21. Jahrgang | Nummer 17 | 13. August 2018

Ein amerikanischer Held

von Sarcasticus

Ein Held ganz eigener Art ist Oliver North, Jahrgang 1943, allemal. Jüngeren unter den Blättchen-Lesern wird der Name womöglich nichts sagen, den reiferen dagegen umso mehr. North sorgte schließlich mit Irangate für den politischen Skandal in Washington während der Präsidentschaft Ronald Reagans, und dieser Skandal machte North zum Helden. Wahrscheinlich nicht für alle Amerikaner, aber ganz gewiss in den Augen jener, von denen North kürzlich an die Spitze einer der in Washington mächtigsten Lobby-Vereine gewählt worden ist – der National Rifle Association (NRA). Das sind die Bekloppten, die auf jeden Fall verhindern wollen, dass irgendwann nicht mehr jeder 18-Jährige quasi im Supermarkt ein halbautomatisches Schnellfeuergewehr vom Typ AR-15 – die am häufigsten bei Amokläufen verwendete Waffe in den USA – oder vergleichbares Schießzeug frei kaufen kann. Der Schlachtruf dieses irren Haufens stammt von einem der Vorgänger von North, einem zweitklassigen Hollywoodmimen, der auch als erwachsener Mann noch so wenig Kinderstube und Charakter hatte, dass er sich als Hauptdarsteller am Set des Historienschinkens „El Cid“ gegenüber der göttlichen Sophia Loren wie ein ausgemachter Flegel benahm. Später muss sich noch psychopathischer Zug eingestellt haben, denn gegenüber den Befürwortern strengerer Waffengesetze sonderte er ab, man könne ihm ja gerne seine Waffe nehmen – aber nur „from rny cold, dead hands“ (aus meinen kalten, toten Händen).
Doch der Reihe nach.
Zu den außenpolitischen Problemen, denen die Reagan-Regierung Mitte der 80er Jahre Priorität beimaß, gehörten Nicaragua und der Nahe Osten. In dem mittelamerikanischen Staat sollte die linke Regierung der Sandinisten, einer Widerstandsbewegung, die 1979 nach langem, blutigen Bürgerkrieg den seit 1934 regierenden, mit den USA verbündeten Clan der Somozas aus dem Land gejagt hatte, gestürzt werden. Im Nahen Osten galt es, amerikanische Geiseln aus der Gewalt der mit Iran verbündeten Hisbollah-Miliz in Libanon zu befreien.
Bezüglich beider Probleme gab es Hemmnisse, die ein offenes Vorgehen Washingtons nicht angeraten erscheinen ließen.
Gegen die Sandinisten in Nicaragua operierten zwar die sogenannten Contras, ein rechter paramilitärischer Untergrund, der seinen Kampf weitgehend durch tonnenweisen Schmuggel von Kokain in die USA finanzierte, charmanterweise gedeckt durch die CIA, wie später ruchbar wurde. Die Unterstützung der Contras durch die USA-Regierung jedoch hatte der Senat 1982 verboten (Boland-Amendment).
Was die Geiseln anbetraf, so fiel deren Gefangenschaft bei der Hisbollah in die Zeit des irakisch-iranischen Krieges (1980-88). Die USA waren seit dem Sturz des Schahs (1979) und der Geiselnahme von 52 Botschaftsangehörigen in Teheran (1979 – 81) mit Iran bis aufs Messer verfeindet, die diplomatischen Beziehungen waren abgebrochen, in Kraft war ein Waffenembargo. Im Krieg mit Irak unterstützte Washington wenn auch nicht offiziell, so doch tendenziell das Regime von Saddam Hussein in Bagdad.
Oliver North – im Range eines Obersts des Marine Corps und seinerzeit formal nur Vizedirektor für politisch-militärische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der USA, „auf dem Höhepunkt seiner Macht aber […] mehr wie ein Untergrund-Außenminister“ wirkend, wie Der Spiegel jüngst in Erinnerung rief – verknüpfte klandestin – im Stile klassischer Verschwörer – beide Problemstränge miteinander, um sie einer Lösung zuzuführen.
