21. Jahrgang | Nummer 25 | 3. Dezember 2018

Antworten

Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft – Mit Blick auf die wieder mal in Rede stehenden großformatigen Steuerhinterziehungen durch den Finanzsektor nehmen Sie einem aber auch die allerletzten Hoffnungen. In Sachen Steuergerechtigkeit, so urteilen Sie erfahrungs- und kenntnisreich, „fahren wir mit dem Fahrrad einem Ferrari hinterher“. Und: „Die Weiße-Kragen-Kriminalität ist kaum in den Griff zu bekommen. Sie wird unterstützt durch eine gut bezahlte Beratungsindustrie, die die Modelle ausheckt.“ Honi soit qui mal y pense!

Lech Wałęsa, Solidarność-Denkmal – So kann es einem gehen: Sie, die Ikone polnischer Zivilcourage, hatten bei Facebook angemerkt, dass Sie den vor acht Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommenen Staatschef Lech Kaczyński für mitschuldig an dem Crash bei Smolensk halten. Das hat Ihnen eine Klage des verbliebenen Kaczyński-Zwillings und heutigen Chefs der konservativen Regierungspartei, Jarosław, eingebracht. Und nicht nur das. Jarosław Kaczyński unterstellt Ihnen öffentlich ein „intellektuelles Defizit“ und hat Sie als „Gefahr für die Demokratie in Polen“ bezeichnet. Darunter macht man es beim politischen Schlammcatchen auch in Polen nicht.

Carsten Brückner, Vorsitzender von Haus & Grund Berlin – Der Berliner Tagesspiegel hat Ihnen per Interview die Frage gestellt, welche Maßnahmen denn effektiver wären, um die Stadt für alle bezahlbar zu machen. Ihre Antwort ist von einer solchen Impertinenz getragen, dass sie sich – außer für Ihresgleichen – selbst kommentiert: „Ich glaube, wir müssen uns davon verabschieden, dass Berlin für alle bezahlbar bleibt. Wenn ich es mir nicht mehr leisten kann, egal, ob wegen wirtschaftlicher Einbußen oder einer Mieterhöhung, dann muss ich das akzeptieren. Es gibt kein Naturgesetz, das mir das Recht gibt, für immer in meiner vertrauten Umgebung zu bleiben.“

Yehuda Bauer (92), Historiker und Holocaust-Forscher – Als Fazit eines langen Lebens resümierten Sie jüngst: „Intellektuelle sind moralisch immer der schwächste Teil der Bevölkerung. Die ersten Gruppen, die sich den Nazis anschlossen, waren Studenten und Universitätsprofessoren. […] Sie waren anfällig für Nationalismus, sie wollten eine Antwort auf die Niederlage im Ersten Weltkrieg finden.“ Ob das auch in der heutigen Zeit gelte, ob Intellektuelle generell schwach seien, wurden Sie daraufhin gefragt: „Jaja, immer. Gleichzeitig sind die Intellektuellen auch die Anführer der Opposition. Es ist immer dasselbe.“
Da hoffen wir vier, nicht von der Tankstelle, sondern von der Blättchen-Redaktion, inständig und nicht zuletzt für uns ganz persönlich, dass auch für diese Regeln gelten möge: Keine solchen ohne Ausnahme?

Donald Trump, unverbrüchlicher Saudi-Partner – Zugegeben, solange nicht wirklich zweifelsfrei bewiesen ist, dass der saudische Kronprinz persönlich den Kasshogi-Mord angewiesen oder auch nur Kenntnis von einem solchen Plan hatte, kann man ihn nicht beschuldigen und sanktionieren, jedenfalls nicht rechtskräftig – wiewohl man damit im Skripal-Fall umgehend und frei von Skrupeln bei der Hand war. Nur eben – solange der immerhin CIA-gestützte Verdacht gegen den Prinzen im Raume steht, wäre doch wohl Zurückhaltung in Freundschafts- und Treueerklärungen angeraten, oder? Wie nahezu immer wissen Sie aber Ihre Zeitgenossen zu enttäuschen, oder aber in deren Urteil über Sie zu bestätigen, beides ist machbar. Jedenfalls haben Sie mit größter Herzenswäre den Saudis für die durch sie bewirkte Senkung des Ölpreises gedankt und preisen Riad als „unverbrüchlichen Partner“. Vielleicht vergibt man in Riad an Ölimporteure bald Treueherzen, Sie bekämen wohl jenes mit der laufenden Produktnummer Eins.

Hartmut Mehdorn, Kaputtsparer der Deutschen Bahn, Berliner S-Bahn inklusive – 2009, nach zehn Jahren als Chef der Deutschen Bahn, verzichtete der Bund, der Haupteigentümer des Unternehmens, das Sie bis dahin sehr erfolgreich in die Krise gespart hatten, ohne dass der angestrebte Börsengang wirklich Gestalt angenommen hätte, endlich auf Ihre Dienste. Sie wechselten an die Spitze von Air Berlin. Die Fluglinie hatte langfristig weniger Glück, war aber noch nicht pleite gegangen, da wurden Sie 2013 mit der Leitung der GmbH zum Baus des Flughafens Berlin Brandenburg (FBB) betraut. Der Airport sollte in dem Jahr eigentlich eröffnet werden. Gerufen wurden Sie von den Eignern, also unter anderem vom Bund, der Ihre Leistungen bei der Bahn offenbar in bester Erinnerung hatte. Sie stellten vollmundig in Aussicht, dass der Flughafen 2016 teilweise den Linienverkehr aufnehmen könne. Doch 2016 waren Sie auch beim FBB schon wieder Geschichte. Jetzt erklärten Sie dem entsprechenden Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses die Ursache: Die FBB sei „nie in der Lage gewesen, einen Flughafen zu bauen“.
„Ein Experte“, wusste bekanntlich Winston Churchill, „ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.“

Friedrich Küppersbusch, allzeit Trefflicher – Auf die taz-Frage, wie es komme, dass Helene Fischer auf Platz acht der bestverdienenden Musikerinnen weltweit rangiert, haben Sie wieder einmal eine ebenso treffliche wie unübertrefflich ironische Antwort gefunden: „Helene Fischer ist singendes Glutamat; es schmeckt nach dem, was nicht drin ist. Auch eine Kunst und definitiv weltmarktkompatibel.“ Dass dieser Befund sich auch außerhalb der Kunst treffen lässt, sei hier nur ergänzend angemerkt.

Nachrichtenbörse, pluralistische – Zwei Meldungen eines gemeinsamen Datums und aus seriösen Quellen. Die der FAZ lautet: „Die Stimmung der deutschen Verbraucher ist dem aktuellen GfK-Konsumklima-Barometer zufolge so schlecht wie seit anderthalb Jahren nicht mehr.“ Und die bei Spiegel-online: „Trotz Konjunkturdelle – Kauflust der Deutschen ist ungebrochen“. Es ist doch schön und sozial gerecht, wenn für jeden eine Interpretation da ist. Und überhaupt: Vielleicht ist das die Zukunft des Informationswesens: Nachrichten on demand – mit Garantie erwünschten Inhalts …