von Arndt Peltner, Puntland und Oakland
Garoowe ist die Hauptstadt der autonomen, somalischen Teilrepublik Puntlands. Es ist heiß, staubig, laut, Somalier nutzen viel ihre Hupe beim Autofahren. Ziegen, Esel und Kamele laufen wie selbstverständlich durch die Straßen und fressen an Büschen, Bäumen und suchen im Abfall nach Essbarem. Ein paar Straßenhunde liegen im Schatten und warten auf den kühleren Abend. Alles wirkt friedlich, nichts deutet auf die Piraten hin, die noch vor kurzem die Gewässer vor der Küste Puntlands unsicher machten. Nichts darauf hin, dass Somalia in den Augen der Amerikaner als ein Hort des Terrorismus gesehen werden muss. Die Folgen des von Präsident Donald Trump ausgerufenen Einreiseverbots für Menschen aus sieben, zumeist muslimischen Ländern, darunter auch Somalia, sind hier auf den Straßen von Garoowe allerdings nicht zu spüren. Darauf angesprochen zucken die meisten nur mit den Schultern, was soll das sein?
Als der republikanische Kandidat Donald Trump im Wahlkampf 2016 ein Einreiseverbot für Muslime in die USA forderte, waren die Reaktionen in den USA gespalten. Seine Unterstützer bejubelten den Mut Trumps, seine Kritiker hingegen machten deutlich, dass so etwas schlichtweg unamerikanisch sei. Im Ausland schüttelte man nur den Kopf, so einer wie Trump könnte doch nie Präsident werden. Trump jedoch hielt nach seinem Wahlsieg an seiner populistischen Forderung fest, auch wenn sie am Ende nur in abgeschwächter Form umgesetzt werden konnte:
Jemen, Libyen, Iran, Syrien und Somalia blieben auf der Travel Ban-Liste des Präsidenten, die im Juni 2018 vom US Verfassungsgericht abgesegnet wurde. Mit Venezuela und Nordkorea nahm Trump noch zwei nichtmuslimische Länder auf seine Liste, von daher glaubten die Richter der Argumentation des Weißen Hauses, dass der Präsident keine Anti-Islam-Liste führe. Doch bei seiner Wählerbasis gilt, Trump hat das Einreiseverbot für Muslime durchgesetzt.
Mit seiner Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime machte Donald Trump schon früh deutlich, dass er auf eine ganz andere amerikanische Außenpolitik setzen will, als sein Vorgänger. Gerade und vor allem auch in Bezug auf afrikanische Länder, die er, so bestätigten es mehrere Zeugen, als „shithole countries“, als Dreckslöcher bezeichnete.
Abdurahman Abdulle ist der puntländische Arbeitsminister. Angesprochen auf den Travel Ban der USA, weicht er aus. Wie die meisten hier, die damit einfach nichts anfangen können. Viele von ihnen betrifft der Travel Ban sowieso nicht, denn nach den chaotischen Jahren am Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre flohen viele Somalier in die Nachbarländer, nach Kenia, Äthiopien, Dschibuti, nach Europa und Nordamerika, nahmen dort eine zweite Staatsbürgerschaft an, mit der sie unbehelligt reisen können, auch in die USA.
Arbeitsminister Abdulle sitzt in seinem gefliesten Büro, vor der Tür ein bewaffneter Soldat mit Maschinengewehr. Er sagt, der Travel Ban sei bedauernswert, aber er sehe das nicht als großes Problem an, Puntland sei sicher und alles andere als ein Hort des Terrors. „Ich finde, Somalia ist ein großartiges Land. Mit dem Blick zurück weiss ich, dass die Dinge sich positiv verändern werden. Wirklich, ganz positiv. Wir haben nun zwei internationale Flughäfen, daran kann man schon sehen, welche Entwicklung wir genommen haben.“
Abdurahman Abdulle sieht Puntland und Somalia auf dem richtigen Weg. Was Donald Trump im fernen Amerika tut, das beschäftigt ihn rein gar nicht. Von der Streichung aller amerikanischen Gelder für Klimawandelprojekte, die Puntland und Somalia dringend brauchen, davon weiß er nichts. Genauso wenig davon, dass nördlich von Garoowe eine riesige US Basis eröffnet wurde, in der nahezu 1200 amerikanische Soldaten im Kampf gegen den Terrorismus stationiert sind. Eine der vielen Geheimmissionen der USA in Somalia. „Ich glaube nicht, dass die Amerikaner hier in Puntland eine Basis mit einer so hohen Zahl an stationierten Soldaten haben. Vielleicht bilden sie somalische Truppen aus, aber sie haben keine Basis mit solchen Zahlen hier in Puntland.“
Die USA sind allerdings tatsächlich militärisch in 53 afrikanischen Staaten präsent. Zum großen Teil sind es Ausbildungscamps für lokale Armeen, doch an vielen Orten, darunter Somalia, trifft man auf Sondereinheiten, die verdeckt und geheim arbeiten. Auf die Anfrage, ob ich die Basis in Puntland denn besuchen könnte, kam nur die knappe Antwort per Mail aus dem Africom-Headquarter: „Zu diesem Zeitpunkt können wir leider einen Besuch nicht unterstützen. Falls sich das ändert, werden wir sie auf alle Fälle benachrichtigen.“
Der Einfluß des Pentagons auf die amerikanische Außenpolitik in Afrika hat nicht erst seit Donald Trump zugenommen, doch mit der finanziellen und personellen Aushöhlung des State Departments durch Trump, erhält das US Militär eine viel größere Rolle in Afrika. Interessant ist dabei für den Politikwissenschaftler James Davis, dass all diese militärischen Einsätze aus den Kelley Barracks in Stuttgart geleitet werden.
