichts der Bekenntnisse von Großbritannien, Deutschland und Frankreich zur Erhaltung des Atomabkommens mit dem Iran wäre dies eine folgerichtige Geste. Alles andere spielt Donald Trumps Anti-Iran-Politik und den Kriegstreibern in die Hände. Die wollen aber in Berlin gerade wieder auch diese Gelegenheit nutzen.
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