von Ulrich Kaufmann
Vier Jahrzehnte nach Maxi Wanders Erfolgsbuch „Guten Morgen, du Schöne“ mit 19 Porträts legen nun Monika Stenzel und Ulrike Jackwerth „29 Lebensgeschichten“ vor. Der Rezensent muss die Rückbesinnung auf Maxi Wander nicht beschwören, dies tun die Autorinnen selbst: Ein Zeitungstext über Maxie Wander von 2016 lieferte den Anstoß zu diesem Buchprojekt. Die in der DDR sozialisierte Schauspielerin Monika Stenzel erinnerte sich, vor Jahrzehnten Wanders berühmtes „Rosi“- Porträt auf der Bühne interpretiert zu haben. Die (wie Maxie Wander) in Wien geborene Ulrike Jackwerth hatte an der Schauspielschule erste Kontakte mit den Protokollen aus der DDR.
Porträtiert werden hier Frauen, die ihre Prägungen im Osten Deutschlands erfuhren und nun in Hessen, Bayern, Schleswig-Holstein und anderswo wohnen. Viele der Befragten haben die DDR schon vor 1989 verlassen, wie die Autorin Monika Stenzel auch. Gefragt wurden die Frauen, wie sie sich in das neue System „eingefädelt“ haben, wie sie in einer Gesellschaft zurechtkamen, in der sie nicht sozialisiert waren. Natürlich sprechen alle auch über die Erfahrungen, die sie in der Liebe, im Umgang mit Männern, mit geglückten und oft gescheiterten Ehen und bei der Erziehung machten. Mit diesen Fragen zusammenhängend, bat man die Frauen zu sagen, was ihnen Heimat bedeutet. Anders als bei Wander werden hier mehrfach drei Generationen zum Reden gebracht: die Großmütter, die Mütter und die Enkelinnen. Dies ermöglicht verschiedene Perspektiven, führt jedoch zu schwer vermeidbaren Wiederholungen. Erstaunlich oft wird von sehr frühen Schwangerschaften berichtet, bei den Großmüttern, den Müttern und den Enkelinnen gleichermaßen. Die sich selbst Porträtierenden sind meist sehr offen, vor allem im Politischen. Nunmehr konnte Klartext gesprochen werden. (Maxie Wander musste 1977 eingangs noch vorsichtig andeuten, dass es auch im Sozialismus Konflikte gäbe, über die zu reden wäre.) Manche der Frauen in dem neuen Band sparen im Persönlichen schwierige Momente ihres Lebens aus, eine indessen ist sehr „offen“. Sie glaubt, detailliert das Gemächte ihres augenblicklichen Partners beschreiben und bestaunen zu müssen.
Sehr überzeugend werden die verschiedenen Gesprächssituationen geschildert. Eine Frau muss unbedingt weiter rauchen, die zweiundsiebzigjährige Edith hat ihren – allerdings ruhigen – Mann im Zimmer und Barbara (54) redet nur, wenn Udo Lindenberg, dem sie persönlich an der Bar begegnet war, weitersingen dürfe. Protokolle, die einen dialektischen Blick auf Ost und West werfen und die, mitunter im Berliner Dialekt, die Stimme des Volkes auch bildhaft wiedergeben („Ich als Ostbrot“ etwa) sprechen den Leser besonders an. Eva Marias Text, nicht nur weil er mit einem Hesse-Zitat einsetzt, überzeugte den rezensierenden Leser besonders.
Im Epilog erfährt der Leser, dass sich das Projekt als „Selbstläufer“ entpuppt habe, da „Freundin, Kollegin oder Verwandte“ sich auch „mit uns treffen wollten“. Was hier positiv formuliert ist, erweist sich als Bumerang, denn dadurch sind sich viele der Porträts ähnlich. Maxi Wander, mit ihrer besonderen Gabe, Menschen zum Sprechen zu bringen, war in der Wahl ihrer Gesprächspartnerinnen wesentlich besonnener. Albern wirkt, wenn Lachen in dem vorliegenden Buch immer wieder durch „haha“ wiedergegeben wird. Auch zeitgeschichtliche Fehler, etwa das unrichtige Jahr der Helsinki-Konferenz, hätten behutsam korrigiert werden können. Wenn die Gespräche nach 2016 stattgefunden haben, kann Adelheid (68) nicht 1945 auf der Flucht geboren worden sein … Doch genug mit der Kritikasterei …
Der Titel „He, du Glückliche!“ ist demselben Band mit Zigeunerliedern entnommen, in dem auch Maxie Wander vor Jahrzehnten ihren Buchtitel fand. Den Autorinnen ist ein lesenswertes Buch gelungen, dem ein fester Einband zu wünschen gewesen wäre. Denn dieser Band muss sollte weitergereicht werden, nicht nur von Frau zu Frau …
Monika Stenzel / Ulrike Jackwerth: He, du Glückliche! – 29 Lebensgeschichten, Mitteldeutscher Verlag Halle 2018, 263 Seiten., 16,00 Euro.
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