von Manfred Orlick
Christian Wolff, dessen Leben die Jahre von1679 bis 1754 umfasste, war ein Philosoph, Mathematiker und Jurist – gewissermaßen ein Universalgelehrter. Als Schüler von Gottfried Wilhelm Leibniz stand er im Zentrum der deutschen Philosophie des 18. Jahrhunderts und war einer der Hauptvertreter der Aufklärung. Zu seinen Lebzeiten genoss er hohes wissenschaftliches Ansehen, heute dagegen kennen ihn nur noch wenige. Das liegt wohl nicht zuletzt an Immanuel Kant, der eine Generation später zur Lichtgestalt der Aufklärung in Deutschland wurde, sodass seine Vorreiter wie eben Christian Wolff oder auch Christian Thomasius bald als antiquiert galten.
Wolff wurde am 24. Januar 1679 als Sohn eines Gerbers in Breslau geboren; obwohl Bischofssitz war die schlesische Bürgerstadt evangelisch geprägt. Für Wolffs Bildung und seine spätere Auffassungen war dieses doppelte Christentum in seiner Heimatstadt geradezu prägend. Ab 1699 studierte Wolff in Jena Theologie, vor allem aber Physik und Mathematik. Die Universität der Saalestadt, die Salana, galt um 1700 als eine der beliebtesten universitären Ausbildungsstätten. An der Leipziger Artistenfakultät wurde er schließlich zum Magister promoviert. Ab 1703 hielt er dann Vorlesungen an der Leipziger Universität.
Auf Befehl des preußischen Königs Friedrich I. wurde Wolff schließlich 1706 zum Professor der Mathematik an der Universität Halle befördert, wo er zunächst einmal elementare Voraussetzungen für mathematische Denkweisen schaffen musste. So zeichneten sich seine Vorlesungen durch eine bis dato eher ungewöhnliche wissenschaftliche Tiefe aus. Darüber hinaus hielt er öffentliche Vorlesungen über allgemeine Naturphänomene, über Probleme der Ernährung, der Medizin, auch der Meteorologie. Bald wurde er über die Grenzen hinaus bekannt, und so erhielt er sogar einen Ruf nach St. Petersburg.
Wolff war gläubiger Christ und entsprach damit nicht der gängigen Vorstellung eines Aufklärers. Trotzdem stellte er die akademische Vorherrschaft der Theologie infrage, was zu einer Eskalation mit den Vertretern des Pietismus, darunter auch August Hermann Francke, führte. Nach jahrelangen inneruniversitären Debatten erreichten seine Gegner schließlich bei König Friedrich Wilhelm I. im Herbst 1723 eine Amtsenthebung und Landesverweisung des Philosophen aus Preußen – unter Androhung des Todes durch den Strang. Die spektakuläre Vertreibung Christian Wolffs gilt noch heute als „epochemachender Skandal“ in der Geschichte der halleschen Universität, der erst vor drei Jahren in der Ausstellung „Die Causa Christian Wolff“ aufgearbeitet wurde.
Wolff ging nach Hessen, von wo er bereits zuvor ein großzügiges Angebot für eine Professur erhalten hatte. Bereits nach kurzer Zeit hatten seine Vorlesungen einen regen studentischen Zulauf. und so lehrte Wolff an der Philippina-Universität Marburg mit großem Erfolg bis 1740. Er unterrichtete auch russische Studenten, die er geradezu väterlich betreute. Der spätere Universalgelehrte Michail Wassiljewitsch Lomonossow verkehrte in dieser Zeit sogar in Wolfs Haus.
Der Ruhm des schmählich aus Halle Vertriebenen setzte den preußischen König allmählich unter Druck, und so ließ er durch eine Kommission Wolffs Schriften überprüfen, wobei keine atheistischen Auffassungen zutage traten. Und so versuchte man bereits 1733 wieder, den Philosophen zur Rückkehr zu bewegen; das Verbot seiner Schriften in Preußen wurde aufgehoben. Wolff antwortete zwar mit „unterthänigsten Dank“, verblieb aber in Marburg. Erst nach dem Tod Friedrich Wilhelm I. gelang seinem Sohn Friedrich II. eine Rückberufung von Wolff nach Halle, wo er 1743 Kanzler der Universität wurde. Noch lieber hätte der junge König ihn jedoch in Berlin gehabt – zur Unterstützung seiner Akademiepläne.
Während Wolff in Marburg „zu viel Collegia“ zu bestreiten hatte, fand er in seiner zweiten halleschen Periode nun die Ruhe, zahlreiche Schiften zu veröffentlichen. Der einst Gescholtene wurde außerdem mit höchsten Ehren aus nah und fern bedacht.
Wolff starb am 9. April 1754 in Halle; der Verbleib seines Grabes ist bis heute nicht gänzlich geklärt.
Mit seinem Werk übte Wolff einen weit über Deutschland hinausgehenden Einfluss auf das Zeitalter der Aufklärung aus; seine Berühmtheit reichte von Paris über London bis nach St. Petersburg.
Pünktlich zum nicht ganz runden 340. Geburtstag hat der Germanist Hans-Joachim Kertscher, Vorstandsmitglied der Christian-Wolff-Gesellschaft, eine Biografie des Gelehrten vorgelegt, die auf neusten Forschungsergebnissen basiert. Es ist eine geschlossene und wissenschaftliche Lebensbeschreibung des Philosophen und Aufklärers, die durch zahlreiche historische Abbildungen illustriert wird.
Hans-Joachim Kertscher: „Er brachte Licht und Ordnung in die Welt“. Christian Wolff – eine Biografie, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2018, 312 Seiten, 25,00 Euro.
Schlagwörter: Aufklärung, Christian Wolff, Manfred Orlick