von Jerry Sommer
Die USA haben in den vergangenen Jahren Waffen im Wert von jeweils über 25 Milliarden US-Dollar ins Ausland exportiert. Nach Berechnungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI kommt ein Drittel der weltweiten Rüstungsexporte aus den Vereinigten Staaten. Der Umfang der amerikanischen Waffenausfuhren nehme seit über zehn Jahren zu, stellt die Rüstungsexpertin von SIPRI, Aude Fleubert, fest: „Die US-Rüstungsexporte sind erheblich angestiegen. In den letzten fünf Jahren war ihr Wert um über 20 Prozent größer als im Fünf-Jahreszeitraum zuvor. Das hat schon vor Trumps Amtsantritt begonnen – unter der Präsidentschaft von Obama.“
Im ersten Jahr von Donald Trump hat sich dieser Trend fortgesetzt: Anfragen für Waffenverkäufe im Wert von 82 Milliarden US-Dollar wurden genehmigt. Das sind circa fünf Prozent mehr als 2016. Aber das ist der Trump-Regierung nicht genug. Sie heizt die Rüstungsproduktion durch eine Erhöhung des US-Militärbudgets an. Und sie drängt Verbündete zu mehr Rüstungsausgaben. Auch werden in Washington gegenwärtig die Rüstungsexportrichtlinien überarbeitet, um Waffenexporte zu erleichtern. Das Ziel formulierte ein Regierungsvertreter in der Tageszeitung Washington Times folgendermaßen: „Wir müssen die Rüstungsexportgenehmigungen besser und schneller erteilen –besonders bei Anfragen aus Ländern, die sonst von China, Russland, Frankreich Australien und Israel kaufen würden.“
Die zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, Ellen Lord, erklärte, dass der Zeitraum zwischen Antragstellung und Genehmigung halbiert werden soll. Die Staatssekretärin kennt die Wünsche der Industrie – sie war bis vor kurzem selbst Vorstandsvorsitzende der Rüstungsfirma Textron Systems.
Auch die US-Botschafter und -Diplomaten in aller Welt sollen noch stärker als bisher für den Kauf von amerikanischen Waffen werben – um Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Präsident Trump praktiziere in Bezug auf Rüstungsexporte schon seit seinem Amtsantritt einen neuen Stil, meint Jeff Abramson von der „Arms Control Association“ in Washington: „Das Herangehen hat sich schon geändert. Wenn Donald Trump auf Auslandsreise geht, wirbt er für Rüstungsexporte. Letztes Jahr zum Beispiel brüstete er sich nach seinem Besuch in Saudi-Arabien, Waffenexporte im Wert von 110 Milliarden Dollar vereinbart zu haben.“
Eine weitere geplante Änderung: Die Zuständigkeit für den Export von bestimmten Kleinwaffen soll vom Außenministerium auf das Handelsministerium übergehen. Das kritisierte der demokratische Politiker Ben Cardin im außenpolitischen Ausschuss des US-Senats schon im vergangenen September scharf: „Wenn das Handelsministerium zuständig wird, verliert unser Ausschuss alle Kontrollbefugnisse. Das bedeutet Menschenrechte und andere Themen werden nicht mehr in die Entscheidung einbezogen“.
Die US-Regierung muss den Kongress über jeden von ihr genehmigten Rüstungsexport informieren. Der Kongress kann Einspruch erheben. Letztes Jahr gab es den bisher wohl stärksten Widerstand, als die Trump-Administration den Export von Präzisionswaffen nach Saudi-Arabien genehmigt hatte. Ein solcher Waffenexport war noch 2016 von US-Präsident Obama storniert worden – wegen der vielen zivilen Opfer, die die saudi-arabische Militäroperation im Jemen gefordert hatte. Jeff Abramson: „In der Regel haben die Vorsitzenden der Kongressausschüsse die Waffenexporte abgesegnet, bevor die Regierung den Kongress über ihre Exportgenehmigung informiert. Doch im vergangenen Mai lehnten 47 von 100 Senatoren den Export von Präzisionsmunition an Saudi-Arabien ab. Eine solch starke Opposition ist wirklich außergewöhnlich.“
Aber diesmal genehmigte die Senatsmehrheit die Lieferung der Munition an Saudi-Arabien. Dass die Rüstungsexporte in der Regel vom Kongress durchgewinkt werden, liegt auch an dem Einfluss der Rüstungsindustrie im Lande, glaubt Jeff Abramson: „Die Rüstungsindustrie ist gut eingebettet im US-System. Sie hat an vielen Orten Betriebe aufgebaut. Es gibt also überall im Land eine Anhängerschaft von Rüstungsexporten.“
Entsprechend den bestehenden noch von Obama erlassenen Richtlinien für Rüstungsexporte muss die Regierung bei einer Genehmigung eine Reihe von Faktoren berücksichtigen und gegeneinander abwägen: Waffenexporte sollen unter anderem der Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten dienen. Mit dem Verkauf von US-Waffen soll aber auch der Industriestandort USA gestärkt werden. Gleichzeitig sollen regionale Stabilität und eine friedliche Konfliktlösung gefördert und ein regionaler Rüstungswettlauf vermieden werden. Schließlich müsse sichergestellt sein, dass die Waffenexporte nicht zur Verletzung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts führen.
