von F.-B. Habel
Auch in diesem Jahr haben wir viele Menschen verloren, die zumindest eine Zeitlang im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen. Einige waren so wichtig, dass das Fernsehen sein Programm änderte. Von diesen Verehrten – wie Rolf Hoppe oder Morten „Benny“ Grunwald – soll hier nicht die Rede sein.
Mehr als ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Renate Spangenberg (besser bekannt unter ihrem Mädchennamen Renate Holland-Moritz) ist ihr Friedemann Spangenberg im 78. Lebensjahr gefolgt. Er war Dramaturg beim Fernsehen der DDR, schrieb als Journalist Reportagen über junge Leute am Beginn des Berufslebens, unter anderem im Jugendmagazin neues leben, und arbeitete später im Kulturministerium der DDR.
Zu Spangenbergs Fernseharbeiten zählt der 1972 entstandene Jugendfilm „Meine Schwester Tilli“ nach einem Buch von Hans Weber. Die Titelrolle spielte Juliane Korén, die im Mai im Alter von 67 Jahren einer schweren Krankheit erlag. Als Kind des Schauspielerpaares Elsa Korén und Hans Klering stand sie schon als Kind vor der Kamera, etwa in dem DEFA-Fußballerfilm „Drei Mädchen im Endspiel“. Nach dem Schauspielstudium in Berlin spielte sie vorrangig Theater. Unvergessen bleibt sie in der Titelrolle in „Das Tagebuch der Anne Frank“ im Berliner Theater der Freundschaft. Ein kleines bisschen Unsterblichkeit errang sie schon 1970 in der Titelrolle des Märchenfilms „Dornröschen“.
Eine kleine Rolle spielte Juliane Korén 1976 in Egon Günthers Goethe-Adaption „Die Leiden des jungen Werthers“. Titeldarsteller war Hans-Jürgen Wolf, der in Rostock studiert hatte und unter Perten am Volkstheater spielte. Hubert Hoelzke holte ihn zum Fernsehen, wo er unter anderem neben Gisela May in „Die Marquise“ auftrat. Ihn zog es jedoch in den Westen, wo er nur selten in Filmen zu sehen war (so 1985 in „Meier“ neben Edith Teichmann, die jetzt 97-jährig starb). Dafür war Wolf oft zu hören, denn er wurde ein gefragter Synchronsprecher. Auch Wolf starb mit 67 Jahren.
Korén und Wolf waren nicht die Jüngsten ihrer Profession, die uns in diesem Jahr verlassen haben. Im Januar ging Till Kretzschmar wenige Wochen nach seinem 62. Geburtstag von uns. Der gebürtige Karl-Marx-Städter entstammte einer Schauspielerfamilie, lernte einen „ordentlichen“ Beruf, Maschinen- und Anlagenbauer, eher er zur Bühne ging. Für den Fernsehfilm „Wilhelm Meisters theatralische Sendung“, holte Regisseur Celino Bleiweiß den 25-Jährigen als Partner von Daniel Minetti vor die Kamera, und junge Leute waren auch deswegen begeistert, weil beide Schauspieler eine so temperamentvolle wie vielsagende Nacktbadeszene spielten, die den großen Goethe vom Sockel holte. Die Hauptrolle eines jungen Erziehers in Evelyn Schmidts Kinofilm „Auf dem Sprung“ brachte Till Kretzschmar 1984 auf den Titel des filmspiegels, aber der Streifen war kein Erfolg. Neben der Theaterarbeit, auch als Regisseur, spielte Kretzschmar immer wieder Episodenrollen im Fernsehen, zuletzt in „Alles Klara“.
Wolfs Partner (und Gegenspieler) im „Werther“-Film war Hilmar Baumann, der 79 Jahre alt wurde. Bei Egon Günther hatte er bereits 1974 in „Lotte in Weimar“ neben Lilli Palmer den August von Goethe gespielt. Der Charakterdarsteller hat in rund 100 Spiel- und Fernsehfilmen vor der Kamera gestanden und seit 1968 bis ins neue Jahrtausend hinein in zahllosen Vorstellungen auf der Bühne des Maxim Gorki Theaters agiert.
Nicht selten spielte Baumann in Gegenwartsstücken von Rainer Kerndl, etwa in „Wann kommt Ehrlicher?“. Der aus Thüringen stammende Autor starb einen Monat vor seinem 90. Geburtstag in Berlin. Als Journalist schrieb er seit 1951 für die Tägliche Rundschau, die Junge Welt, die Westberliner Wahrheit und war ab 1963 für mehr als zwei Jahrzehnte Theaterkritiker des Zentralorgans Neues Deutschland. Dieser Kritiker kannte „beide Seiten“, denn nach einer Phase mit Erzählungen brachte er ab 1961 zahlreiche Zeitstücke heraus, die an seinem Stammhaus, dem Berliner Maxim Gorki Theater, uraufgeführt und von vielen Bühnen der Republik und im Fernsehen übernommen wurden. Als er in dem Stück „Der Georgsberg“ 1984 die mit dem Umlauf von Westgeld einhergehende Doppelmoral im Sozialismus kritisierte, ging das Zentralorgan zu ihm auf Distanz.
