22. Jahrgang | Sonderausgabe | 25. Februar 2019

Nicht-Neues von Esche

von Thaddäus Faber

Wenn man mit Esche in einem Ensemble war,
dann war es besser,
von ihm gemocht zu werden.

Christian Grashof

Nach den drei Bänden von Eberhard Esche „Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen“, „Der Hase im Rausch“ und „Ein Stolz, der groß ist. Letzte Worte“ (postum herausgegeben von der allzu früh verstorbenen Annette Reber) nun also „allerletzte“ (?) Worte in Gestalt nachgelassener Briefe an eine anonym bleibende Theaterenthusiastin.
Wer die erstgenannten Bücher kennt, wird im jetzigen Neues kaum mehr finden. Dass dem Ausnahmemimen Gefallsucht von hohen Graden eigen war („Ohne Eitelkeit traut sich keine Sau vor das Publikum […].“) und er auch deswegen mit der Theaterkritik häufig überkreuz lag („noch nie hat ein Kritiker von Profession es je bemerkt, dass keine Vorstellung wie die andere ist“ und im „Übrigen schreibt die gesamte Journaille voneinander ab“), ist ebenso bekannt wie seine vielleicht doch etwas überhöhte Wertschätzung für Peter Hacks („den besten deutschen Dichter seit Goethe und Heine“), seine ätzende Verachtung für die gegenwärtige Gesellschaftsordnung („Hier, in den zivilisierten Zonen, heißt die Mafia Großkapital.“) und seine Ablehnung der Entwicklung von 1989/90, die ihn in dieselbe verpflanzt hat („bin kein Freund dieser Veruneinigung, die Einheit genannt wird“), inklusive seiner heftigen Missbilligung des Personals, das von westlich der Elbe hereinflutete, um selbst noch den letzten Schalthebel in Neufünfland zu besetzen („[…] lieber, wir wären von Portugiesen oder Spaniern besetzt worden, die über Erfahrungen im Kolonialwesen verfügen, als von ungelernten Kräften auf das Tölpelhafteste regiert zu werden.“). Auch Esches historischer Altersskeptizismus („[…] die ewigen Wiederholungen in der Geschichte der Menschheit. Bisher hat die Gattung das überlebt.“) ist dem Leser seiner früheren Bücher vertraut und sein, mit Verlaub, Abkotzen über den Theaterbetrieb („seit dreißig Jahren sehe ich dem Pflaumentausch, den man Intendantenkarussell nennt, zu“) nicht minder. Dass ihm schließlich der untergegangene Sozialismus allemal einen im Grundsätzlichen ungetrübten Rückblick wert war, weil „der Osten unter anderem die Möglichkeit wahr machte, die der brave Jesus schon zwei Jahrtausende zuvor vorgeträumt“ habe, nämlich „die Bankiers aus dem Tempel“ zu jagen, und dass er eben wegen dieses Untergangs in Gorbatschow nur einen gescheiterten „Glücksritter“ sah, ist dem Kenner Eschescher Prosa ebenfalls bereits bekannt. (Alle Zitate sind dem hier besprochenen Briefband entnommen.)
Hat also der Eulenspiegel Verlag mit „Der Kunst zu dienen“ ein völlig überflüssiges Buch auf den eh schon adipösen Buchmarkt geworfen? Keineswegs. Denn natürlich wird es Leser geben, die gerade mit diesem Band ihren Erstkontakt mit Eberhard Esche hinter sich bringen und vielleicht Lust auf Meeräsche, pardon, natürlich auf mehr Esche – aber so viel Kalauer muss, wo es um einen Meister auch des Wortspiels und -witzes geht, erlaubt sein – entwickeln. Und jene, die sich an des Schauspielers stilistischen Manierismen ergötzen, können ja sowieso nicht genug von ihm bekommen.
So bleibt als wirklicher Kritikpunkt nur dieser: Herausgeberin und Autorentochter Esther Esche hatte auch die Briefe der anonymen Theaterenthusiastin für dieses Buch mit zusammengestellt. Der Verlag entschied anders, respektive falsch. Denn gerade weil aus Esches Episteln nichts wirklich Neues über ihn herauskommt, er sich aber andererseits – wie aus seinen Antwortbriefen ein ums andere Mal hervorgeht – bei den Themen, zu denen seine Partnerin sich äußerte, ausnehmend selektiv bediente, hätten gerade seine Auslassungen vielleicht doch noch Unbekanntes über ihn verraten …

Eberhard Esche: Der Kunst zu dienen. Briefe an eine Theaterenthusiastin, Eulenspiegel Verlag, Berlin 2018, 127 Seiten, 12,99 Euro.