Die Richtlinien ermöglichen also eine große Flexibilität. In der Praxis haben geostrategische und ökonomische Gründe meistens im Vordergrund gestanden – auch unter Präsident Obama. Nur am Ende seiner Amtszeit hat er einige Waffenexporte abgelehnt – aus Sorge vor ihrem menschen- oder völkerrechtswidrigen Einsatz. Nicht genehmigt wurden der Export von Präzisionsmunition an Saudi-Arabien und der Verkauf von Kampfflugzeugen an das ebenfalls in Jemen kriegführende Scheichtum Bahrain sowie von Kampfflugzeugen an Nigeria. Die nigerianische Armee war beschuldigt worden, schwere Menschenverletzungen begangen zu haben. Allerdings: inzwischen sind all diese Waffenexporte von der Regierung Trump genehmigt worden. Das verheiße für die Zukunft nichts Gutes, schätzt Rüstungsexportkritiker Jeff Abramson: „Die Trump-Regierung scheint Menschenrechtsprobleme nicht mehr berücksichtigen zu wollen. Stattdessen wird darüber geredet, dass die USA ihren Anteil am internationalen Rüstungsmarkt erhöhen müssten. Das geht aber wohl nur mit Rüstungsexporten in Länder, bei denen es erhebliche Bedenken wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen gibt.“
Vertreter der Trump-Regierung widersprechen zwar der Annahme, dass nach den neuen Rüstungsexportrichtlinien das Thema Menschenrechte gar keine Rolle mehr spiele. Doch angesichts der Genehmigungspraxis ist offensichtlich, dass diesem Aspekt bei der Entscheidungsfindung noch weniger Gewicht beigemessen werden soll als bisher.
Demgegenüber wird der wirtschaftliche Nutzen von Rüstungsexporten für die USA noch wichtiger. Aude Fleubert vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hält das für falsch: „Waffen sind ja nicht ein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Man darf die nicht an jeden verkaufen. Sie können eine zerstörerische Wirkung haben. Deshalb wäre es besser, nicht wirtschaftliche, sondern politisch-strategische Überlegungen in den Vordergrund zu stellen. Man sollte vor allem das Land analysieren, in das Waffen verkauft werden sollen – ob es Krieg führt, ob es im Inneren Gegner unterdrückt.“
Inwieweit die neuen Richtlinien tatsächlich zu einer weiteren Erhöhung der US-Rüstungsexporte führen, bleibt abzuwarten. Denn die internationale Konkurrenz nimmt zu. Aber andere Rüstungsexporteure könnten sich gedrängt fühlen, ebenfalls ihre Rüstungsexportrichtlinien zu lockern. Aude Fleubert: „Länder wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die ja Konkurrenten der USA sind, werden vielleicht ihre Exportbemühungen verdoppeln, um ihren Weltmarktanteil am Rüstungsexport zu halten. Das kann zu neuen Problemen führen, wenn man darüber entscheidet, wem welche Waffen verkauft werden dürfen.“
Statt einer Lockerung der Rüstungsexportrichtlinien fordern Menschenrechtsorganisationen und Konfliktforscher in den USA das Gegenteil: Strengere Kriterien, mehr Transparenz und weniger Waffenexporte. Aber ihre Warnungen werden wahrscheinlich nicht gehört werden.
Der Artikel ist die leicht veränderte Version eines Beitrages für „Streitkräfte und Strategien“ (NDR – Info, 10.3.2018).
Schlagwörter: Jemen, Jerry Sommer, Rüstungsindustrie, Saudi Arabien, SIPRI, USA, Waffenexporte