Praktisch sah das so aus, dass – Embargo hin, Embargo her – auf illegalen Kanälen USA-Waffen, großenteils via Israel, an Iran geliefert wurden. Teheran bezahlte sie nicht nur, sondern war auch bei der Befreiung der Geiseln behilflich. Insgesamt gelangten von August 1985 bis Oktober 1986 2515 Panzerabwehrraketen vom Typ TOW und 258 Luftabwehrraketen vom Typ HAWK nach Iran. Den Transport übernahmen überwiegend zivile Fluggesellschaften, wie etwa Southern Air Transport oder St. Lucia Airways. Letztere soll sich damals im Besitz der CIA befunden haben. Im Mai 1986 weilte North dabei zu Liefer- und Preisverhandlungen selbst in Teheran – unter falschem Namen und mit irischem Pass. Einer seiner damaligen Gesprächspartner war der Vorsitzende des iranischen Verteidigungsausschusses: Hassan Rouhani, heute Präsident des Landes.
Die Einnahmen aus dem Deal flossen über nicht minder illegale Kanäle an die Contras.
Als der Skandal aufgeflogen war, wurde der Chefplaner und operative Drahtzieher North – Bilder von ihm, schneidig in Uniform, gingen damals um die Welt – einem sechstägigen Verhör durch einen Untersuchungsausschuss des Senats unterzogen, in dem er weder klein beigab noch sich gar entschuldigte. Es sei doch eine „prima Idee“ gewesen, das Geld vom iranischen Regime zu den Rechten nach Nicaragua zu schleusen, ließ er die Senatoren wissen. Zwar wurde North gegen Ende der 80er Jahre unter anderem wegen Bestechlichkeit und Behinderung der Ermittlungen verurteilt, doch der Schuldspruch wurde später revidiert. Geschadet hat dies North unter Seinesgleichen sowieso nie. Er avancierte zum Senatskandidaten der Republikaner, wurde Bestsellerautor und gut dotierter Redner, auch Moderator einer Sendung auf Trumps Lieblingswelle Fox News. Und nun ist er endgültig zurück auf einem Posten, von dem aus wirklich politischer Einfluss genommen werden kann.
Die 1871 gegründete NRA mit Sitz in Fairfax, Virginia, fasst knapp 10.000 Schützenvereine zusammen und verfügte 2013 über fünf Millionen Mitglieder. Ihr Credo ist die politische Opposition gegen nahezu jede Form gesetzlicher Waffenkontrolle, sei es mittels Lizenzierung, Registrierung oder durch Wartefristen beim Kauf von Schusswaffen, sei es durch ein Verbot halbautomatischer Waffen oder durch die Begrenzung von Munitionsmagazinen, um nur einige Aspekte zu nennen. Wenn nach besonders opferreichen Amokläufen in den USA regelmäßig Forderungen nach verschärften Waffengesetzen laut werden und auch auf gewisse gesellschaftliche und politische Resonanz stoßen, dann ist es stets die NRA, die zum Gegenangriff bläst. Schuld sind immer bestimmte Milieus, das Kino und das Fernsehen, nie jedoch laxe, unzulängliche Gesetze, die es jedem 18-Jährigen gestatten, ein oder auch gleich mehrere AR-15 … Aber das hatten wir schon.
Und die NRA konnte sich ihrer Wirksamkeit bisher noch stets gewiss sein, übt sie doch ihren eigentlichen Einfluss aus durch massive finanzielle Wahlkampfunterstützung von Kandidaten für Senat und Repräsentantenhaus, aber auch fürs höchste Staatsamt, die auf die Ziele der Organisation eingeschworen sind. Dafür wurden allein beim 2016er Wahlkampf 52 Millionen Dollar eingesetzt. Keinen Präsidentschaftskandidaten zuvor hatte die NRA je so massiv unterstützt wie Trump, den North, der aus seinem Faible keinen Hehl macht, für den besten USA-Präsidenten ever hält.
Trump hatte auf dem Jahrestreffen der NRA im Frühjahr in Dallas, wo North gewählt wurde, einen sehr demonstrativen Auftritt, bei dem er Schulterschluss mit den Waffennarren demonstrierte. Die Menschen hier, rief er in den Saal, seien „die wahren Patrioten“.
North und Trump – da dürften sich zwei gefunden haben …