„In Stuttgart gibt es ein amerikanisches Hauptquartier mit einem Drei Sterne General, auch ein hochrangiger State Department Vertreter. Von dort werden die militärische Sicherstellung Afrikas, eine Reihe von Einsätzen, Missionen, laufende Projekte gemanagt. Die sind überall, nicht nur in Somalia.“
Maryan Ali ist Frauenministerin von Puntland. Sie kam nach 22 Jahren in Kanada zurück ans Horn von Afrika, um, wie sie sagt, ihrem Land das zurück zu geben, was sie erhalten habe. Sie investiere in die Zukunft und will Teil des neuen Somalias sein, einem Paradies auf Erden, wie Maryan Ali es beschreibt. „Ich schätze mich glücklich Somali zu sein und dass ich schon da war, als wir ein gutes Leben hatten“, sagt sie.
Sie schüttelt mir die Hand, was ungewöhnlich für eine somalische Frau ist und entschuldigt sich, dass gerade der Strom ausgefallen ist. Ihr Büro liegt in einem Regierungs-Neubaugebiet am Rande von Garoowe. Von ihrem Fenster aus kann man sehen, wie sich die Stadt weiter in die Wüste vorschiebt. Garoowe boomt, mehr und mehr Investitionen fließen in die Region, die Häuserpreise steigen. Auch die Ministerin schwärmt wie ihr Kollege im Arbeitsressort vom neuen Flughafen vor den Toren der Stadt. Und sie sagt Puntland sei sicher. „Es ist sicher, zu 100 Prozent. Nachts kann man von Garoowe nach Bossasso ohne Soldaten als Begleitung reisen. Man sieht niemanden, keine Polizei, kein Militär. Sie sind da, aber sie hindern einen nicht an der Fahrt, man kann ohne Probleme nachts fahren. Es gibt große Baumaßnahmen, neue Straßen, zwei neue internationale Flughäfen, wir haben viele Fabriken, wir haben Universitäten, die mit ausländischen Universitäten konkurrieren können.“
Auch vor ihrer Tür sitzt ein bewaffneter Soldat. Zudem werde ich als westlicher Journalist zu jedem Interview von mindestens vier Soldaten begleitet. Sicherheit sieht für mich anders aus. Und doch, man muss zugeben, es hat sich viel verändert in Garoowe, seitdem ich vor drei Jahren zum ersten Mal hier war. Damals hieß es spätestens nach 30 Minuten an einem Ort, wir müssten weiter, sonst könnten wir ein Anschlagsziel sein. Davon ist nichts mehr zu spüren. Vielmehr redet jeder von den neuen, glücklichen Zeiten, von einer Aufbruchstimmung.
Auch an der Puntland State University in Garoowe spürt man diese Aufbruchstimmung. Das Uniradio sendet eine Sendung über Gleichberechtigung, was noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wäre. Ahmed Shire ist der Stellvertretende Leiter der PSU. Er berichtet davon, dass viele aus der somalischen Diaspora nun zurückkehren, sich einmischen, in die Politik gehen. Das führe zu einer optimistischen Stimmung, meint Shire, was sich auch in der Fächerauswahl der Studierenden ausdrücke. Bislang waren es vor allem die Sozialwissenschaften, Administration und Management. „Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren verändert. Es gab nicht viele Interessenten für die Ingenieurzweige, denn es gab keine Infrastrukturprojekte. Die Leute schauten immer, wo sie Jobs finden könnten, das war immer die große Frage. Aber nun nimmt das Ingenieurwesen zu, denn das Land entwickelt sich, es verändert sich und deshalb wechseln viele von den Sozialwissenschaften in die Ingenieurklassen.“ Ahmed Shire erklärt, dass viele seiner Studierenden nur ein Land in Trümmern kennen, in dem nicht in Baumaßnahmen investiert wurde. „Jetzt merken sie, da gibt es Möglichkeiten, da gibt es Jobs, es gibt Bauprojekte im Land.“
Egal, mit wem man in Puntland derzeit spricht, Hoffnung macht sich breit, nach den Jahrzehnten voller Chaos, Terror und einer fehlenden Regierung. 2019 wird in Puntland gewählt. Schon jetzt kann man Plakate im Straßenbild von Garoowe sehen, die ersten Werbespots wurden schon produziert und sind online verfügbar. „Good governance“ heißt die allseitige Forderung, eine demokratisch gewählte und korruptionslose Regierung, die verantwortungsbewusst handelt.
Puntland steht wie ganz Somalia vor riesigen Herausforderungen. Sicherheit, Klimawandel, Investitionen und dann ist da die große Frage, wie man die Jungen halten will. Somalia ist eines der jüngsten Länder der Welt. 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt, Jobs und eine Zukunftsperspektive fehlen. Gerade das führt zu einem massiven Exodus, auch und vor allem Richtung Europa. Somalische Flüchtlinge sind eine der größten Gruppen, die nach Europa aufbrechen. Mohammed Ibrahim will das ändern, er kandidiert für das Parlament. „Fast 40 junge und gutausgebildete Männer und Frauen kandidieren 2019 für das Abgeordnetenhaus, ich bin einer davon. Wir wollen erreichen, dass mindestens 25 Prozent der Abgeordneten junge Leute sind. Wir glauben, das können wir schaffen.“
Schlagwörter: Afrika, Arndt Peltner, Puntland, Somalia, Travel ban, US-Außenpolitik