Tröstlich ist es, wenn die Kunst nach dem Tode des Künstlers weiterwirkt. Der aus dem heute tschechischen Gablonz stammende Karl-Heinz Schamal stand in der Tradition der Bildhauer Gustav Seitz und Fritz Cremer , deren Meisterschüler er war, und wurde schließlich 1973 selbst Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er Generationen junger Künstler für den Bildhauerberuf fit machte – unter ihnen der Vogtländer Rolf Biebl oder der Deutschgrieche Jannulis Tembridis. Schamal, der sich bescheiden als Handwerker sah, starb mit 88 Jahren in Jüterbog, aber seine Figuren, die er in Bronze und Stein schuf, finden sich noch immer in Berlin, Warnemünde oder auch Schwedt. Die Steinplastiken überdauern Jahrhunderte, wenn man sie atmen lässt, so der Künstler.
Auf unerhörte 85 Jahre vor Kamera und Mikrofon konnte Peter Bosse zurückblicken. Der Kinderstar der dreißiger Jahre (mehrfach mit dem italienischen Tenor Beniamino Gigli und dem Wiener Charakterkomiker Hans Moser) war seit den Fünfzigern als Moderator ein Publikumsliebling im Fernsehfunk der DDR, im Berliner Rundfunk („Treffpunkt Alexanderplatz“) und zuletzt bei Spreeradio, einem Sender, den er als Radio 50plus in den Neunzigern gegründet hatte. In diesem Jahr erinnerte er im Fernsehen noch an seinen Freund Gerd E. Schäfer. Schäfers Sohn Alexander sprach im Herbst auf der Trauerfeier des im 88. Lebensjahr Verstorbenen.
Bei Radio, Fernsehen und Schallplatte war seit den fünfziger Jahren Walter Eichenberg nicht wegzudenken. Seit den vierziger Jahren arbeitete er als Trompeter, Komponist und Arrangeur mit Orchesterleitern wie Fips Fleischer, Kurt Henkels und Erwin Lehn zusammen, ehe er 1961 die Leitung des Rundfunktanzorchesters Leipzig übernahm. Mit dieser Formation erlebte man ihn in unzähligen Shows des DDR-Fernsehens, wie „Da liegt Musike drin“. Seine Frau, die beliebte Schlagersängerin Helga Brauer, hatte er um fast 27 Jahre überlebt, als er im Frühjahr mit 95 in Leipzig starb.
Zu viele im Osten bekannte Künstler haben uns 2018 verlassen, um sie alle mit einem Absatz zu würdigen, aber doch soll an sie – beginnend mit dem Januar – erinnert werden. Peter Groeger (84) war Schauspieler (unter anderem sieben Folgen „Das unsichtbare Visier“, 1975–78, und bis zum Schluss am Berliner Kriminaltheater), Funkregisseur (unter anderem Bulgakows „Hundeherz“, 1989) sowie Synchron- und Hörspielsprecher. – Unter den mehr als drei Dutzend Fernseh- und Kinorollen des aus der Niederlausitz stammenden Schauspielers und Kabarettisten Bernd Storch (70) war der Koch Detlef in der Serie „Zur See“ (1977) zweifellos die populärste, aber auch an seinen Polizisten Uhlenhorst in „Die Leute von Züderow“ (1985) erinnert man sich gern. – Marie Gruber (62), die am Beginn ihrer Laufbahn auch mal ein Fernseh-„Dornröschen“ war, schaffte sich in der DDR mit Hauptrollen in Filmen wie „Je t‘aime, cherie!“ oder „Der Traum vom Elch“, eine künstlerische Grundlage dafür, ab 1990 (zunächst oft mit Wolfgang Stumph als Partner) Film- und Fernseherfolge zu feiern. Als sie der Krebs holte, galt sie als „Königin der Nebenrollen“ (zuletzt in „Babylon Berlin“). – Im März starb Hans-Joachim Martens nur drei Tage nach dem 93. Geburtstag, den er mit seiner Familie noch feierte. Seine erfolgreiche Arbeit als Schauspieler (die Fühmann-Adaption „Betrogen bis zum jüngsten Tag“ wurde 1957 auch in Cannes gefeiert) trat bald in den Hintergrund zugunsten seiner Regiearbeit – vorrangig im Musiktheater. – Im April mussten insbesondere die Leipziger Theatergänger Abschied von der großen Christa Gottschalk (90) nehmen, die hier ihre beeindruckendsten Rollen spielte. Für den Film nahm sie sich selten Zeit, in Konrad Wolfs Weiskopf-Adaption „Lissy“ (1957) bleibt sie unvergessen. – Ein anderes Genre bediente Genia Lapuhs (93), die als Kabarettistin und Komikerin mit Berliner Einschlag durch viele Fernsehschwänke bekannt wurde (unter anderem „Maxe Baumann“), aber auch im Rundfunk gern gehört wurde („Spaß am Spaß“).
Wird fortgesetzt.
Schlagwörter: F.-B. Habel, Nekrologe