22. Jahrgang | Nummer 13 | 24. Juni 2019

Saatzüchter für Braunes

von Günter Hayn

„Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren – bis zur letzten Patrone.“ Das stammt nicht von irgendeinem Nazi-Terroristen. Das ist auch keiner der üblichen „Ausrutscher“ Björn Höckes, Erika Steinbachs oder Alexander Gaulands, die hinterher immer erklären, das wäre ja nicht so gemeint gewesen. Das donnerte Horst Seehofer beim politischen Aschermittwoch der CSU im Jahre 2011 in Passau in den tobenden Saal. Abgetan wurde das als „Populismus“. So seien halt die bayerischen Christsozialen. Eben etwas markiger, bajuwarisch direkt …
Patronen? Am 12. Juni 2019 durchsuchte eine Spezialeinheit die Wohnung des Schweriner Polizisten Marko G., sie fand 10.000 Schuss Munition für Lang- und Kurzwaffen. G. gehört zur „Prepper-Szene“, die sich auf einen „Tag X“ vorbereitet, an dem man schlagartig die „linken“ und andere „Gefährdungen“ des politischen Systems der Bundesrepublik zu beseitigen beabsichtigt. In den Vernehmungen geben diese Leute – auch Angehörige der Bundeswehr und der Landespolizeien sind unter ihnen zu finden – sich gern als lediglich „besorgte Bürger“ aus. 10.000 Schuss bei einem Einzigen!
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wäre in der (sehr vorsichtig gezählten) Auflistung der Mordopfer rechtsextremer Gewalt seit 1990 das Todesopfer Nummer 197. Kassel liegt in Nord-Hessen. Der hessische Verfassungsschutz soll übrigens auf die NSU-Akten eine Sperrfrist von 120 Jahren verhängt haben. Mord verjährt nicht. Aber die Chance, dass in 120 Jahren noch Täter respektive ihre Helfershelfer dingfest gemacht werden können, dürfte gering sein. Ein Schelm, der Arges dabei denkt. Wird diesen potenziellen Mörderbanden nicht baldigst das Handwerk gelegt, wird es noch Dutzende weitere Opfer geben. Dazu gehört auch, die rhetorischen Brandstifter aus der Politik zu entfernen. Es ist vollkommen belanglos, ob diese Leute ihre Sprüche als direkte Handlungsaufforderung betrachten oder es „nicht so gemeint“ haben wollen. Dem ausgesprochenen Gedanken folgt immer die Tat. Dem nichtvollzogenen Handeln der Hüter unserer Demokratie folgen die Bluttaten ihrer Feinde. Und die stehen rechts.
Die faschistische Grundsuppe ist in der Bundesrepublik Deutschland immer unterschätzt und kleingeredet worden. Die größte Gefahr sind nicht die biersaufenden Glatzkopfhorden. Die existenziellen Gefährdungen unserer Demokratie kommen aus der vielzitierten Mitte der Gesellschaft. Seehofer – der Mann ist Bundesinnenminister! – ließ sich am 22. Juni 2019 von den Zeitungen der Funke-Mediengruppe mit der Absicht zitieren, „Demokratiefeinden Grundrechte zu entziehen“. Er wolle dem Rechtsstaat „mehr Biss geben“. Der Mann hat keine einzige seiner Positionen verändert. Der Fisch stinkt zuerst am Kopfe.