von Klaus Hammer
Die Zeitgalerie Friedrichshagen konnte zu ihrem 20jährigen Jubiläum sich und ihren Besuchern kein schöneres Geschenk machen, als die Künstlerfamilie Metzkes auszustellen: den Maler Harald Metzkes, die Textilgestalterin Elrid Metzkes, seine vor vier Jahren verstorbene Ehefrau, und ihren Sohn, den Bildhauer Robert Metzkes. Zu ihnen hätte sich eigentlich noch die Tochter Verena Hann-Metzkes als Bildhauerin gesellen müssen. Aber das hätten wohl die beengten Räume der Galerie nicht zugelassen.
Der nunmehr 90jährige Harald Metzkes, der in den 1960er Jahren zu einem der Gründer der so genannten Berliner Malerschule gehörte – „Natur und Auge“, die Symbiose des Beglückenden und Bedrängenden hatte er als sein Programm formuliert – konfrontiert uns heute mit den sich in rasender Geschwindigkeit verändernden Zeitverhältnissen. In seinen Bildern tobt sich die Narrheit des Menschengeschlechts aus. Das Prosaische seiner Gestalten mit ihren Mützen, Masken und geschminkten Gesichtern, in ihren bunten Kostümen, ihren erstarrten Gesten wie ekstatischen Haltungen – all das verleiht der Szene trotz ihres transparenten Lichtes ein Gefühl der Fremdheit, des Bedrohlichen, eine surreale Atmosphäre. Was ist noch Realität, was ist Kulisse, wie lassen sich Schauspieler und real handelnde Personen unterscheiden, wo hört das heitere Verwirrspiel auf und schlägt es um in grimmigen Spaß und bitterbösen Ernst?
Auf unsicheren Leitern klettern die Figuren nach oben, die schleifenförmige Bahn lässt sie in die Tiefe stürzen. Perspektivische Verkehrung und Verkürzung, die Proportionsverzerrung, die Lokalisierung von Figuren und Gegenständen – alles bricht hier mit dem Kanon der traditionellen Darstellungsweise und rechtfertigt vielleicht den Ausdruck eines „fallenstellenden“ Realismus. Die Mütze und Maske sind des Malers Schutzmarke geworden.
Aber nicht diese sein Alterswerk bestimmenden Werke stehen im Mittelpunkt der Friedrichshagener Ausstellung, sondern die privaten Arbeiten, die er seiner Frau Elrid, seiner Familie, seinen Freunden gewidmet hat – von dem frühen „Porträt Elrid“ (1953) über „Die ganze Familie“ (1963), „Elrid hinter Flachwebstuhl“ (1973) bis zu „Heringsessen bei Elrid“ (2000) und „Zwei Staffeleien, Elrid und ich“ (2008). Ja, es war eine wunderbare Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zwischen beiden. So wenn man „Elrid, ich, Tee“ (2004) betrachtet, wie hier der alltägliche Vorgang des Teetrinkens zu einem Ausdruck tiefer Gemeinsamkeit wird – der Maler wie zu einer liebevollen Huldigung ganz seiner Frau zugewandt, deren Antlitz wundersam erleuchtet ist.
Aber auch das Harlekin-Thema ist aus dem Familienleben nicht ausgespart, wie in der Genreszene „Elrid, Harlekin einen Spiegel vorhaltend“ (2003), die das Kolorit in der Mitte zwischen Stimmung und Symbol belässt. Das Genre als Ereignisraum wird soweit relativiert, dass es die Wahrscheinlichkeit des gezeigten Vorganges bewahrt. Die zarten bräunlichen, bläulichen und Ockertöne, durch Weiß, Grün, Rot, Orange akzentuiert, ergeben ein fast musikalisches Zusammenspiel. Metzkes lädt seine Motive mit Assoziationen und Anklängen auf, benutzt manche als feststehende Hieroglyphen, andere sind vollgültige Personen in seinem privaten Welttheater.
Elrid Metzkes begann in den 1960er Jahren mit der Gobelinweberei. Sie hat zunächst Bildteppiche nach Entwürfen ihres Mannes angefertigt. Doch dann entwarf sie ihre gegenständlichen und abstrakten Motive selbst, führte sie meist als Aquarelle aus, die für die späteren textilen Umsetzungen gedacht waren. Das waren Beobachtungen von Alltäglichem, Musizierende, das Geschehen auf der Bühne, gespiegelte Interieurs, Stillleben (Früchte, Gefäße, eine Kramkiste mit geheimnisvollem Inhalt), auch Landschaften in magisch leuchtenden Farben. Später kam sie auch zu Patchwork und Quilten, wobei sie jetzt die Farben der verwendeten Stoffe nutzte. Den jeweiligen Werkstoff erkannte sie nicht als totes Material, sondern als Ausdrucksträger, weil er in seiner qualitativen Beschaffenheit – Konsistenz, Farbe, Struktur – in eine bestimmte Beziehung zum Bearbeiter und auch zum Betrachter tritt.
