22. Jahrgang | Nummer 9 | 29. April 2019

Antworten

James Earl Carter (94), 39. Präsident der USA – Sie haben die USA jüngst als „die kriegerischste Nation in der Weltgeschichte“ bezeichnet und vorgerechnet, dass Ihr Land von seinen 242 Jahre als Nation nur fünf in Frieden, also ohne Kriege, militärische Angriffe und militärische Besetzungen gelebt hat – nämlich 1976, im letzten Jahr der Ford-Regierung, und von 1977 bis 1981, in den Jahren Ihrer Präsidentschaft. In einem Gespräch mit Ihrem amtierenden Nachfolger haben Sie, als Trump sich besorgt über Chinas wachsende Wirtschaftskraft äußerte, diesem entgegengehalten, dass ein Großteil des chinesischen Erfolgs auf seine friedliche Außenpolitik zurückzuführen sei. China habe seit 1979, dem Jahr seiner militärischen Auseinandersetzung mit Vietnam, keinen Krieg mehr geführt: „China hat keinen einzigen Cent für den Krieg verschwendet, und deshalb sind sie uns voraus. In fast jeder Hinsicht.“

Wolodymyr Selensky, designierter Präsident der Ukraine – Nichts spricht dafür, dass ein Komödiant per se ungeeignet wäre, einen Staat zu regieren. Warum sollte er ein schlechteres Staatsoberhaupt abgeben als ein Schokoladenfabrikant, ein Immobilienhai oder ein Geheimdienstchef? Schlechteres sei gar nicht möglich, meinten offenbar beeindruckende 73 Prozent der ukrainischen Wähler. Überheblich deshalb, wer Sie aus der Ferne von vornherein einen „Scharlatan“ nennt. Allerdings müssten Sie sich jetzt tatsächlich als „sluha narodu“ (Diener des Volkes) beweisen, nicht nur in einer Fernsehserie, sondern in der Realität.

Christian Schilcher, ehemaliger Vizebürgermeister des österreichischen Braunau – Ihnen ist es gelungen, die Stadt am Inn nach längerer Zeit wieder einmal in die überregionalen, sogar ausländischen Medien zu hieven: nämlich mit einem Gedicht unter dem Titel „Die Stadtratte“, darin Sie Migranten mit Ratten verglichen. Und das ausgerechnet am Geburtstag eines anderen Braunauers. „Unscharf und zu wenig präzise“ nannten Sie Ihre Formulierungen bedauernd, nachdem die Empörung hohe Wellen geschlagen hatte. Wenigstens wollten Sie für Ihre holprigen Verse nicht die „Freiheit der Kunst“ in Anspruch nehmen und traten von Ihrem Amt zurück. Die Anleihe bei der Nazisprache bildete Ihr Denken wohl doch gar zu präzise ab.

Ines Geipel, multiples Opfer des ostzonalen Unrechtsregimes – Dass Sie außer durch Zwangsdoping im Leistungssport und Buchenwaldmythos, was man seit längerem wusste, auch – wie Sie jetzt kundtaten – durch die Zivilverteidigung der DDR nachhaltig malträtiert worden sind, haut dem Fass die Krone um die Ohren: „Während des Studiums mussten wir ins Zivilverteidigungslager und hatten die Stiefel vor den Betten so auszurichten, dass wir bei Nachtalarm sofort gen Westen laufen konnten, Richtung Feind. Wo der sich befand, war immer klar – und dabei spielt der Buchenwaldmythos eben eine große Rolle […].“
Mal abgesehen davon, dass es nicht zu den Bestimmungen der unbewaffneten Zivilverteidigung der DDR gehörte, im Falle des Falles dem anrückenden Feind entgegenzulaufen, hatten Sie wohl einfach das Pech, eine Frau zu sein. Denn anderenfalls wären Sie womöglich zu den Grenztruppen im Oberharz einberufen worden, wo der Schreiber dieser Zeilen seinen Grundwehrdienst ableisten musste. Dort waren die Stiefel einfach so zu platzieren, dass man sie bei Alarm möglichst rasch an die Füße bekam. Himmels- oder Windrichtung spielten da gar keine Rolle.

Ernst (Ernö) Kállai, einst auch Weltbühnen-Autor – Angesichts vielgestaltiger Bauhaus-Publikationen anlässlich des 100. Gründungstages der Einrichtung, der Sie selbst nahe standen, sei an Ihren Artikel zum Zehnjährigen der Kunstschule erinnert, in dem Sie beklagten, dass „Bauhausstil“ ein Wort für alles geworden sei: „Heute weiß jeder Bescheid. Wohnungen mit viel Glas- und Metallglanz: Bauhausstil. Desgleichen mit Wohnhygiene ohne Wohnstimmung: Bauhausstil. Stahlrohrsesselgerippe: Bauhausstil. Lampe mit vernickeltem Gestell und Mattglasplatte als Schirm: Bauhausstil. Gewürfelte Tapeten: Bauhausstil. Kein Bild an der Wand: Bauhausstil. Bild an der Wand, aber was soll es bedeuten: Bauhausstil. Drucksache mit fetten Balken und Grotesklettern: Bauhausstil, alles kleingeschrieben: bauhausstil. ALLES GROSSGESPROCHEN: BAUHAUSSTIL.“