Vor allem mit ihren symmetrisch-geometrischen Kompositionen, die sie in der Tradition der Weberinnen am Bauhaus schuf, erreichte sie geradezu kinetisch-optische Effekte. Die geometrische Form ist Keimzelle für ausbau- und variationsfähige Gestaltungen, man kann durch kreisförmige, rhombenartige und trapezoide Formen – auch durch Zackenformen – den Raum entdecken, die Flächen zum Raum ausweiten, Abstände und Flächentiefen, Harmonie oder Kräftespannung, Ballung und Kreuzung nacherlebbar machen. So erreichte sie eine Vielfalt von Raum-, Flächen- und Objektbeziehungen. Sie vereinigen sich zu bildhaften Zusammenhängen, in denen sie bedeutungsvoll werden. Elrid Metzkes Bildzeichen haben einen traumhaft-schwebenden Charakter, den sie im Bildraum einnehmen, sie tauchen auf, verhüllen sich, verändern sich. Man glaubt in nicht zu enträtselnde Geheimnisse einzudringen. Ihre Arbeiten erfordern eine Betrachtung, die zugleich schauend und denkend sich vollziehen muss.
Schon mehr als 30 Jahre beschäftigt sich der Bildhauer und Zeichner Robert Metzkes mit der farbig engobierten Terrakottaplastik. Terrakotta ist in der Verarbeitung härter als der flexiblere Bronzeguss, dafür lässt sich die Farbe leichter auftragen. Metzkes bemalt seine Figuren, seine Büsten und Porträts vor dem Brennen mit mineralisch eingefärbtem Tonschlicker (Engobe), der je nach Auftragsweise nach dem Brennen eine matte bis mattglänzende Oberfläche ergibt. Durch das natürliche Material erreicht er die frappierende Lebendigkeit und das innere Strahlen der Plastiken. Die stillen, in ihre Gedanken versunkenen Menschenbilder verbindet antikische Idealität mit einer höchst gegenwärtigen Präsenz; Kunstgestalt und Natur, Abbild und Abstraktion kommen hier zusammen. Sie atmen den gelassenen Geist der mediterranen Welt und sind doch zugleich lebendig-sinnliche Porträts der heutigen Generation. Aus dieser Spannung von Irritation und Identifizierung erwächst der besondere Reiz der Plastiken. Es ist von einem „Sympathiezauber“ gesprochen worden, der Metzkes’ Figuren mit den Menschen verbindet, die sie betrachten.
Der wache, prüfende Blick aus weit geöffneten Augen (so in „Sitzende Mona“, 2016) gilt nicht uns, den Betrachtern; die Figuren wenden den Blick weg oder sie schauen durch uns hindurch. In seinen Porträts ist keine Bewegung, in den Gesichtern keine Geste, kein Wimpernzucken, kein Falten der Haut, auch kein Lachen, Weinen, ja nicht einmal Atmen. Es ist die Stille antiker Ferne in diesen Gesichtern. Und wenn sich Furchen graben wie Tätowierungen, dann wird das Porträt noch ruhiger. Und alles fließt wie in geschlossenen Kreisen.
Robert Metzkes hat zwar sich gemeint, aber doch unbeabsichtigt zusammengefasst, was alle drei miteinander verbindet: Es gehe ihm um „einen Zauber, der entsteht, wenn etwas nicht mit der Wirklichkeit verwechselbar ist und dennoch lebendig wirkt“. Es gehe nicht darum, „dass irgendetwas abgebildet wird, sondern um die Form, die eine Übersetzerin der Realität ist“. Ihre Arbeiten sind Botschaften einer besseren Welt.
Metzkes – Harald Metzkes: Malerei, Elrid Metzkes: Gobelin und Patchwork, Robert Metzkes: Plastik. Zeitgalerie Friedrichshagen, Scharnweberstr. 59, 12587 Berlin, Mi–Fr 12–18 Uhr, Sa 10–13 Uhr, bis 12. Mai.
Schlagwörter: Elrid Metkes, Klaus Hammer, Robert Metzkes, Zeitgalerie Friedrichshagen